Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).
Das folgende Werk fand sich in der Büchersammlung eines alten catholischen Geschlechts, im nördlichen Theile Englands. Es ward im Jahr 1529, in Mönchsschrift, in Neapel gedruckt. Wie viel früher es geschrieben worden, ersieht man nicht. Die Hauptvorfälle, welche es erzählt, sind von der Art, als zu den finstersten Zeiten des Christenthums Glauben fanden; aber Schreibart und Darstellung schmecken keinesweges nach Barbarey. Die Sprache ist rein Italiänisch. Wäre die Geschichte um eben die Zeit geschrieben, da sie sich zugetragen haben soll, so träfe das zwischen 1095, der Epoche des ersten Kreuzzuges, und 1243 als dem Zeitpunkt des letzten, oder nicht lange
Kann der Leser diesen Anstrich des Wunderbaren entschuldigen, so wird er alles übrige seiner Durchsicht wehrt finden. Man gebe nur die Möglichkeit der Thatsachen zu, und alle handelnden Personen betragen sich, wie jedermann in ihrer Lage thun würde. Es giebt hier keinen Schwulst, Gleichnisse, Blumen, Ausschweifungen, oder unnöthige Beschreibungen. Jede Begebenheit zweckt geradezu auf die Entwickelung. Des Lesers Aufmerksamkeit bleibt gespannt. Ich mögte sagen, das Ganze sey nach dramatischen Regeln behandelt. Die Charactere sind gut gezeichnet, und noch besser gehalten. Des Schriftstellers vorzüglichste Triebfeder ist Schrecken, nie läßt es seine Geschichte ermatten, und steht so oft dem Mitleid gegen über, daß sich die Seele in einer beständigen Abwechslung herzangreifender Gefühle befindet.
Es mag Leser geben, denen die Schilderung der Bedienten, gegen den Totaleindruck der Geschichte, nicht ernsthaft genug gehalten
Eine kurze Bemerkung noch, und ich halte meinen Leser nicht länger auf. Obwohl die Machinerie Erfindung ist, und die Nahmen der handelnden Personen erdacht, so kann ich doch nicht umhin zu glauben, die Hauptvorfälle der Geschichte gründen sich auf etwas wahres. Die Scene selbst ist zweifelsohne aus einer wirklichen Burg entlehnt. Unwillkührlich entwischt dem Schriftsteller, hie und da, ein Umstand in seiner Beschreibung, der auf etwas hindeutet, was er sah. Die Kammer rechter Hand; die Thür linker Hand; die Entfernung von der Capelle bis zu Corrado's Zimmer: diese und ähnliche Stellen,
Die geneigte Aufnahme, deren die Lesewelt diese kleine Erzählung würdigte, fodert den Dichter auf, die Grundsätze zu erklären, nach welchen er sie verfertigte. Doch ehe er sich darüber einläßt, schickt es sich wohl, daß er seine Leser um Verzeihung bitte, in der erborgten Gestalt eines Uebersetzers vor ihnen aufgetreten zu seyn. Nur Mistrauen in seine eigenen Kräfte, und die Neuheit des Versuchs, konnten ihn zu dieser Verkleidung bereden; darum schmeichelt er sich, daß man ihn entschuldigen werde. Er überließ seine Arbeit, dem unpartheyischen Urtheile des Publikums; entschlossen sie in Dunkelheit umkommen zu lassen, wenn man sie verwürfe; und nicht gesonnen, eine solche Kleinigkeit anzuerkennen, wenn nicht bessere Richter dahin urtheilten, daß er sich dazu gestehen dürfe, ohne zu erröthen.
Es fehlt ihr nicht an Erfindung, aber durch strenge Anhänglichkeit an das gewöhnliche Leben, versiegen die großen Quellen der Phantasie. Wenn auf diese Art die Einbildungskraft eingezwängt wird, so rächt sich freilich die Natur, blos nach dem Maasstabe des gegenseitigen Verfahrens; denn von den alten Romanen war sie ganz ausgeschlossen. Die Handlungen, Empfindungen und Aeusserungen, der Helden und Heldinnen der Vorwelt, waren eben so unnatürlich, als die Triebfedern, die sie in Bewegung setzten. Der Schreiber folgender Blätter hielt es für möglich, beide Gattungen miteinander auszusöhnen. Er wünschte der Macht der Einbildungskraft allen Spielraum zu geben, das unbegränzte Reich der Phantasie zu durchstreifen, und dadurch anziehende Situationen zu bewirken; und es lag ihm daran, die Sterblichen die in seinem Schauspiel auftreten, nach
Nein, sagt Voltaire in seiner Ausgabe des Corneille, diese Vermischung des Grotesken und Feyerlichen ist unerträglich. Voltaire ist ein 1
. Ohne Schiedsrichter aufzurufen, gegen die sich etwas einwenden ließe, wende ich mich von Voltaire an ihn selbst. Ich leiste Verzicht, auf seine vormaligen Lobreden zu Ehren des mächtigen Dichters; wiewohl der französische Kunstrichter einen Monolog Hamlets zweymal übersetzt hat; vor vielen Jahren in seiner Bewunderung, und neuerlich um darüber zu spotten; es thut mir nur leid zu finden, daß seine Urtheilskraft schwächer geworden sey, da sie hätte sollen reifer werden. Ich bediene mich blos seiner eigenen Worte, über die dramatische Behandlung an sich selbst betrachtet, wobey enfant prodigue,) einem treflichen Stücke, für welches ich meine Bewunderung an den Tag lege, und das, sollte ich noch zwanzig Jahr länger leben, ich hoffentlich nie unternehmen werde lächerlich zu machen, drückt sich folgender Gestalt über das Lustspiel aus: (und hätte vom Trauerspiele das nämliche sagen können, wenn anders Trauerspiel ist, was es sicherlich seyn soll, ein Gemälde des menschlichen Lebens; noch vermag ich zu begreifen, warum gelegentlicher Scherz von der tragischen
Wohl weiß ich, daß Herr von Voltaire die Vorrede, woraus ich diese Stellen anführe, nicht sich sondern dem Herausgeber zuschreibt. Wer aber zweifelt, daß Herausgeber und Dichter eine Person sind? oder wer ist der Herausgeber, der sich so glücklich der Sprache und der glänzenden Ueberredungskraft seines Dichters bemeistert? Unstreitig waren diese Aeusserungen eigenthümliche Meinung des Schriftstellers. In dem Briefe an Maffei, welcher seiner Merope zur Vorrede dient, behauptet er die nemlichen Sätze, obwohl, wie es mir vorkommt, mit einigem Zusatz von Ironie. Ich will seine Worte wiederholen, und dann der Ursache erwähnen, warum ich sie anführe. Voltaire übersetzt eine Stelle aus Maffei's Merope, und fügt hinzu: »das ist alles sehr natürlich; jeder Zug ist den Personen die Sie auf die Bühne bringen, angemessen, so wie den Sitten, die Sie ihnen geben. Man würde, glaub' ich, diese ungezwungene Vertraulichkeit in Athen gut aufgenommen haben; aber Paris und unser Parterre verlangen eine andere Art von Einfalt.«
nugae difficiles einschränkt. Doch kann ich nicht umhin, ein Paar Alexandriner anzuführen, die meinen barbarischen Ohren, immer die platteste und höchst kleinlichste Probe ängstlicher Umständlichkeit schienen; die aber Voltaire, der neun Zehntheile von Corneille's Werken so strenge richtet, im Racine heraushebt, um sie zu vertheidigen;
De son appartement cette porte est prochaine
et cette autre conduit dans celui de la reine.
