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Welch ein unvermutheter Zufall! Was habe ich erblickt! Meine Anschläge, meine Rache, – alles ist hin! ich Unglücklicher! – Indem er sich umsieht. du folgst mir?
Ja, mein Herr, Ihre heftige Bestürzung beunruhiget mich. Werden Sie mir
Du betrogst dich nicht, es war Granville, mit dem ich in London durch den Klerdon in eine kurze Bekanntschaft gerieth.
Sie ist für mich der widrigste Zufall, mit dem ein feindselig Geschick mich nur straffen konnte. Meine Rache, eine Rache, nach der meine Seele lechzet, steht in Gefahr hintergangen zu wer den. Du kennst mich, Widston, du mußt also die Qual kennen, die jetzt mein Herz zerfoltert – Jedoch alle meine Worte werden dir unauflösliche Räthsel
Du erstaunst? Kenne meinen ganzen Charakter. So eine gemeine und geringe Rache, als der Tod, war meiner unwürdig. Ich hätte den Klerdon durchbohrt: ein Augenblick wäre seine Strafe gewesen. Nein, eine empfindlichere, eine langwierige Strafe, eine Strafe, die mir selbst, da ich sie ausdachte, einen Schauer einjagte, soll meine Schmach ahnden. Eben diese glänzenden Vorzüge, diese so gerühmten Tugenden, durch die er mir überlegen ward, beschloß ich ihm zu rauben: aus dieser erhabenen Sphäre ihn herabzustoßen, ihn zum Lasterhaften, zum Frevler, ja, wo möglich, zum Ungeheuer zu erniedrigen, ihn mit eben so viel Schande zu überhäufen, als ihn zuvor Ehre krönte; und endlich, wenn ich ihn zu den schwärzesten Verbrechen hingerissen, ihn noch vielleicht jenseit des Grabes – o! wie schwellt mein Herz der stolze Gedanke auf! – beseufzen zu lassen, daß er mich jemals beleidigte: dieß war mein großer Entwurf.
Ich rief die Verstellung zu Hülfe; ich überkleidete den Todfeind mit dem einnehmenden Schein eines Bewunderers und Freundes. Ich stellte mich, als hätte ich die vorige Leidenschaft der Freundschaft aufgeopfert: und es gelang mir. Mein erster Versuch war, seine Liebe zur Religion zu bekämpfen, eher durfte ichs nicht wagen, ihn mit dem Laster bekannt zu machen. Ich verstrickte ihn in unendliche Zerstreuungen. Ich verführte ihn zu kleinen Vergehungen, die ihn beunruhigten, und bald in ihm einen heimlichen Widerwillen gegen die Religion, die ihn deswegen bestrafete. Ich hatte gewonnen, ich bestritt ihn mit einem Heere von Zweifeln; ich empörte seinen Ehrgeiz; mit dem Pöbel einerley zu denken, stellte ich ihm als schimpflich vor: er ward ein Freygeist. In diesem Augenblicke war meine Rache gesichert. Umsonst führte er in seinen Gedanken das hinfällige Gebäude der Religion eines rechtschaffenen Mannes auf. Ich lobte diesen Vorsatz. Doch bald riß ich ihn von Verbrechen zu Verbrechen hin. Seine stärkste Rüstung schützte ihn nicht mehr. Er ergab
Ich muß zu Ihnen, liebster Freund, meine Zuflucht nehmen. – Eine tödtende Unruhe jagt mich überall herum; – meine ganze Seele ist Aufruhr.
Nicht plötzliche, Henley! Schon seit einiger Zeit haben die oft erwachenden – – – wie soll ich sie nennen? – – Vorurtheile der Kindheit – – ja, diese mögen es zu meiner Beruhigung seyn! – – – mein Innres in eine qualvolle
Ich weiß es, ich kenne die unmännliche Schwermuth, die Sie manchmal befällt, und ich erröthe Ihrentwegen darüber. Aber ein so wildes Entsetzen, eine so außerordentliche Bangigkeit nahm ich nie an Ihnen wahr.
Ich Ihrer spotten! Beleidigende Vermuthung! Nein, Klerdon, ich bin weder ein Unmensch, noch ein verächtlicher Leichtsinniger. Eins von bei den muß der seyn, der über einen Freund in der Betrübniß spotten kann. Ich würde fürchten müssen, daß Ihre Freundschaft gegen mich zu ermatten anfienge, wenn Sie länger anstünden, mir Ihre Bekümmernisse mitzutheilen.
Was werden Sie sagen, wenn ich Ihnen gestehe, daß ich unmännlich, daß ich klein genug bin, mich durch die nächtliche Geburt einer beunruhigten Einbildung so aufbringen zu lassen?
Ja, meine Schande ist Ihnen nunmehr bekannt; o! könnte ich sie vor mir selbst verbergen! Haben Sie Mitleiden mit meiner Schwachheit – Doch lassen Sie mir Gerechtigkeit wiederfahren; nicht das fürchterliche Schicksal, das mir verkündigt zu werden scheint, schrecket mich: Diese Drohungen, die eiteln Geschöpfe eines aufgebrachten Blutes, war ich nie zu achten gewohnt; nur das Andenken meines Vaters, das so stark in mir rege gemacht worden, quälet mich. Mir kam es vor, als sähe ich ihn diese Nacht, und wie? – peinigende Vorstellung! – sterbend zu meinen Füßen liegen. Schon hatte eine tödtliche Blässe sich über sein ehrwürdiges Gesicht gezogen. Seine Augen, die in Thränen schwammen, richteten sich flehend nach mir empor. Kein Unwille flammte in ihnen; sie kündigten nur den gütigen, den versöhnten Vater an. Er breitete seine zitternden Hände gegen mich aus, und bat mich mit gebrochner und sterbender, doch, Henley, mit so rührender Stimme, daß mein Innerstes sie hörte: – mich einem fürchterlichen Abgrunde nicht zu nähern, zu
Hören Sie den Erfolg. Mich dünkte, die schmeichelnde Stimme des Ungeheuers besänftigte nach und nach diese brau'enden Bewegungen. Ja, bewundern Sie, Freund, die Gewalt derselben; sie zwang mich die Ermahnungen meines Vaters zu vergessen, und mich dem Abgrunde zu nähern. Doch in dem Augenblicke schien eine glänzende Wolke eine prächtige Gestalt aus ihrem Schooße herabzulassen, in der ich die Züge des Granville, der sonst mein Freund war, zu erkennen glaubte, nur daß sie mit etwas Feyerlichem und Erhabnem vermischt waren, das über die Menschheit, selbst in ihrer größten Würde, ist. Ein majestätischer Schimmer durchfloß den ganzen Raum um ihn her. Mit freundlicher Hand wollte
Ich gestehe es, ich schäme mich vor mir selbst; und was mir Erstaunen erweckt, so scheint seit einiger Zeit meine ganze Natur ausgeartet zu seyn, und eine gewisse, unwiderstehbare Schwermuth ihr Gift durch meine Seele ergossen zu haben. Ueberall öffnen sich mir dunkle melancholische Aussichten; überall bin ich, wie mich dünkt, von Gefahren belagert.
Dieß macht, weil Sie Sich noch nicht ganz von dem Joche der alten Vorurtheile entfesselt,
Sollte denn aber dieser innre Zwang, dieses unüberwindliche Gefühl, dieses Schwerdt, das – – ich will aufrichtig reden! – – – meine Brust oft mitten unter den Spöttereyen durchbohrte, mit denen ich die Religion angriff, sollte dieß alles nur Gewohnheit, nur Vorurtheil seyn?
Nicht anders! Gewohnheit, Vorurtheil, Milzbeschwerung, wie Sie es nennen wollen. Wie sind Sie doch heute so überaus kleinmüthig! Ein Traum – – – denken Sie mir nicht mehr daran! es schmerzt mich zu sehr, Sie so erniedrigt zu sehn.
Hören Sie auf! Sie werden immer schwermüthiger. – Doch eben itzt finde ich ein bequemes Mittel darwider. Die blühenden Gänge des Gartens dieses Hauses scheinen Sie zu rufen.
Wie kleinmüthig wird er! Ich muß meine Vorsicht verdoppeln, daß mein Sieg mir nicht aus den Händen schlüpft. Widston tritt auf. Danke es deinen mir geleisteten Diensten, daß ich deine vorige Weichherzigkeit vergessen kann; allein mache dich meines Vertrauens nicht unwürdig.
Vernimm nunmehr, was mich vorhin so bestürzt gemacht hat. – So bald Klerdon hier angelangt war, bewog ich ihn, sich allen möglichen Lustbarkeiten zu überlassen. Doch alle diese
Er weiß noch nichts. Indessen muß er es bald erfahren. Und meine Rache – – doch was fürchte ich? diese soll mir dennoch nicht fehlschlagen. Klerdon triumphire noch nicht! Himmel und Erden sollen ihn dafür nicht schützen können. Eher will ich seinen Freund, seine Geliebte – – Umsonst sind sie zu seiner Rettung gekommen; – – sie mögen für sich selbst zittern! meine Rache soll sie gemeinschaftlich ergreifen! ihr gemeinschaftliches Verderben soll meinen Triumph erhöhen! – Ja, Widston, ich werde ein Mittel finden, sie alle dreye, einen durch den andern aufzuopfern.
Was? Liebe? Wer mich beleidigt, und wäre er die Vollkommenheit selbst, und hätte ich ihm mein Leben zu danken, ich könnte ihn nicht lieben. Wünschte ich ja noch, sie zu besitzen, so wäre es, um ihr Henker zu seyn und sie unaussprechlich elend zu machen. Doch dazu bietet sich mir ein
Sie setzen mich in Verwunderung. Wie? Gedanken von jener Zukunft können Sie beschäfftigen, ohne diesen Anschlag in Ihnen zu ersticken?
Wundre dich darüber nicht; rede ich gleich die Sprache des Freygeists, so fällt es mir doch schwer, so zu denken. – Wie sehr wünschte ich das Gegentheil! – Vielleicht würde ich selbst ein eifriger Verehrer der Religion seyn, besäße ich nichtGeht ab.
Welch entsetzliches Vorhaben! – welch ein Gemisch von Frevel, von Unmenschlichkeit, von widernatürlichen
Umsonst, Truworth, nichts kann meine Unruhe verdrängen – Da er den Widston erblickt, der sich entfernt. War das nicht Widston, der itzt so eilig hinweg gieng? Wo muß sein Herr seyn? Ich glaubte ihn hier zu finden. Sein Umgang ist vielleicht das einzige, was meine Schwermuth aufheitern kann. Vergebens sind alle Versuche mich zu zerstreuen; gleich unversöhnlicken Feinden, dringen mir quälende Vorstellungen überall nach, und verkleiden auch die freudigsten Aussichten um mich her in eine finstre Gestalt.
Du weißt, daß ich einen Vater, eine Geliebte, einen Freund hatte, daß ich sie unverzeihlich beleidigt, und meine Betrübniß befremdet dich? – Ach! mein Vater wie schrecklich wirst du an dem Unmenschen gerächt, der dich betrüben konnte! Ja, Truworth! dieser ehrwürdige Greis schwebt zu meiner Verzweiflung mir stets vor Augen.
Wie ergötzend ist es für mich, diese Empfindungen bey Ihnen zu bemerken! Verzeihen Sie einem alten Diener, der schon lange Jahre gewohnt war, Sie zu lieben, und – ja, ich darf es kühnlich sagen, – Sie als ein Vater zu lieben: – Ich sehe die Tugend wieder in Ihnen aufleben: und ich wünsche Ihnen Glück dazu. – Wie lange beweinte ich die unselige Verblendung, die Sie gefesselt hielt! itzt ist sie zertheilt: kommen Sie, mein Herr, kehren Sie nach London zurück; Tugend und Religion – – –
Wie? mein Herr, Sie verachten etwas, das Sie sonst so liebenswürdig, so geehrt und, darf ichs sagen? ruhiger machte, als Sie ietzt sind? Mein Verstand ist zwar viel zu geringe, als daß ich über so wichtige Sachen mit Ihnen zu streiten, mich erkühnen sollte: allein es ist ja nur kurze Zeit, daß Sie das, was Sie ietzt Aberglauben nennen, noch eifrigst verehrten. Haben Ihre Einsichten in so weniger Zeit einen so außerordentlichen Zuwachs bekommen?
Eins erlauben Sie mir hinzu zu setzen. Warum sind Ihnen nach Ihrer Veränderung so viele Widerwärtigkeiten zugestoßen? Ihr vorher so stolz erhabenes Glück liegt zerstört, nichts als Mangel und Elend drohn Ihnen; wie traurig und schwermüthig erblicke ich Sie ietzt! Sollte sich der Himmel vielleicht – ich zittere es auszusprechen – sollte er sich rächen! Er wirft sich ihm zu Füßen. Ach, mein Herr! mit Thränen muß ich Ihre Knie umfassen – entschuldigen Sie meinen Eifer – lassen Sie die letzten Tage Ihres Vaters heiter seyn; lassen Sie ihn nicht mit Angst über Ihr künftiges Schicksal ins Grab sinken. Beschleunigen Sie nicht die Strafe des Himmels, die zu zögern scheint. – Sollte es geschehen, was ich befürchte: – Ihr Unglück würde mein Tod seyn.
Stehe auf! Deine Treue zu belohnen, will ich deine Unbescheidenheit vergessen. Allein ich gebiete es dir, rede mir niemals mehr davon. – Was meinen Vater betrifft, so habe ich bereits darauf gedacht, ob ich nicht wieder zu ihm
Er Ihr Freund? Vertrauen Sie Sich ihm nicht; seit seiner unglücklichen Bekanntschaft – – – ja, ich will reden, ich will mein Herz entledigen; länger zu schweigen, wäre ein Verbrechen: – er ist Ihr Verführer, Ihr Feind, Ihr Verderber.
Schweig, Unverschämter! – Und du wagst es den Namen meines Freundes, den mir so heiligen Namen, mit Unehrerbietung zu nennen? Und du wagst es – – – Fliehe meinen Zorn, Elender! sonst dürfte ich vielleicht vergessen, daß du meiner Rache unwürdig bist.
Ende des ersten Aufzugs.
Wie glücklich sind wir, meine Schwester! Nach einer so langen Entfernung, befinden wir uns wieder so nahe bey unserm bedrängten Freunde.
Ich sahe ihn vorhin, ohne von ihm bemerkt zu werden. Er eilte in den Garten an diesem Hause. Doch wie sehr – –
Sage mir vorher, ob wir fürchten müssen, daß ihm unsre Ankunft, bevor es zu unserm Vorhaben bequem ist, bekannt werden wird?
So hast du den unglücklichen Klerdon gesehen? Er beleidigte mich, – dennoch kann ich für sein Schicksal nicht unempfindlich seyn.