oder:
Unglücklicher Shakespeare! hättest du deinen Rosenkranz seinem Gevatter Güldenstern den
Das Resultat alles dessen, was ich gesagt habe, ist, mein eignes Wagstück unter das Geschütz des grösten Genies zurükzuziehen, das wenigstens mein Vaterland hervorbrachte. Ich hätte anführen können, mir als dem Schöpfer einer neuen Romanengattung stehe frey, welche Regeln ich für ihre Behandlung annehmen wolle: aber ich bin viel stolzer, ein so meisterhaftes Muster, wenn gleich nur schwach und dürftig, und in gröster Ferne, nachgeahmt zu haben, als des ganzen Verdienstes der Erfindung zu genießen; da ich meinem Werk nicht eben so wohl den Stempel des Genies, als der Originalität aufdrücken kann. Wie es ist, hat ihm das Publicum Ehre genug erwiesen, welchen Rang ihm auch seine Stimme anweisen mag.
Manfred, Fürst von Otranto, hatte einen Sohn und eine Tochter. Diese, ein sehr schönes Fräulein von achtzehn Jahren, hieß Matilde. Corrado, der Sohn, war drey Jahr jünger, übel aussehend, kränklich, und ohne versprechende Anlagen; dennoch der Liebling seines Vaters, der selten Spuren einiger Zuneigung gegen Matilde blicken ließ. Manfred hatte eine Heirath für seinen Sohn mit Isabellen, der Tochter des Markgrafen von Vicenza besprochen; und ihre Vormünder hatten sie bereits in Manfreds Hände abgeliefert, damit er die Hochzeitfeyer vollziehen könne, sobald Corrado's schwacher Gesundheitszustand es erlaubte. Manfreds
Corrado's Geburtstag war zum Trauungsfest bestimmt. Die Gesellschaft befand sich in der Burgcapelle versammelt, und alles zur priesterlichen Einsegnung bereit, als man Corrado selbst vermißte. Manfred konnte keinen Verzug ertragen, er hatte nicht bemerkt daß sein Sohn sich entferne, und sandte einen seiner Begleiter den jungen Fürsten herbeyzurufen. Der Bediente blieb nicht so lange weg, als er Zeit bedurfte über den Hof nach Corrado's Zimmern zu gehn, sondern lief athemlos zurück, und sah aus wie ein Wahnwitziger, seine Augen starrten, Schaum stand vor seinen Lippen. Er sprach kein Wort, und zeigte auf den Hof. Die Gesellschaft ergrif Schauder und Entsetzen. Die Fürstin Hippolite wuste nicht was vorgefallen seyn konnte, aber aus Angst um ihren Sohn fiel sie in Ohnmacht. Manfred, minder besorgt, als aufgebracht über die Verzögerung der Trauung, und die Albernheit seines Bedienten, fragte gebieterisch, was es gäbe? Der Bursch antwortete nicht, sondern
Was Manfreds Augen zuerst auffiel, war ein Kreis seiner Bedienten, die etwas in die Höhe zu heben sich bemühten, das einem Berge schwarzer Federn ähnlich sah. Er staunte und traute seinem Gesicht nicht. Was treibt ihr da? rief Manfred wütend: wo ist mein Sohn? Ein Chor von Stimmen antwortete: O, gnädigster Herr! der Prinz! der Prinz! der Helm! der Helm! Ihn erschütterten die Klagetone, die Furcht unbekannter Dinge überfiel ihn, er trat hastig hinzu – was erblickten
Dieser grauenvolle Anblick, die Unwissenheit aller Umstehenden auf was Art sich der Unfall ereignet habe, und über alles, die furchtbare Erscheinung vor ihm, benahmen dem Fürsten die Sprache. Doch schwieg er länger, als selbst der Kummer schweigen kann. Seine Augen starrten auf das hin, was er vergebens wünschte für ein Gesicht halten zu können; und er schien minder empfindlich gegen seinen Verlust, als in Betrachtung verlohren, über den erstaunenswürdigen Gegenstand der ihn veranlaßte. Er berührte, untersuchte, den unglückbringenden Helm; selbst die blutenden zerstückelten Ueberreste des jungen Prinzen, konnten Manfreds Blicke von diesem Schreckenswunder nicht abziehn. Wer seine partheyische Zärtlichkeit für den jungen Corrado gekannt hatte, war eben so verwundert über die Unempfindlichkeit des Fürsten, als betroffen
Den Bedienten fiel dieser sonderbare Befehl nicht auf. Liebe zu ihrer Herrschaft ließ sie annehmen, daß von ihr allein die Rede seyn könne: sie eilten zu ihrem Beystand. Man brachte sie in ihr Schlafzimmer mehr todt als lebendig, und gleichgültig gegen alles seltsame das man ihr hinterbrachte, ausgenommen gegen den Verlust ihres Sohnes. Matilde, kindlicher Zärtlichkeit voll, erstickte eignen Schmerz und Entsetzen, und dachte nur darauf ihre betrübte Mutter aufzurichten und zu trösten. Isabelle, die wie eine Tochter von Hippoliten behandelt war, und diese Zuneigung mit gleicher Erkenntlichkeit und Liebe erwiederte, war kaum weniger thätig um die Fürstin; und suchte zu gleicher Zeit das Gewicht des Grams mit zu tragen und zu vermindern, das ihre Matilde zu