Deine Empfindungen sind gerecht, er war für dich bestimmt. Ein gleiches heiliges
Du kennst mich, und es befremdet dich, mich bey seinen Leiden gerührt zu sehn? Unglücklicher Jüngling! vielleicht sind dieß die Boten deines nahen Verderbens.
Laß uns beßre Hoffnung fassen. Vielleicht wird diese Schwermuth zur Quelle seines Glücks. Was ist der Zweck unsrer Reise? Ist es nicht einen liebenswürdigen jungen Menschen der Tugend und Religion wieder zuzuführen, dessen Herz dieser Bemühung nicht unwürdig ist? Und könnte wohl etwas unserm Vorhaben günstiger seyn,
Du entzückst mich, Bruder; ja, mein Herz überläßt sich dieser liebkosenden Hoffnung. Ich werde den Klerdon wieder tugendhaft, wieder getreu sehn; ich werde ihn ohne Tadel wieder lieben können: Mit welcher Freude werde ich mein Vermögen mit ihm theilen! Sein Unglück, das ihm alles, nur mein Herz nicht geraubt hat, macht ihn mir werther. Ich werde ihm also seine Ruhe, seinen Wohlstand, seine Freude wiedergeben können. Entzückender Gedanke! – Aber vielleicht liebt er mich nicht mehr; – sollte dieses seyn – – – und warum zweifle ich? –
Fürchte nichts! Er wäre deiner unwürdig, – ein Ungeheuer, könnte er dich vergessen. Eine Liebe, wie die seinige, kann durch lärmende Ausschweifungen übertäubt, niemals ganz unterdrückt werden. Du selbst hast vor deiner Flucht aus London häufige Merkmale davon gehabt; – doch itzt entferne dich. Ich habe den
Sollte ihn auch diese Nachricht zu sehr niederschlagen? Sie ist schrecklich; ich kenne sein zärtlich Gefühl, und überdieß, seine Schwermuth – – – ach! sein Herz braucht keine neue Wunden! Schone ihn, setze ihn nicht in Verzweiflung.
Deine Neigung verführt dich. Einen Freygeist zu rühren, – Thränen entfallen mir, da ich dieß von meinem besten Freunde sagen muß, – kann nichts schrecklich genug seyn. – Entferne dich nur, und überlaß meiner Freundschaft diese Sorge. Du weißt, ich bin nicht gemacht, jemand grausam zu begegnen.
Ich werde ihn sprechen; – wie schauert mir vor dieser ersten Zusammenkunft! – und dennoch liebe ich ihn unaussprechlich. Wie wird er mich empfangen? vielleicht kaltsinnig. Doch selbst gegen seine Härte, soll meine Freundschaft gegen ihn unüberwindlich
Dies ist also das Zimmer des Fremden, der mich zu sprechen verlangt? Indem er sich umsieht. Wen seh ich? ich erstaune! – Granville? –
Sie nennen mich Ihren Freund! Sie wollen mich umarmen? Entweihen Sie diese Liebkosungen nicht, die Sie an einem Elenden verschwenden, der nichts als Unwillen verdient. Lassen Sie mich Sie fliehen. Ihre Gegenwart ist mir ein zu marternder Vorwurf.
Halten Sie ein mit diesen Reden, liebster Klerdon. Wäre ich nicht unwerth jemals ihr Freund gewesen zu seyn, wenn die geringen Nebel, die
Zu großmüthiger Freund! mit Zittern nenne ich dieses Wort, dessen ich unwürdig bin – wie durchbohren Sie mein Herz! Ich, nur ich, hatte Sie beleidigt, und warum? weil Sie mich liebten, weil Sie mir die Hand reichten, mich von einem Abgrunde zu retten, an dem ich sorglos herumirrte. Ich Elender! wütend stieß ich diese mitleidige Hand zurück –
Noch einmal, Klerdon! hören Sie auf davon zu reden. Lassen Sie das das Zeichen seyn, daß Sie mir Ihr Herz wieder schenken, daß Sie von den traurigen Zufällen schweigen, die
Sie stocken – genug, Freund! mein Unglück, mein Verderben ist auf seinem Gipffel: – meine Verzweiflung muß es auch seyn –
Wohin, Klerdon? Unmännliche Verzweiflung: Rufen Sie jenen Muth zurück, der Sie sonst über andre erhob. Ihr Vater, es ist andem, ist dahin; doch, so tief ihn auch sein Unglück erniedrigte, so starb er dennoch nicht in Verzweiflung. Welch ein Heldenmuth in seinen letzten Stunden! – Jetzt zürnt er vielleicht, daß ihm sein Sohn so unähnlich ist.
Nein, er wird diesen Elenden seines Andenkens unwürdig halten, und denkt er an ihn, so wird er ihn verabscheuen. Schonen Sie meiner nicht, sagen Sie mir das Schrecklichste, das mir
Nein, ihn aufs neue zu beleidigen. – Sein Gebot, das Gebot Ihres sterbenden Vaters, befiehlt Ihnen etwas anderes. Bezähmen Sie diese stürmende Betrübniß, und hören Sie von mir die Empfindungen seiner letzten Stunden. Wie unähnlich sind sie Ihren Besorgnissen, die einen so zärtlichen Vater beleidigen! – Ich übergehe die genauern Umstände seines Todes, Ihre zu sehr aufgebrachten Leidenschaften verstatten diese Erzählung nicht. – Meine Thränen verrathen mich: – sie waren traurig –
Ich war damals entfernt. So bald ich seinen gefährlichen Zustand vernommen, kehrte
Zu zärtlicher Freund eines Unwürdigen, überlassen Sie mich einige Augenblicke mir
Welche unbekannte Regungen bemeistern sich meiner? Sind sie die Folgen jener schrecklichen Nachricht, die alles um mich her in melancholische Schatten verhüllt? Lagen sie vielleicht schon unter der nagenden Traurigkeit verdeckt, die mich seit einiger Zeit verzehrte? Es ist mir, als rufte eine geheime Stimme mir zu, ich sey strafbar – Strafbar? – ja ich bin es, ich fühle es, meine Ausschweifungen, die den besten der Väter in Dürftigkeit, Gram, und endlich – denn was verhehle ich es vor mir selbst? – ins Grab gestürzt, kann ich diese entschuldigen? – Doch fühle ich nicht noch etwas, noch einen geheimen Vorwurf? Sollte auch wohl die Verlassung eines Aberglaubens ein Verbrechen seyn? – Ja, es war Aberglaube! – wie martert es mich, daß ich dir, beruhigender Gedanke,
Ich muß diese glücklichen Augenblicke nutzen, da er allein ist; wie bald kann Granville wieder kommen. Zum Klerdon. Sie sind tiefsinnig, Klerdon? ich hatte mich dessen nicht versehn! Ich kam her, ein Zeuge Ihrer Freude über den Besuch Ihres Freundes, des Granville, zu seyn.
Seyn Sie ein Zeuge meiner Verzweiflung. Ich bin verloren, Freund. Mein Vater ist dahin. Sein Tod ist von den schrecklichsten Umständen begleitet worden. Granville, dessen zu sorgsame Freundschaft ihre Erzählung meinen Schmerzen ersparen wollte, ließ wider Willen Thränen fallen, da er ihrer erwähnte.
Und diese Nachricht schlägt meinen Freund, den muthigen Klerdon, so nieder? die Weichlichkeit eines schwachen Granville theilt sich
Wie können Sie meines Schmerzens so spotten! War dieser ehrwürdige Greis nicht mein Vater? War er nicht so unerschöpflich gegen mich an Wohlthaten, als ich in dem letzten Zeitpunkte seines Lebens unerschöpflich gegen ihn an Beleidigungen war? Sie wissen es selbst, mit welcher Bereitwilligkeit er sein ganzes Vermögen mir zu Liebe aufopferte. Haben nicht meine Ausschweifungen seine Tage verkürzt? Bin ich nicht sein Mörder, der Mörder meines Vaters, meines Wohlthäters! O Gedanke, der mein Innerstes gleich dem Donner zermalmt! Welch eine Verantwortung, welch eine Rache muß meiner erwarten!
Was reden Sie von Rache und Verantwortung? Daß doch die Vorurtheile unsrer thierischen Jahre, auch wenn wir sie ganz erstickt zu haben glauben, uns so oft überraschen! Fassen Sie Sich, Klerdon, zeigen Sie den Mann, der, wie in Nach einigem Innehalten. Ich errathe die Quelle Ihrer schwermüthigen Besorgnisse. Sie wissen, daß kein Mensch an mehrern Vorurtheilen und unüberwindlichem Aberglauben krank liegt, als Granville. Sie kennen seinen Stolz, seine Lüsternheit ein Muster zu seyn, und die ganze Welt, wäre es möglich, so schwach, als er selbst ist, zu machen; Sie kennen seine Begierde, über die Gemüther zu herrschen –
Ich begehre dieß nicht zu leugnen. Indessen wissen Sie selbst, daß die stolze Art, mit welcher er über Sie eine Herrschaft behaupten wollte, Sie damals in London nöthigte, seinen Umgang zu
Sie irren Sich; nicht er, sondern mein sterbender Vater selbst, gebeut mir meine vorigen Grundsätze wieder anzunehmen.
Und Sie wollen gehorchen, Klerdon? Sie wollen gehorchen? Granville nennt sich Ihren Freund, und dennoch – ja, ich muß es sagen, mein Eifer, meine Zärtlichkeit für Sie übermannt mich – ist er Ihr schädlichster Feind. – Schon sehe ich Sie, von Verachtung niedergebeugt, herum schleichen, Ihre schüchterne Augen wagen es nicht sich von der Erde zu erheben, die Scham glüht auf Ihrer Wange, und überall verfolgt Sie das Gelächter des Spottes. »Klerdon,« wird die Welt sprechen, »empfieng von der Natur mit dem edelmüthigsten Herzen den durchdringendsten Geist. Seine herrlichen
Halten Sie ein mit diesem grausamen Spotte; es ist mir unerträglich, verachtet zu werden. – Ja Sie haben mich von diesem schimpflichen Schlummer, der meinen Geist bald gänzlich
Ich höre jemand kommen, vermuthlich ist es Granville. Ich verlasse Sie; erinnern Sie Sich Ihrer Entschlüsse. Rüsten Sie Sich mit unbezwinglicher Stärke gegen seine überredenden Lockungen. Entweder Sie zerstören itzt auf einmal seine thörichten Hoffnungen, oder Sie sind auf ewig sein Sklave. Geht ab.
Ihre edle Gesinnung, und der vielleicht nicht ganz unnütze Eifer meiner Freundschaft werden, wie ich mir schmeichle, über Ihren Schmerz endlich die Oberhand gewinnen. Nicht als wünschte ich in Ihnen ganz das Andenken Ihres Vaters zu ersticken; nein, beweinen Sie seinen Tod. Die Tugend liebt diese Thränen. Den Rechtschaffnen bedauern, verräth das Bestreben ihm gleich zu seyn. Nur beweinen Sie ihn, als ein Weiser, der weitere, erhabnere Aussichten vor sich hat. Doch es ist unnöthig, Ihnen das zu wiederholen, was Ihnen Ihre eigne Ueberlegung bereits sagt. – Entdecken Sie mir nunmehr Ihre Absichten; sind Sie gesonnen, nach London zurück zu kehren?
Ich hatte mich dazu entschlossen, ehe ich den Tod meines Vaters erfuhr. Aber itzt werde ich London nie wieder sehn. Glauben Sie, mein Schmerz könne einen solchen Anblick ertragen? Würden nicht selbst diese Gegenden mit stummen Vorwürfen mich ängstigen? Würde nicht jenes Haus, das meinen Vater einst in solchem Glanze, und dann durch mich in solcher Dürftigkeit erblickt hat, das vielleicht von dem frohlockenden Jauchzen
Umarmen Sie mich, Klerdon! welch Entzücken überströmet mich! Ja ich finde den Freund, den edeln Klerdon wieder, den ich sonst in Ihnen fand. Nun sind meine Wünsche befriedigt. Sie werden glücklich sein, und wie glücklich bin ich, daß ich etwas dazu beitragen kann! Wenn der Anblick von London Ihrem annoch unbeugsamen Schmerz unerträglich ist, so begleiten Sie mich auf mein Landgut; meine Schwester – – doch, Klerdon, noch ein schrecklicher Zweifel widersteht dem vollen Ausbruche meiner Freude. Entlästigen Sie
Entschuldigen Sie mich, wenn ich offenherzig rede. Ich halte es für sehr unrühmlich, Vorurtheilen, die man einmal besiegt hat, sich gütwillig wieder zu unterwerfen.
Was höre ich? – Klerdon, mein Freund! ach wüßten Sie, wie empfindlich Sie jetzt mein Herz durchbohrten! Meine schönsten Hoffnungen haben Sie in ihrer Blüte verheert. So halten Sie es denn für rühmlicher, von dem größten, dem edelsten, und dem vernünftigsten Theile abzuweichen, und sich zu einer Rotte verwegner Bösewichter zu gesellen, die in Ansehung Ihres Verstandes des Tollhauses, und in Ansehung Ihres Herzens der schimpflichsten Todesstrafe würdig wären? – Verzeihen sie mir, wenn ich mich zu heftig ausdrücke; wie schwer wird es, gelaßner hiervon zu reden!
Sind hier Beweise nöthig? Würde ich nicht diesen so oft beschämten, so oft wiederholten Zweifeln zu viel Ehre erzeigen, wenn ich sie einer neuen Beantwortung würdigen wollte? Würde ich nicht zugleich Ihrem Verstande einen gewiß ungerechten Vorwurf machen, gleich als wüßten Sie nicht bereits, wie man diese ohnmächtigen Phantomen, die Bosheit und Unverstand erschaffen, niederkämpfen kann? Sie kennen Ihre Religion. Es war eine Zeit, da Sie es würden für eine Beleidigung angesehen haben, wenn man an Ihrer Verehrung gegen dieselbe gezweifelt hätte. Durchforschen Sie Sich unparteyisch. Wenn wurden Sie ein Freygeist? War es nicht der unglückliche Zeitpunkt, mit dem sich zugleich Ihre Ausschweifungen anfingen? War es nicht der Haß gegen eine verdrüßliche Lehrerin, die Ihnen Ihre Fehler verwies? War es nicht Stolz, Eitelkeit, Zerstreuung, die Sie wider Ihren Schöpfer – – –
Nein, Klerdon! eines solchen Grades der Raserey sind nur die Verworfensten des
Können Sie in diesem einzigen Punkte so unbeweglich seyn? So durchdrungen von dem Tode eines beleidigten Vaters, so beugsam gegen das Andenken Ihrer vorigen Vergehungen, und
Die Armseligkeit der Nahrungsmittel, nebst dem Mangel der Wartung, entschieden hier bald sein Schicksal. Könnte ich Ihnen alle Gegenstände des Jammers, die ihn umringten, schildern,
Und Sie wollen die Bitte eines Vaters, der durch Sie so viel erlitten, und Sie doch so unaussprechlich, selbst da er es litte, geliebt hat, fruchtlos seyn lassen? Sie wollen in dem zerstörenden Ungewitter, das Ihr Haus überfallen, nicht die Winke Ihres beleidigten Schöpfers erkennen? Alles warnt sie vor Ihrem Verderben, und Sie sind gegen alles taub? Geben Sie der vereinigten Stimme der Pflicht und Freundschaft Gehör. Ihr Vater ruft Ihnen aus jenen glänzenden Gegenden zu: folgen Sie ihm. Lassen Sie nicht das Gebet, das er sterbend für Sie that, umsonst gethan, die Thränen, die er für Sie vergossen, umsonst vergossen seyn! Hören Sie die Bitten Ihres Granville. Nur Ihr Wohl ist meine, Absicht, Sie werden es dereinst erfahren. Sie sollen in mir einen Freund, und den, den Sie jetzt beweinen,
Sie sind unwiderstehlich, Granville. Wenn es denn – ich weiß nicht, was ich sagen soll – Sie wollen es, und ich muß –
Ha! mein Opfer entgeht mir Zum Granville. Schreiben Sie es meiner Ungeduld Sie zu sehen zu, daß ich Sie in einem vielleicht wichtigen Gespräche überfalle. Ich vernahm eben itzt Ihre Ankunft.