Während die Damen der unglücklichen Mutter zu Bette halfen, blieb Manfred im Hofe, betrachtete unverwand den Verderben, verkündenden Helm, und kehrte sich nicht an die Menge, welche dieser seltsame Vorfall nach und nach um ihn versammelt hatte. Nur von Zeit zu Zeit fragte er mit kurzen Worten: ob niemand wisse, woher der Helm gekommen seyn möge? Niemand konnte darüber die geringste Auskunft geben. Da dies aber der einzige Gegenstand seiner Neugierde schien, so ahmten
Während dieses Wortwechsels, rannten einige der gemeinen Zuschauer in die große Kirche, die der Burg nahe stand, und kamen mit aufgesperrten Mäulern zurück, zu melden, Alfonso's Bildsäule habe ihren Helm verlohren. Manfred gerieth bey dieser Nachricht vollends außer sich; und, als sucht' er einen Gegenstand an welchem er den Sturm in seiner Brust auslassen könnte, stürzt' er von neuem auf den jungen Landmann zu, und rief: Sclave! Ungeheuer! Zauberer! du hast dies gethan! du hast meinen Sohn erschlagen! Dem Pöbel fehlte lange ein Vorwurf, dem Maas seiner Fähigkeiten angemessen, um seine in der Irre laufenden Gedanken daran fest zu halten, er schnappte das Wort aus dem Munde seines Herrn, und hallte
Die Albernheit dieser Ausrufungen brachte Manfred wieder zu sich. Doch verdroß es ihn, daß der Bauer der Aehnlichkeit beyder Helme erwähnt, und dadurch Gelegenheit gegeben habe, die Abwesenheit des kirchlichen zu bemerken; vielleicht wünschte er auch, jedes Gerücht davon unter eine so ungereimte Vermuthung zu begraben; also sprach er das ernste Urtheil: der junge Mann sey gewiß ein Schwarzkünstler, und bis die Kirche von der Sache Kundschaft nehmen könne, wolle er den Zauberer, der sich so verrathen habe, unter dem Helme selbst gefangen halten. Diesen ließ er daher von seinen Dienern empor heben und den Jüngling darunter stecken; mit der Erklärung: man solle ihm dort keine
Unterdessen hatten die Sorgfalt und der Eifer der jungen Damen die Fürstin Hippolite wieder zu
Sie kannte ihres Vaters Heftigkeit zu gut, um eine zweyte Unterbrechung zu wagen. Als sie sich von der Erschütterung über eine so bittere Aufnahme ein wenig erholt hatte, wischte sie ihre Zähren weg, um der Wunde zuvorzukommen, welche die Wahrnehmung derselben dem Schmerz Hippolitens hätte hinzufügen müssen, die sich sehr ängstlich nach Manfreds Gesundheit erkundigte, und wie er seinen Verlust ertrüge? Matilde versicherte sie: er sey wohl, und fasse sich in sein Unglück mit männlicher Stärke. Will er sich mir denn nicht zeigen? sprach
Mit mir! rief Isabelle. Gehen Sie, sagte Hippolite, für welche eine Botschaft von ihrem Gemahl wohlthätig war: Manfred kann den Anblick seiner eignen Familie nicht ertragen. Er traut Ihnen mehr Fassung zu als uns, und fürchtet den Ausbruch meiner Schmerzen. Trösten Sie ihn, theure Isabelle, und sagen Sie ihm; ich wolle lieber meinen
Da es jetzt Abend war, trug der Bediente, der Isabellen berief, eine Fackel vor ihr her. Als sie zu Manfred kamen, der ungeduldig in der Gallerie umher ging, stutzte er und sprach hastig: Nimm das Licht mit dir und geh! darauf zog er die Thür heftig zu, warf sich auf eine Bank an der Wand, und bat Isabellen, sich neben ihm zu setzen. Sie gehorchte zitternd. Ich schickte zu Ihnen, sprach er – und darauf schwieg er, und schien sehr verwirrt. Gnädiger Herr! – Ja, ich schickte zu Ihnen, wegen einer wichtigen Angelegenheit, fing er wieder an, – trocknen Sie Ihre Zähren, liebenswürdiges Fräulein, – Sie haben Ihren Bräutigam verloren, – grausames Schicksal! und ich die Hofnung meines Stammes! aber Corrado war Ihrer Schönheit nicht wehrt – Wie, gnädiger Herr? sagte Isabelle; können Sie mich in Verdacht haben, unempfindlich zu seyn? Nie würd' ich meiner Pflicht und Liebe so vergessen. – Denken Sie nicht mehr an ihn, unterbrach sie Manfred, er war ein kränklicher, schwächlicher Knabe, den mir der Himmel
Worte schildern Isabellens Erstaunen nicht. Anfangs fürchtete sie, der Gram habe Manfreds Verstand zerrüttet. Ihr nächster Gedanke war, diese seltsame Rede habe zur Absicht, ihr eine Schlinge zu legen; sie fürchtete, Manfred habe ihre Gleichgültigkeit gegen seinen Sohn bemerkt; und in dieser Voraussetzung erwiederte sie: gnädiger Herr, seyn Sie so gütig, keine Zweifel in meine Gefühle zu setzen; ich hätte meine Hand nicht ohne mein Herz vergeben. Corrado würde meine ganze Zuneigung besessen haben; und wohin mich auch mein Schicksal trägt, da werd' ich immer sein Gedächtnis theuer halten, und Ihre Hoheit und die würdige Fürstin Hippolite, als meine Eltern verehren.