Ich kann es nicht leugnen, mein Herr, unser Gespräch war sehr ernsthaft. Für sich. Das ist sein Verderber; kann ich seinen Anblick ertragen?
So bitte ich Sie denn, mich zu entschuldigen. Erlauben Sie mir indessen, daß ich Ihnen in dieser Umarmung –
Verzeihen Sie mir, daß ich mich itzt entferne, ohne Ihnen alles entdecken zu konnen, was mein Herz für diesen Ihren freundschaftlichen Eifer empfindet. Ich nehme ihn so an, wie ich soll! Aber ein wichtig Geschäffte ruft mich von hier. Zum Klerdon. Ich verlasse Sie Klerdon, denken Sie unserm Gespräche ernsthaft nach. Erinnern Sie Sich, daß die Geht ab.
Wäre dieser Gang doch sein letzter! dürfte ich ihm doch nacheilen und den tötenden Dolch rauchend aus seiner durchbohrten Brust ziehn!
Der Abschied war sehr feyerlich; die Unterredung wird, glaube ich, noch erbaulicher gewesen seyn! – So sprachlos, so bestürzt, Klerdon? Schon wieder angesteckt?
Vielleicht, Henley, – wie furchtbar ist dieser Gedanke – irren wir. Wir denken Weisen zu seyn, – vielleicht sind wir thörichte Bösewichter.
Ich erschrecke, Klerdon. So abergläubisch hörte ich Sie noch nie reden. Und Sie thun es, ohne zu erröthen? Möchte doch Granville – doch er spricht, er sey Ihr Freund. – Auf! kommen Sie mit mir; eine kurze Zerstreuung
Ich gehe, es zu versuchen. – Eine traurige Ahndung bemächtigt sich meiner: vielleicht gehe ich, mich tiefer in mein Verderben zu verstricken.
Ende des zweiten Aufzugs.
Endlich habe ich ihn beruhigt – zum zweytenmale habe ich über den Granville triumphiert; doch ein schwer erstrittner Triumph! Ich sehe es, dieser geschäftige Freund wird mir noch das Opfer meiner Rache entführen. Klerdon wankt. Stolz und Gewissen kämpfen in ihm. Der Feige! er hat nicht das Herz ganz ein Bösewicht zu seyn. Doch, er soll es werden – und der gestrafteste dazu. Dieser Brief Er zieht einen Brief hervor. soll sein Verderben vollenden. – Aber wird er ihm auch glauben?
Retten Sie mich, Henley! retten Sie Ihren Freund! Man sinnt auf meinen Untergang; man ist noch nicht mit den Bedrängnissen vergnügt, die mich bereits niederbeugen. Ich habe Feinde, ich kenne sie nicht, – vielleicht habe ich sie nie beleidigt. – Eine dunkle und unterbrochene
Meine Bestürzung gleicht der Ihrigen. Befriedigen Sie meine Ungeduld. Entwickeln Sie diese fürchterlichen Geheimnisse.
Ihr Diener begegnete mir heute. Sein bleiches und verändertes Gesicht verrieth die aufgebrachten Bewegungen seiner Seele. Schrecken und Abscheu schienen ihn ganz überwältigt zu haben. Er verlangte von mir ein vertrautes Gehör. Seine dunkeln, abgebrochnen, schüchternen Reden, ließen mich so viel errathen, daß man mich unter der Decke der Freundschaft hintergehen und unglücklich machen will. Er entfernte sich, ohne sich deutlicher auszudrücken. Die Furcht schien ihn mit Gewalt zurück zu halten.
Dieses würde mich noch wenig beunruhigen. Doch itzt erhalte ich einen Brief von einem Unbekannten, der meine Besorgnis nur zu gegründet macht. Hören Sie ihn selbst; Sie werden mir beyfallen. Er liest. »Man glaubt sich um
Itzt komme ich auf die glücklichste List, selbst dieser Brief soll mir behülflich seyn, ihn wider Granvillen aufzubringen. Zum Klerdon.
Er setzte hinzu, er wüßte, Sie beteten seine Schwester an, und eben darum wollte er Sie auf der empfindlichsten Seite angreifen; dieß würde der geschickteste Weg seyn, seine verletzte Ehre zu rächen, Sie gänzlich niederzuschlagen, und öffentlich über Sie zu triumphiren, wenn er Ihnen Ihre Verlobte und mit ihr alle Mittel raubte, Ihren bedrängten Umständen jemals wieder aufzuhelfen.
Nein, ehe soll er sterben, der Unmensch! – Was hält meine Wuth noch zurück? – ich eile zu ihm – von meiner Hand soll er sterben, der Treulose! – Doch Sie, Henley, befreyen Sie mich von diesem quälenden Zweifel: haben auch Sie Sich wider mich verschworen?
Wie können Sie einen solchen Argwohn bey sich aufsteigen lassen? Widerspricht ihm nicht mein ganzes Verfahren? Würde ich nicht geschwiegen
Sie sind die Großmuth selbst. Mein Leben ist eine zu geringe Belohnung für diese edle Gesinnung. So viel Zärtlichkeit, Uneigennützigkeit, Hoheit der Seele – ach! verzeihen Sie, daß ich zwischen Ihnen und Granvillen jemals zweifelhaft gewesen bin. – Doch ists möglich? kann ich diese abscheuliche Niederträchtigkeit glauben? So ein schwarzes Verbrechen von Granvillen?
Mir selbst war es anfangs unbegreiflich. Ich wagte es nicht, meinen Augen zu trauen. Doch alles bekräftigt es unwidersprechlich. Selbst der Brief, den Sie empfangen haben, erklärt ihn für schuldig. Denn, wen könnte er sonst anklagen? Vermuthlich hat Granville einem gemeinschaftlichen Freunde von ihnen beiden seine rachgierigen Absichten anvertraut, dem haben Sie diese Warnung zu danken.