Ich bat Sie schon einmal, sagte Manfred unruhig, daß Sie den Namen dieser Person nicht aussprechen mögten: sie muß Ihnen von dieser Stunde
Des Fräuleins Entschlossenheit wich, sobald sie Manfred verließ, dem Schrecken; sie floh bis an den Fuß der Haupttreppe. – Hier stand sie einen
Der untere Theil der Burg war in verschiedene sehr durcheinander laufende Kreuzgänge ausgehölt; und es war nicht leicht, für jemanden der so geängstigt ward, die Thüre zu finden, welche die Höle aufschloß. Eine schauerliche Stille herrschte in diesen unterirrdischen Gegenden. Zuweilen nur erschütterte ein Windstoß die Thüren, durch die sie gekommen war, und das Scharren ihrer rostigen Angeln hallte durch das lange Labyrinth der Finsterniß wieder. Jedes Geräusch erfüllte sie mit neuen Schrecken; und doch fürchtete sie noch viel mehr Manfreds wütende Stimme zu vernehmen, wie er seine Bedienten antriebe, sie zu verfolgen. Sie trat so leise auf als ihre Ungeduld nur erlauben konnte, und doch stand sie oftmals still und horchte, ob man ihr auch folge?
Es ist unmöglich, die entsetzliche Lage der Prinzessin auszudrücken. Allein, an einer so fürchterlichen Stäte, ihre Seele belastet mit den schrecklichen Begebenheiten des Tages, entsagend aller
O Himmel! rief Isabelle, es ist Manfreds Stimme! eilen Sie oder wir sind verlohren! schliessen Sie die Fallthüre hinter sich! So sprach sie, und ging hastig die Treppe hinunter; und da der Fremde
Wie groß war des Fürsten Erstaunen, als statt Isabellens, das Licht der Fackeln ihm den jungen Landmann entdeckte, den er unter dem verwünschten Helm gefangen glaubte. Verräther! sprach Manfred, wie kommst du hieher? ich dachte du wärest oben auf dem Hofe eingesperrt. Ich bin kein Verräther, antwortete kühnlich der junge Mann, und nicht verantwortlich, für das was Ihre Hoheit denken. Unverschämter Sclave! rief Manfred, reizest du meinen Zorn? sprich, wie bist du oben entkommen? du hast deine Wache bestochen, sie büßt mit ihrem Leben dafür. Meine Armuth, antwortete
Als Manfred zuerst die Gallerie verließ, Isabellen nachzueilen, ging er grade in das Gemach seiner Gemahlin, wohin er glaubte, daß sich die Prinzessin zurückgezogen habe. Hippolite, die seinen Tritt kannte, erhob sich mit ängstlicher Sorgfalt, ihrem Gemahl zu begegnen, den sie seit dem Tode ihres Sohnes nicht gesehen hatte. Sie hätte sich, in einem Ausbruch der Freude und des Schmerzes, ihm an den Busen geworfen, aber hart stieß er sie von sich, und fragte: wo ist Isabelle? Isabelle, mein Fürst? rief die erstaunte Hippolite. Ja, Isabelle!
Jetzt kehrte Manfred aus dem Kreuzgange zurück, der Bauer war mit ihm, und wenige Diener, die er zwang ihm zu folgen. Er stieg die Treppe hinauf, ohne still zu stehn, bis er zu der Gallerie kam, an deren Thüre er Hippoliten und ihrem Capellan begegnete. Als Jago von Manfred entlassen war, ging er gerade ins Gemach der Fürstin, und schrie über das was er gesehen hatte. Diese vortrefliche Frau zweifelte, so wenig als Manfred, an der Wahrheit der Erscheinung, doch stellte sie sich, als hielte sie den Bedienten für einen Träumer. Nur wünschte
Manfred, obwohl eben so überzeugt als seine Gemahlin, diese Erscheinung sey kein Werk der Einbildungskraft, erholte sich ein wenig von dem Sturm, womit so viel befremdende Auftritte
Matilde hatte sich auf Hippolitens Befehl in ihr Gemach verfügt, aber zur Ruhe war sie wenig aufgelegt. Ihres Bruders schreckliches Schicksal rührte sie tief. Sie war verwundert, Isabellen nicht zu sehn. Die seltsamen Reden ihres Vaters, dessen unverständliche Drohungen gegen seine fürstliche Gemahlin, und wütendes Betragen, erfüllten ihre sanfte Seele mit Schrecken und Besorgniß. Aengstlich wartete sie, daß Bianca zurück kommen mögte, ein junges Mädchen in ihren Diensten,
Die junge Prinzessin quälte sich mit Vermuthungen über Isabellens Flucht, und Manfreds Drohungen gegen ihre Mutter. Was konnt' er so nothwendig mit dem Capellan zu schaffen haben? Will er meines Bruders Leichnam in der Stille beysetzen lassen? O gnädiges Fräulein, ich errathe es, sagte Bianca. Sie sind seine Erbin geworden, jetzt kann er die Zeit nicht erwarten, Sie verheirathet zu wissen. Ihn hat immer nach mehr Söhnen
Sie blieb eine Zeitlang schweigend, und wandte dann sich gegen Bianca: Ich bin überzeugt, Isabellens Flucht hat keine unwürdige Ursache. Nahm dieser Fremdling Theil daran, so muste sie seiner Treue und Rechtschaffenheit gewiß seyn. Bemerktest du nicht, Bianca, wie ich, daß seine Worte ein ungewöhnliches Gepräge von Frömmigkeit trugen?