Hätte Ihnen doch Ihr edelmüthiges und über alles Mißtrauen erhabnes Herz eher erlaubt, die Falten des seinigen zu durchschauen. Ich bekenne es, schon lange haben nur zu gewisse Nachrichten einen geheimen Argwohn gegen ihn bey mir unterhalten: – vielleicht wäre es meine Schuldigkeit gewesen, es Ihnen eher zu melden: – ich fürchte, seine verborgene Feindschaft hat nicht wenig beygetragen, Ihre Gläubiger mit unerbittlicher Strenge zu bewaffnen.
Ich sehe es, Ihr Herz weigert sich, ihn für einen Verräther zu halten. So lesen Sie denn diesen Brief selbst; Sie kennen seine Hand. Dieser muß Sie einem vielleicht schmeichelhaften, aber gefährlichem Irrthume entreißen – – Für sich, indem Klerdon liest. Seine Blicke sind Wut – ich triumphire.
Ich habe ihn durchgelesen, und ich verfluche seinen Urheber. Dieser Augenblick ist der Tod unsrer Freundschaft. Wo Rache, Wut, Verzweiflung – – – Worte mangeln meinen Empfindungen. – Welche abscheuliche Gesinnungen entweihen dieses Blatt! Er beschwört Sie – der Treulose! – er beschwört Sie, mir alles so lange zu verhehlen, bis die Verbindung mit seiner Schwester völlig geschlossen, und Sie dann beide öffentlich über mich triumphiren könnten – triumphiren? Ja, ich will ihm die Freude dieses Triumphs verbittern. Lassen sie mich, ich eile zu ihm, meine Rache –
Wo wollen Sie hin, Klerdon? Ihre Hitze macht Sie unbedachtsam. Granville kann vielleicht den Augenblick zu Ihnen
Ich fürchte, dieser Versuch wird mir Mühe kosten. Ich war stets zu stolz, die Verstellung zu Hülfe zu rufen, und da ich in ihren Künsten
Und dennoch müssen Sie alle Ihre Kräfte aufbieten, in diesem Versuch glücklich zu seyn. Ich wiederhole es, so theuer Ihnen unsere Freundschaft, ja Ihr eigen Wohl ist – – – doch es kommt jemand; vielleicht ists Granville. – Noch einmal, liebster Klerdon, beschwöre ich Sie – – –
Fürchten Sie nichts; Ihren Wunsch zu befriedigen, würde ich auch das schwerste Geschäfte nicht ausschlagen.
Ich suchte Sie, Klerdon. Ich bin voll Ungeduld, unser unterbrochnes Gespräch zu erneuern. Sie schienen überwunden zu seyn; darf ich mir mit diesem glorreichen Triumphe noch schmeicheln.
So bin ich der Glücklichste der Menschen! Ein Ueberfluß unaussprechlicher Freuden drängt sich in mich. Itzt umarme ich in Ihnen den nicht mehr verdunkelten Klerdon, – den Verehrer der Tugend und der Religion. O Klerdon, seyn Sie stolz auf diesen Namen! Wenn einst der Glanz aller übrigen wird dahin seyn, so wird dessen Schimmer noch unsterbliche Stralen von sich werfen. – Was sehe ich; Sie wenden Sich von mir? – Sie scheinen meine Umarmungen zu fliehn? Wider Ihren Willen dringen Seufzer hervor? was verkündigt mir dieses ungewöhnliche Bezeigen?
Umsonst suchen Sie mir auszuweichen. Ihr Gesicht verräth einen geheimen Schmerz, es verräth Abscheu, Mißtrauen; – Ihre Blicke weigern sich, den meinigen zu begegnen. – Klerdon, ists möglich? – war ich fähig, Sie zu beleidigen?
Sie fragen mich das, und eine Thräne zittert in Ihrem Auge, da Sie es thun? Womit
Sie antworten nichts, Klerdon? Ein schrecklicher Argwohn muß sich Ihrer bemächtigt haben. Eröffnen Sie mir ihn; fürchten Sie nicht, mich zu beleidigen; so schimpflich er auch seyn mag, so werde ich nichts thun, als mich vertheidigen, und es denen verzeihen, die ihn vielleicht erweckten. Sie kennen mich: mein Herz erniedrigte sich nie zu dem, was man Rache nennt.
Die Verwirrung Ihrer Blicke und der Kaltsinn Ihrer Versichrungen widerlegen Sie. – Doch vielleicht wollen Sie nicht, daß ich diesem Geheimnisse weiter nachforschen soll; ich gehorche Ihnen, so marternd mir auch diese Ungewißheit ist. – Welcher Qual wollte ich mich nicht unterwerfen, Ihnen gefällig zu seyn! – Nur um dieses einzige beschwöre ich Sie, versichern Sie mich, daß Sie
Ich danke Ihnen unendlich für diese Versichrung, ob gleich eine Zeit war, da Sie vielleicht weniger Kaltsinn würde begleitet haben.
Sie urtheilen stets gerecht, Granville. Was würden Sie wohl von einem Freunde halten, dessen Herz zu der Zeit, da seine Lippen von Zärtlichkeit überflossen, von dem Vorhaben voll wäre, einen bedrängten Freund gänzlich zu verderben, seine Liebe, seine Ehre, alles, was ihm das Kostbarste ist, anzugreifen, und zur Beschönigung –
Halten sie ein mit diesem schrecklichen Abrisse. Ein Ungeheuer wäre er, würdig, zu der niedrigsten Klasse der Bösewichter verstoßen zu werden. – Ich erstaune über diese Frage von Ihnen.
Sie scheinen heute besonders fruchtbar an Erstaunungen zu seyn. – Wir wollen einen angenehmern Stoff zu unsrer Unterredung wählen. – Man hat mir gesagt, Miß Amalia, Ihre Schwester habe Sie hieher begleitet. Ich habe diesem Gerüchte nicht trauen können. Granville sollte mir aus etwas ein Geheimniß gemacht haben von dem er weiß, wie zärtlich es mich angeht? Für sich. Er ist schuldig, seine Verwirrung ist sein Verräther.
Wie? so ist es denn an dem? Ein so feindselig Mißtrauen von dem, der sich meinen Freund nennt! – in einer Sache, die mir die theuerste ist! – ja, mein Argwohn ist gewiß. Umsonst suchen Ihre einnehmenden Liebkosungen ihn einzuschläfern: ich bin hintergangen; Treulosigkeit und Rachsucht – – –
Meine Hitze verräth mich. Zum Granville. Verzeihen Sie diesen jählinchen Aufwallungen
Ein geheimes Gift, das unsrer Freundschaft den Tod droht, muß Ihr Innerstes durchdrungen haben. Ihr ganzes Bezeigen sagt mir etwas, dessen genauere Bestimmung Ihre Lippen mir so unerbittlich verweigern. Ich sehe zum Voraus – – nein, ich kann diese traurige Ahndung nicht aussprechen. Könnte ich doch dieses unglückliche Geheimniß so leicht entwickeln, als es mir leicht seyn wird, mein Verhalten gegen alle Vorwürfe des Mißtrauens zu rechtfertigen. Vergönnen Sie mir, daß ich mich entferne; ich werde bald wieder bey Ihnen seyn, und allen Ihren Argwohn zerstreuen. Geht ab.
Geh nur, Elender! und hoffe es dann, wenn du mich eben so blödsinnig wirst gemacht haben, als du mich unglücklich zu machen gedenkst. Alle
Er ist schuldig, Henley! Mitten unter den erkünstelten Schmeicheleyen, die wider meinen Verdacht kämpften, drang ich bis zu seinen entsetzlichen Absichten hindurch. Ich nannte seine Schwester; er gerieth in Verwirrung, er gestand – – Freund, nehmen Sie Theil an meiner Wut. Granville ist schuldig, er ist der niederträchtigste Treulose.