Manfred war mit Tages Anbruch aufgestanden, und in Hippolitens Gemach gegangen, um zu erforschen, ob sie etwas von Isabellen wisse. Während er sie ausfragte, benachrichtigte man ihn, daß Geronimo ihn zu sprechen verlange. Manfred ließ sich von der Ursache nichts träumen, die den Mönch herbrachte. Er wuste, daß ihn Hippolite als ihren Almosenier gebrauchte, und befahl ihm hereinzukommen, weil er beyde zusammen lassen wollte, um indessen seine Nachforschungen nach Isabellen fortzusetzen. Gilt Ihr Besuch mir oder der Fürstin? fragte Manfred. Beiden, antwortete der ehrwürdige Mann. Fräulein Isabelle – Was wissen Sie von ihr? unterbrach ihn Manfred eifrig – Sie steht am Altar Sankt Nicola, erwiederte Geronimo. Das geht meine Gemahlin nicht an, sprach Manfred bestürzt; folgen Sie mir in
Manfred ging mit dem Mönch in sein Gemach, und zog die Thür hinter sich zu. Vater, sagt' er, ich merke wohl, Isabelle hat Sie von meiner Absicht unterrichtet. Hören Sie jetzt meinen Entschluß, und gehorchen. Staatsgründe, dringende Gründe, meine und meines Volkes Wohlfahrt erfordern, daß ich einen Sohn erhalte. Vergeblich erwart' ich einen Erben von Hippoliten. Ich habe Isabellen gewählt. Sie müssen sie zurückbringen. Sie müssen mehr thun. Ich kenne Ihren
Des Himmels Wille geschehe! sprach der Mönch. Ich bin nur sein unwürdiges Werkzeug. Er bedient sich meiner Zunge, Fürst, Ihnen zu sagen, daß Ihr Vorhaben unverantwortlich sey. Die Leiden der tugendhaften Hippolite sind vor den Thron der
Wie schneidend war die Betrübniß, die der gute Greiß empfand, als er diese Verkehrtheit des tückischen Fürsten gewahrte. Er zitterte vor Hippoliten, deren Verderben, wie er sah, beschlossen war; und
Da wir nun einander verstehn, Vater, hub der Fürst an, so erwarte ich, Sie werden mich über einen Punkt befriedigen. Wer ist der junge Bursche, den ich im Kreutzgange fand? Er muß Theil an Isabellen Flucht genommen haben. Sagen Sie mir die Wahrheit: ist er ihr Liebhaber?
Verstockter junger Betrüger! rief der Fürst dem Jüngling entgegen, sobald er ihn sah; wie besteht jetzt die Wahrhaftigkeit, mit der du dich brüstest? Waren es Vorsehung und Mondschein, die das Schloß der Fallthür dir offenbarten? Sage mir, verwegner Junge, wer bist du? wie lange bist du mit der Prinzessin bekannt? und hüte dich, nicht so zweydeutig zu antworten, als diese Nacht, oder die Marterbank soll dich Wahrheit reden lehren. Der Jüngling merkte, daß sein Antheil an der Flucht der Prinzessin entdeckt sey, und urtheilte, was er auch jetzt sage, könne ihr nicht mehr zum Vortheil oder zum Schaden gereichen. Er antwortete
Der unerschrockene Jüngling hörte dies Urtheil, mit einer Ergebung, die jedes Herz rührte, außer Manfreds. Er wünschte sehnlichst zu wissen, was die Worte bedeuteten, womit man der Prinzessin erwähnte; aber er gab es auf, aus Besorgniß, den
Manfreds Herz war fähig gerührt zu werden. Sein Zorn wich dem Erstaunen, aber sein Stolz verbot ihm, diese Empfindungen zu gestehn. Es fiel ihm sogar ein, die Erkennung sey vielleicht nur eine List, deren der Mönch sich bediene, den Jüngling zu retten. Was soll das bedeuten? fragt' er. Wie kann er Ihr Sohn seyn? Besteht es mit Ihrem Amt, und dem Geruch Ihrer Heiligkeit, den
Bange Ahndungen durchschauerten Manfreds Seele, als er den Federbusch der wundersamen Sturmhaube, bey dem Schall der ehernen Drommete erbeben sah. Vater, sprach er zu Geronimo, den er nicht länger als Grafen Falconara behandelte, was bedeuten diese Schreckenszeichen? Hab' ich gesündigt – Die Federn bewegten sich heftiger als zuvor. Ich bin verloren! rief Manfred. Ehrwürdiger Vater, unterstützen Sie mich mit Ihrem
Nun, Plaudermaul! sagte Manfred, was willst du von mir? Ich komme, erwiederte der Herold, zu Manfred, dem unrechtmässigen Besitzer des Fürstenthums Otranto, von Seiten des berühmten unüberwindlichen Ritters, Ritters vom Riesensäbel; im Namen seines Herrn, Friedrichs
Wo ist der Prahlhans, der dich sendet? fragte Manfred. Eine Stunde von hier, antwortete der Herold; er kommt, seines Herrn Forderungen gegen dich zu behaupten, so wahr er ein rechtschaffener Ritter ist, du aber ein unrechtmässiger Besitzer und Räuber. So beleidigend diese Herausforderung war, überlegte Manfred doch, daß es nicht gut für ihn sey, den Markgrafen zu reizen. Er wuste, wie wohl gegründet Friedrichs Ansprüche waren, und hatte nicht erst jetzt das erste Wort davon gehört.
Herold, sprach Manfred, sobald seine Ueberlegung zur Reife gediehen war, kehre zurück zu deinem Herrn, und sag' ihm, ehe wir mit dem Schwerdt unsern Zwiespalt schlichten, wolle Manfred sich mit ihm besprechen. Heiß ihn willkommen in meiner Burg, wo er bey meiner Treue, so wahr ich ein rechtschaffener Ritter bin, freundschaftliche Aufnahme finden soll, und völlige Sicherheit für sich und sein Gefolge. Können wir unsern Streit nicht friedlich vertragen, so schwör' ich, er soll ungekränkt von dannen ziehn, und volle Genugthuung erhalten, nach Waffenrecht und Sitte. So helfe mir Gott und seine heilige Dreyfaltigkeit! Der Herold verbeugte sich dreymal und ging.
Während dieses Gehörs, ward Geronimo's Seele durch tausend widersprechende Gefühle bekämpft. Er zitterte für das Leben seines Sohnes, und ließ sich zuerst einfallen, Isabellen zu bereden, in die Burg zurück zu kehren. Doch war er kaum
Unterdes war der Fürst in den Hof hinabgegangen, und hatte befohlen, die Thore der Burg zu öfnen, zum Empfang des fremden Ritters und seines Gefolges. Wenige Minuten darauf kam der Zug heran. Zuerst erschienen zwey Quartiermeister mit Stäben. Darauf der Herold mit zwey Edelknaben und zwey Trompetern. Darauf hundert Fußknechte, dann hundert Reiter. Hinter ihnen funfzig Bediente, gekleidet in des Ritters Livrey, scharlach und schwarz. Dann ein Handpferd. Ein Cavalier zu Pferde, mit zwey Herolden an jeder Seite, ein Panier mit den verbundenen Wapen von Vicenza und Otranto tragend. – Dieser Umstand war für Manfred sehr beleidigend, doch unterdrückte er seine Empfindlichkeit. Des Ritters Beichtvater, der seinen Rosenkranz betete. Funfzig andre Bediente,
Wie er an das Thor kam, hielt er inne, der Herold ritt vor, und laß die Worte der Aufforderung noch einmal. Manfreds Augen starrten hin auf das Riesenschwerd, kaum schien er das Cartel zu achten. Aber bald ward seine Aufmerksamkeit durch einen Sturmwind unterbrochen, der sich hinter ihm erhob. Er wandte sich, und sah die Federn des bezauberten Helms eben so seltsamlich geschüttelt als zuvor. Nur Manfreds Unerschrockenheit
Der Ritter antwortete nicht, aber stieg ab, und Manfred führte ihn in die große Halle der Burg. Als sie durch den Hof gingen, stand der Ritter still, die große Wunderhaube anzustaunen, kniete nieder, und schien einige Minuten lang innerlich zu beten. Dann stand er auf, und winkte dem
Darauf führte Manfred die drey Ritter in ein inneres Zimmer, machte die Thür hinter ihnen zu, nöthigte sie zu sitzen, und wandte sich an den ersten unter ihnen.
Diese Unterbrechung mißfiel dem Fürsten. Er besorgte, der Mönch mögte den Fremden entdecken, daß sich Isabelle an heilige Stäte geflüchtet habe, und wollte schon Geronimo den Eintritt untersagen lassen. Da fiel ihm ein, er sey sicherlich gekommen, der Prinzessin Rückkehr zu berichten, und so fing Manfred an, sich gegen die Ritter zu entschuldigen, daß er sie auf einige Augenblicke verlassen müsse, als die Mönche zu ihnen hereintraten. Manfred
Unterdessen hatte Matilde tiefe Theilnahme an dem Schicksal des jungen Landmanns empfunden, seit sie ihn in der Halle zum Tode verurtheilen sah, und immer auf Mittel zu seiner Rettung gesonnen. Jetzt erfuhr sie, sobald die Gesellschaft die Burg verlassen hatte, durch einige ihrer weiblichen Bedienten, Manfred habe alle seine Diener auf verschiednen Wegen fortgeschickt. In seiner Eile gab er den Befehl in allgemeinen Ausdrücken; er meinte nicht, ihn auf die Wache auszudehnen, die er über Theodor gesetzt hatte, aber er vergaß sie. Die Bedienten waren sehr zuvorkommend, gegen die Gebote eines strengaufsehenden Fürsten. Auch trieb sie eigne Neugier und Sucht nach seltnen Vorfällen, an jeder übereilten Hetze Theil zu nehmen. So verließen sie sammt und sonders die Burg. Matilde machte sich los von ihren Frauenzimmern, schlich zum schwarzen Thurm, zog den Riegel von der Thür hinweg, und zeigte sich dem erstaunten Theodor. Junger Mann, sprach sie, kindlicher Gehorsam und jungfräuliche Bescheidenheit verdammen diesen Schritt, den
Theodor ging nachdenklich dem Kloster zu, seinem Vater seine Befreyung kund zu thun. Dort erfuhr er Geronimo's Abwesenheit, und daß man der Donna Isabella nachsetze, mit deren Geschichte er erst jetzt einigermaßen bekannt ward. Angebohrner ritterlicher Edelmuth trieb ihn zu dem Wunsch, ihr beyzustehn, aber die Mönche konnten ihm keinen
Am Eingang der Höle fand er einen bewafneten Ritter, mit einem Bauren sprechend, der ihm versicherte, er habe ein Frauenzimmer die Felsengänge einschlagen sehn. Der Ritter brach auf sie zu suchen, als Theodor mit gezucktem Schwerd in seinen Weg traf, und ihm herrisch abzustehn gebot, so lieb ihm das Leben sey. Wer bist du, der mich aufzuhalten wagt? sprach hochbrüstig der Ritter. Einer der nicht mehr wagt, als er ausführen kann, antwortete Theodor. Ich suche Donna Isabella, fuhr der Ritter fort, und vernehme, sie habe sich zwischen diese Felsen geflüchtet. Weiche mir, oder du wirst es bereuen, meinen Zorn gereizt zu haben. Ich hasse dein Vorhaben, antwortete Theodor, und verachte deinen Zorn. Kehre zurück woher du kamst,
Sobald der kummervolle Zug in die Burg trat, gingen ihm Hippolite und Matilde entgegen, die Isabelle, durch einen vorausgesandten Bedienten, von ihrer Ankunft benachrichtigt hatte. Die Damen ließen Friedrich in das nächste Zimmer tragen, und begaben sich weg, während die Wundärzte seine Wunden untersuchten. Matilde erröthete, Isabellen und Theodoren bey einander zu sehn: doch suchte
Was gehn die Fürstinnen diese Reime an? fragte Theodor ungeduldig. Musten sie durch eine geheimnißvolle Zurückhaltung erschreckt werden, die so wenig Grund hat? Das sind harte Worte, junger Mann, sprach der Markgraf. Wem das Schicksal einmal günstig war – Mein theurer Vater, sprach Isabelle, empfindlich über Theodors Hitze, die wie sie wohl merkte, ihren Grund in seinen Gefühlen
Isabelle blieb nicht minder schlaflos. Ihr Argwohn war besser gegründet. Denn Theodors Zunge und Augen hatten ihr gesagt, sein Herz sey gefesselt. Aber vielleicht erwiederte Matilde
Noch dauerte der freundschaftliche Zwist, als Hippolite in das Zimmer ihrer Tochter trat. Fräulein, sprach sie zu Isabellen, Sie haben so viel Zuneigung für Matilden, und nehmen so freundschaftlichen Theil an unser unglückliches Haus, daß ich keine Geheimnisse für mein Kind haben kann, die Sie nicht anhören dürften. Die Prinzessinnen schwiegen mit ängstlicher Aufmerksamkeit. Wissen Sie also, Fräulein, fuhr Hippolite fort, und du, meine theure Matilde, alle Begebenheiten dieser beyden letzten schrecklichen Tage überzeugen mich, es ist der Wille des Himmels, daß der Scepter von Otranto aus Manfreds Hand in die des Markgrafen
Hippolitens wirklicher Vorsatz war, Geronimo zu fragen, ob sie nicht mit gutem Gewissen in die Ehescheidung willigen könne. Oft schon drang sie in Manfred, dem Fürstenthum zu entsagen, dessen Besitz ihrem zarten Gefühl eine stündliche Last war. Diese Zweifel trugen dazu bey, ihr eine Trennung von ihrem Gemahl weniger schrecklich scheinen zu lassen, als sie ihr in jeder andern Lage vorgekommen seyn würde.