Noch wollte er sich verteidigen, noch glaubte er sich unter den Hüllen der Verstellung sicher: so gewiß war er seiner Erfahrung in derselben, mit so vieler Kunst suchte er mich ins Verderben zu stürzen; er versicherte mich, da er mich verließ, er wolle bald zurück kehren, und sich vollkommen rechtfertigen.
Wie sehr fürchte ich, er werde sich endlich Ihres Vertrauens wieder bemeistern, und dann sind Sie der ganzen Willkühr seiner geheimen Feindschaft überlassen. Er ist ein zu großer Künstler im Betruge.
Besorgen Sie nichts; ich werde unüberwindlich gegen seine List seyn. Alles redet wider ihn, sein eigner schändlicher Brief, die Warnung des Unbekannten, die für mich geheimgehaltene Gegenwart seiner Schwester. – Ja, Henley, Sie selbst würde ich für meinen Feind achten, wollten Sie ihn noch entschuldigen.
Auch Ihr Haß, so fürchterlich er mir sonst ist, würde mir nicht abschrecken, Freunde wieder zu versöhnen – das freudigste Geschäffte
Der bloße Gedanke einer solchen Niederträchtigkeit beschimpft mich. Sollte ich meine Ehre, meine Liebe – denn ich muß es Ihnen gestehn, noch itzt liebe ich Miß Granville, und ich fühle es, diese Leidenschaft wird nur mit mir selbst sterben. Mitten unter meinen Ausschweifungen, da jedermann sie für erstickt hielt, da ich mich recht ängstlich zu bestreben schien, mich der, die ich so unaussprechlich liebte, zum Abscheu zu machen, selbst da war sie nur betäubt, und oft war es an dem, daß sie mich siegend zu ihren Füßen zurück führen sollte. Bey meiner
Wie freue ich mich, Sie in einer Ihrer so würdigen Verfassung zu erblicken! So lange man es mit einiger Hoffnung versuchen konnte, entschuldigte ich Granvillen. Jetzt würde ich ihm ähnlich und gleich treulos seyn, wenn ich nicht den edelmüthigen Zorn Ihrer beleidigten
Ich soll niedrig genug seyn, mich der Schmach eines Meuchelmordes zu unterwerfen? Ich soll ehrlos werden, die Rechte meiner verletzten Ehre zu ahnden?
Mein Eifer hat verursacht, daß ich zweydeutig redete. Zwingen Sie ihn zum Zweykampf, nur unter solchen Umständen, daß er ihn nicht ausschlagen kann. Geben Sie ihm Raum sich zu entschuldigen, so sind Sie verloren.
Wozu muß mich dieser Unglückselige bringen! Ach Henley, wüßten Sie, welch ein Tumult, welch ein Kampf widerwärtiger Bewegungen diese Brust zerreißt! – Wie sehr
Ich beklage Sie, und verabscheue den Granville immer heftiger. Jede Thräne, die Sie um ihn weinen, erhöht sein Verbrechen. Doch jetzt müssen Sie alle diese erweichenden Vorstellungen entfernen. Sie würden nur Ihren strafenden Arm ohnmächtiger machen. Töten Sie den Verräther, und dann bedauern Sie, daß er Sie dazu zwang.
Werde ich mich aber hierdurch dem Ziel meiner Wünsche nähern? Wird seine Schwester eine Hand annehmen, von der das Blut ihres Bruders herabträufelt? Unsinn wär es, dieß nur zu denken.
Und werden Ihre Wünsche vergnügt werden, wenn Sie es unterlassen? Werden Sie
Ich muß gestehn, es war eine Zeit, da ich nicht vortheilhaft von dem Zweikampfe dachte. Ich hielt ihn für einen nur feyerlichern Frevel, für eine prahlende Niederträchtigkeit.
O! erwähnen Sie niemals, ohne schamroth zu werden, die schimpflichen Zeiten Ihrer Verblendung! Alles nichts als Vorurtheile, die uns zu Verzagten erniedrigen wollen? Danken Sie es Ihrem Geschicke, daß Sie diesen abergläubischen Irrthümern entsagt haben, die jetzt Ihre zur Rache schon aufgehabne Hand fesseln Geht ab.
Entschuldige mich, meine Schwester, bey unserm Freunde, daß ich ihm deine Anwesenheit nicht eher entdeckt habe. Er zürnt mit mir wegen dieser Verbergung; deine Fürsprache wird ihn vielleicht besänftigen. Zum Klerdon. So bestürzt, Klerdon?
Verzeihen Sie mir, Miß, meine Verwirrung – – dieß unvermuthete Glück – – Ihre Gegenwart – – das Andenken meiner Verbrechen – –
Die Bewegung, in der ich Sie erblicke, läßt mich hoffen, daß mein Andenken bey Ihnen noch nicht ganz erloschen ist.
Ich sollte Sie vergessen – Wie? haben Sie jemals einen so grausamen Gedanken von mir fassen können? – Doch worüber beschwere ich mich? Haben Sie nicht meine frevelhaften Ausschweifungen –
Erwähnen Sie ihrer nicht, Klerdon; auf ewig müssen sie künftig aus unsern Unterredungen verbannt seyn. Sie müssen dieses marternde Andenken unterdrücken.
Kann ich es jemals, da ich Sie, Miß, dadurch beleidigte? Doch Sie sind gerächt. Ich seufze unter einer Last von Unglücksfällen: – und ich habe sie alle verdient; – zwar nie dadurch, daß ich aufgehöret hätte, Sie anzubeten; nein, Miß, nicht einen Augenblick ist Ihr Bild aus meinem Herzen verdrängt worden, selbst da nicht, da ich der unempfindlichste Bösewicht zu seyn schien; selbst da ängstete es mich mit rächenden Qualen. Der Gedanke, von Ihnen gehasset zu Er wirft sich zu ihren Füßen. Ach ich bin dessen unwerth!
Himmlische Gütigkeit – theuerste, großmüthigste Miß, können Sie das zu einem so verworfnen Verbrecher sagen? Unaussprechliches Glück! ich kann es nicht fassen. Vergeben Sie diesen überströmenden Freuden, dieser hinreißenden Zärtlichkeit – – hier zu Ihren Füßen lassen Sie mich Er will sich ihr zu Füßen werfen. – doch – was thue ich? Für sich. ich soll sie verlieren? Entsetzlicher Gedanke!
Sie erschrecken mich, Klerdon. Woher diese plötzliche Veränderung? Sie wenden Sich weg, die Verzweiflung ist in Ihren Augen.
Welche entsetzliche Blicke werfen Sie auf mich? Fassen Sie Sich, Klerdon, rufen Sie Ihre verirrten Sinne zurück.
Liebster Klerdon – das Entsetzen widersteht meinen Worten – Liebster Klerdon, erwachen Sie aus dieser schauervollen Betäubung. Kennen Sie mich nicht mehr, kennen Sie nicht mehr Ihren Granville?