Da Geronimo am Abend die Burg verließ, forderte er strenge von Theodor, ihm zu sagen, warum er ihn gegen Manfred beschuldigt habe, daß er Theil an seiner Flucht genommen? Theodor gestand, er habe das aus der Absicht gethan, zu verhindern, daß nicht Manfreds Argwohn auf Matilde fallen mögte; und setzte hinzu: Geronimo's heiliges Leben und Amt sey ja vor dem Zorn des Tyrannen gedeckt. Es that Geronimo herzlich weh, seines
Jüngling, sprach Geronimo, da er ihn ansichtig ward, dein Zaudern mißfällt mir. Haben die Befehle eines Vaters schon so wenig Gewicht? Theodoren wolten die Entschuldigungen nicht recht glücken; er schob seine Verspätung darauf, daß er zu lange geschlafen habe. Hast du nicht auch geträumt? fragte der Mönch mit strengem Ton. Sein Sohn erröthete. Unbesonnener! fuhr der Klosterbruder
Unterdessen hatte Manfred Friedrichen zugesprochen, und ihm die gedoppelte Verbindung vorgeschlagen. Dieser schwache Fürst war von Matildens
Was suchen Sie hier, Fürstin? sprach Manfred. Warum konnten Sie nicht warten, bis ich vom Markgrafen zurückkam? Ich ging hieher, versetzte Hippolite, Ihrer Hoheit Rathschlüssen Segen zu erflehen. Meine Rathschläge bedürfen keiner pfäffischen Vermittelung, sprach Manfred. Giebt es denn unter allen Menschenkindern keinen Vertrauten für Sie, als diesen grauen Verräther? Sie lästern, gnädiger Herr, sprach Geronimo. Sie treten zum Altar, um die Diener des Altars zu verhöhnen. Aber Manfreds ruchlose Plane liegen am Tage. Der Himmel kennt sie, und diese tugendhafte Fürstin. Zornige Blicke schrecken mich nicht, gnädiger Herr. Die Kirche verachtet Ihre Drohungen. Der Kirche Donner sprechen lauter
Jede Betrachtung, die Manfred über Geronimo's Betragen anstellte, trug dazu bey, ihn zu überreden, der Mönch unterstütze einen Liebeshandel zwischen Isabellen und Theodoren. Aber Geronimo's neuerliche Anmaaßlichkeit, die von seiner vorherigen Sanftmuth merklich abstach, ließ ihn noch unendlich mehr besorgen. Der Fürst argwöhnte sogar, der Mönch steife sich auf eine geheime Unterstützung Friedrichs, dessen Ankunft mit dem befremdenden Auftritt Theodors zusammentraf, und in Verbindung zu stehen
Diese Gefälligkeit war freylich nicht ganz genügend, doch hinreichend, Manfreds Hofnungen zu erwecken. Er vertraute, seine Macht und Reichthum würden sein Gesuch am Römischen Hofe leichtlich fördern, daher nahm er sich vor, den Markgrafen zu bereden, dorthin zu reisen. Dieser Fürst hatte sich seine Neigung für Matilden so sehr merken lassen, daß Manfred alle seine Wünsche zu erlangen hofte, wenn er seiner Tochter Reize ihm bald näher brächte, bald entfernte, je nachdem der Markgraf mehr oder weniger geneigt scheinen würde, zu seinen Absichten mitzuwirken. Selbst durch Friedrichs Abwesenheit, würde er wesentlich gewinnen, indem er unterdessen Maasregeln für seine Sicherheit nehmen könne.
Nach einigen allgemeinen Gesprächen ersuchte Manfred Friedrichen, die beyden Ritter aus seiner Gesellschaft zu entlassen, weil er über dringende Geschäfte mit ihm zu reden habe. Sobald sie allein waren, begann er auf eine schlaue Weise den Markgrafen über Matilden auszuforschen. Da er ihn nach seinem Wunsche gestimmt fand, ließ er einige Winke fallen, wie schwer es halten würde, die Heyrath zu vollziehn, bis – Indem stürzte Bianca ins Zimmer mit so wilden Blicken und Gebehrden, daß sie den höchsten Grad des Schreckens verriethen. O! gnädiger Herr! gnädiger Herr! rief sie; wir sind alle verlohren! Er ist wieder da! er ist wieder da! Wer ist wieder da? fragte Manfred Erstaunens voll. O der Riese! seine Faust! sein Handschuh! Gott steh mir bey! Ich verliere noch den Verstand darüber! rief Bianca. In der Burg bleib ich keine
Manfreden beunruhigte der entschlossene Ton, mit dem Friedrich diese Worte sprach, also suchte er
Indem berichtete man ihnen, die Tafel sey aufgetragen. Manfred führte Friedrichen zur großen
Es war spät, die Tafel ward aufgehoben. Manfred wolte Friedrichen mit sich nehmen. Dieser gab vor, schwach und ruhbedürftig zu seyn, und sein Zimmer suchen zu müssen; doch, setzt' er verbindlich hinzu, soll meine Tochter Ihrer Hoheit Gesellschaft leisten, so lange ich mich dessen nicht fähig fühle. Manfred nahm das Anerbieten an,
Friedrichs Blut erstarrte in seinen Adern. Einige Minuten lang blieb er ohne Bewegung. Dann sank er nieder Antlitz vor dem Altar, und rief die Vermittelung jedes Heiligen an, ihm Verzeihung zu erwerben. Dieser Angst folgte ein Strom von Zähren. Aber wider seinen Willen drang sich das Bildniß der schönen Matilde vor seine Seele, und während er am Boden lag, stritten Buße und Leidenschaft um sein Herz. Noch dauerte die Beängstigung seiner Sinnen, als die Fürstin Hippolite,
So schnell verließ er die Fürstin, und eilte in sein Gemach. An der Thür desselben traf er Manfreden, der, von Liebe und Wein begeistert, gekommen war, ihn aufzusuchen, und ihm vorzuschlagen, ob er nicht noch einige Stunden der Nacht mit Saitenklang und Schwärmen verbringen wolle? Eine Einladung dieser Art stimmte so übel zu Friedrichs Gefühlen, daß sie ihn beleidigte; er stieß seinen Wirth unhöflich bey Seite, ging in sein Zimmer, schlug die Thür heftig zu, und schob den Riegel vor. Der stolze Manfred ergrimmte über ein so unerklärliches Betragen, und begab sich von dort in einem Zustande des Gemüths, der den verderblichsten Ausbruch möglich machte. Als er über den Hof ging, stieß er auf den Bedienten, den er in der Nähe des Klosters gelassen hatte, Geronimo und Theodoren nachzuspühren. Dieser hatte sich ganz außer Athem gelaufen, und erzählte seinem Herrn, Theodor und eine Dame aus der Burg hielten in diesem Augenblick eine geheime Unterredung
Manfreds Seele war entbrannt. Isabelle hatte ihn entfernt, da er ihr seine Leidenschaft mit zu wenigem Rückhalt aufdrang; er zweifelte nicht, sie deswegen so unruhig gefunden zu haben, weil sie ungeduldig gewesen sey, mit Theodoren zusammen zu kommen. Aufgebracht durch diese Vermuthung, wüthend gemacht durch ihren Vater, ging er heimlich und eilends zum Dom. Leise schlich er sich durch die Bänke. Ein schwacher Mondesschimmer warf sein undeutliches Licht durch bemahlte Fensterscheiben: aber das unverständliche Zischeln der Personen, die er suchte, führte ihn endlich zum Grabmal Alfonso's. Nun verstand er einige Worte. Das hängt von mir nicht ab. Manfred willigt nie in unsre Verbindung. Nein! dies verhindert sie auf ewig! rief der Tyrann, zog seinen Dolch, und stieß ihn über die Schulter dem sprechenden Mädchen in die Brust. Weh mir! Ich sterbe! rief Matilde sinkend. Gott nimm meinen Geist auf! –
Matilde ergab sich geduldig in ihr Schicksal, und erkannte Theodors Eifer mit Blicken liebenden Dankes. So oft aber ihre Schwachheit ihr zu sprechen erlaubte, bat sie die Umstehenden, ihren Vater zu trösten. Um diese Zeit hatte Geronimo die Trauerbotschaft vernommen, und trat in die Kirche. Seine Blicke machten Theodoren Vorwürfe. Zu Manfred sprach er: Nun Tyrann, sind die Flüche auf dein ruchloses geweihtes Haupt erfüllt.
Theodor und die Mönche baten sie dringend, sich ins Kloster tragen zu lassen, aber sie jammerte so sehr nach der Burg, daß man sie auf eine Bahre legte, und dorthin trug. Theodor stützte ihr Haupt
Ehe sie die Burg erreichten, hatte Hippolite die schreckliche Begebenheit schon vernommen, und floh ihrer gemordeten Tochter entgegen; als sie aber den Trauerzug erblickte, übernahm die Gewalt des Schmerzes ihre Sinne, sie stürzte ohnmächtig und leblos zu Boden. Isabelle und Friedrich, die ihr zu Hülfe eilten, waren beynahe nicht minder von Gram übernommen. Nur Matilde selbst schien ihren Zustand nicht fühlen, jeder ihrer Gedanken verlor sich in kindliche Zärtlichkeit. Sie ließ die Bahre stillhalten. Sobald Hippolite zu sich gekommen war, fragte sie nach ihrem Vater. Er trat sprachlos herzu. Matilde ergrif seine Hand und die Hand ihrer Mutter, schloß sie in die ihrige zusammen, und drückte sie dann an ihr Herz. Dieser Ausdruck kindlicher Liebe war mehr als Manfred ertragen konnte. Er warf sich wüthend zur Erde, und verfluchte den Tag seiner Geburt. Isabelle besorgte, der Kampf dieser Gefühle werde Matilden
Unterdessen begleitete Isabelle die betrübte Hippolite in ihr Gemach. Auf der Mitte des Hofraums
Die das sahen, warfen sich mit dem Antlitz zur Erde, und erkannten den Willen des Himmels. Hippolite brach die Stille zuerst. O mein Gemahl, sprach sie zu Manfred, dessen große Seele endlich erlag, so eitel ist die Hoheit der Menschen! Corrado
Ihr alle wißt, Alfonso starb im gelobten Lande. – Wißt ihr auch, daß er durch die Hand eines Verräthers fiel? Daß er es ist, dessentwegen ich diesen bittern Kelch bis auf die Hefen leeren muß? Hinweg mit dem Schleyer! Riccardo, mein Großvater, war sein Kämmerling. Alfonso starb an Gift. Ein untergeschobener letzter Wille erklärte
Ich kann alles erklären, sprach Geronimo. Als Alfonso dem gelobten Lande zusegelte, warf ihn ein Sturm an die Küste Siciliens. Das andre Schif, welches Riccardo und sein Gefolge trug, wie Ihre Hoheit wissen werden, ward von ihm getrennt.
Der Klosterbruder schwieg. Die trostlose Gesellschaft begab sich in den Theil der Burg, der stehen geblieben war. Am Morgen darauf unterschrieb Manfred, mit Hippolitens Zustimmung, seine Entsagung des Fürstenthums, und jedes von ihnen erwählte eine Ordenskleidung der nahgelegenen Klöster. Friedrich bot seine Tochter dem neuen Fürsten an; Hippolitens Zärtlichkeit gegen Isabellen beförderte diesen Entschluß. Aber noch war Theodors Gram zu frisch, dem Gedanken an eine andre Liebe Raum zu geben: und erst nachdem er oft mit Isabellen über seine unvergeßliche Matilde gesprochen, überredete er sich, es gebe kein ander Gluck für ihn, als die Gesellschaft, worin er einer Schwermuth nachhängen dürfe, die sich seiner Seele auf immer bemeistert hatte.