Ihr Ton ist wütend? Ihre Blicke stralen nichts als Grimm und Abscheu auf mich? Sie stoßen meine Arme, die Sie zu umfassen begehrten, mit Unwillen zurück? O mein Freund! – –
Und diese Zeit ist vorbey? und das mußte ich jemals von Ihnen hören? Doch Sie bleiben mein Freund. Mit so vieler Grausamkeit Sie mir auch begegnen, so können sich
Warum zerreißen Sie mein Herz, Unglücklicher? Es ist zu schwach, Ihren schmeichelnden Künsten zu widerstehn. Nehmen Sie mein Leben, ich überlasse es Ihnen, suchen Sie nicht durch marternde Umschweife eine Rache zu sättigen –
Ich an Ihnen meine Rache sättigen? ich Ihr Leben rauben? Mit Entzücken würde ich für Sie das meinige aufopfern – Ihr Bezeigen, Klerdon, bes t nur zu sehr meine Furcht – Sie müssen etwas vor mir verhehlt halten – einen Verdacht, der mich in Ihren Augen zum Ungeheuer macht.
Ihre Reden haben alles in mir in Aufruhr gesetzt. Klären Sie, ich beschwöre Sie, die fürchterlichen Geheimnisse auf.
Möchte eine ewige Nacht sie begraben! möchte ich diese Abscheulichkeiten nie erkannt haben! Grausamer Freund, daß du sie mir eröffnetest! Warum werde ich nicht unwissend ihr Opfer?
Können Sie gegen meine Bitten so fühllos seyn? Wo Sie mich jemals geliebt haben, Klerdon, – und Sie versicherten mich ja, daß Sie mich noch liebten, so stillen Sie mein Verlangen, erklären Sie dieses traurige Geheimniß.
Wo Sie es noch nicht wissen, so wünschen Sie es nie zu erfahren. Graun und Entsetzen ruhen drauf, eine Hölle von Frevel ist darinnen beisammen. Noch einmal beschwöre ich Sie, Miß, dringen Sie nicht weiter in mich; ich würde die heiligsten Rechte der Freundschaft und Vertraulichkeit verletzen, wenn ich Ihnen gehorchte.
So wollen Sie unerbittlich bleiben? so wollen Sie mich der Angst, dem Schrecken, den heftigsten Qualen, – und die ich für Ihr Schicksal fühle, – aufopfern? Können Sie mich über eine Sache, die Ihr Wohl so nahe angeht, unruhig lassen? – Vielleicht wissen Sie nicht, wie nahe das meinige damit verwandt ist – Hören Sie auf, meinem Flehen länger zu widerstehen. Wenden Sie Ihre Blicke nicht weg,
Geben Sie den vereinigten Bemühungen der Liebe und Freundschaft nach. Haben Sie Mitleiden mit den tödtenden Schmerzen, womit Ihr hartnäckiges Schweigen mich erfüllt. Vormals in den glücklichen Tagen unserer Freundschaft – – warum mußten diese so schnell vorüber rauschen? – empfanden Sie die geringste Bekümmerniß, die mich angriff, heftiger als ich selbst.
Ich fühle es, meine Standhaftigkeit ermattet. Wie schwer ist es, Ihnen zu widerstehen, Miß! Ihre Reden haben einen Kampf in mir entzündet, den ich nicht länger aushalten kann. Ich würde treulos handeln, wo ich Sie nicht flöhe. Entschuldigen Sie mich, eine gebieterische Nothwendigkeit zwingt mich dazu.
Er verläßt uns in einer solchen Bewegung, – in einer so qualvollen Ungewißheit – Traurige Anzeichen! wie wird mir das Vergnügen ihn wieder zu sehn vergiftet!
Nur zu sehr fängt dieses unglückliche Geheimniß an, sich mir aufzuhellen. Ein Treuloser hat sein Herz wieder mich aufgebracht. – Sollte es wohl Henley seyn? Er war der Zerstörer seiner Tugend. – Doch ihn eines so schwarzen Frevels anzuklagen, bloß weil er andre begangen, wäre ungerecht. – Komm, meine Schwester, wir müssen alles versuchen, uns aus dieser Ungewißheit heraus zu helfen. Gelingt es mir, so will ich bald das Herz meines Klerdons wieder erobern, aller Argwohn soll sogleich verschwinden, und dann bestrafe ihn durch die zärtlichsten Liebkosungen, daß er so ungerecht von mir dachte.
Ende des dritten Aufzugs.
Bald wäre ich überwunden worden! – Bald hätte diese schmeichelnde, diese zärtliche Stimme, an deren sanfte Herrschaft mein Herz so gewöhnt ist, alle meine Anschläge triumphirend zernichtet! – wäre nicht Granville dabey gewesen. Dank sey dem verhaßten Anblicke dieses Treulosen: ich empfieng von ihm Wut genug, der gebieterischen Macht so vieler Reizungen zu widerstehn. – Doch, warum führte er sie zu mir? Sollte er – – nein, er kann nicht unschuldig seyn! der Brief des Unbekannten, – sein eigner, – diese mißtrauische Verhehlung, – Henley, (den in Verdacht eines Betruges zu haben, ein Frevel wäre,) alles ist wider ihn! – Und ich muß mich also rächen? – in seinem Blute – Blut meines Freundes, dich soll ich vergießen? Er soll sterben, er, für den ich mein Leben einst
Diese Treulosigkeit geht zu weit! dieser entsetzliche Frevel übersteigt alles! – Sie erblicken mich, Klerdon, ganz zerrüttet. – Der Zorn, das Erstaunen, vergönnt mir kaum zu reden.
Von einer Scene voll Abscheu, voll Entsetzen. – Alles empört sich in mir, wenn ich ihrer gedenke. Diesen Augenblick sprach ich mit dem Granville – die Wut funkelt in Ihren Augen bey dem Namen dieses Treulosen; o möchte sie bald verdientes Verderben auf sein Haupt schleudern! – Kurz darauf, nachdem Sie der Verräther mit seiner Schwester verlassen, suchte er mich auf. Ich übergehe die schmeichelhaften Anträge, die seinen Brief bekräftigten. Er gestand,
Mein Triumph ist gewiß. Grimm und Blutdurst brannten in seinen Augen. Trunken von Rache, nicht mehr Meister übee sich, weiß er nicht, zu welchem Frevel er eilt. Bald werde ich ihn mit dem Blute seines treuesten Freundes überdeckt erblicken. O Wollust! wenn nun alle betrügerischen Nebel für seinen Blicken zerfließen, wenn er nun erkennen wird, wessen Brust er durchbohrt hat! wenn Schmerz, Reue, Verzweiflung seine Seele gleich aufrührischen Wogen durchstürmen, wenn er nun alles verloren, und ich dann der Urheber seines Elends mit triumphirendem Hohn auf seine Ruinen herabsehe! – Doch den treulosen Widston muß ich zuvor entfernen. Meine Rache hätte ihn bereits getroffen, fürchtete ich nicht, daß meine Absichten mit
Ja, Widston, vereinige deine Freude mit der meinigen, wünsche mir Glück. Bald ist meine Rache vollführt, bald ist Klerdon der Unglücklichste – – du entfärbest dich? Wie? welchen Theil nimmst du an seinem Schicksal?
Ha! Verräther! die Verstellung ist fruchtlos. Ich kenne deine Treulosigkeit! – der Brief an Klerdon –
Ja, er war von mir. Ich sehe, mein Herr, Sie haben alles erfahren. Ich bin entdeckt, und ich weiß es, dem Tode nahe. Doch, wo die Worte eines Menschen, der so lange ein Diener Ihrer Gewaltthätigkeiten gewesen, bey Er fällt ihm zu Fuße. daß ein unversöhnlicher Fluch Ihr Grab noch verfolgen soll, wo der
Ja, es ist geschehn; dein Brief, den ich bey dem Klerdon erblickte, die Freundschaft und Zärtlichkeit dieses Unglücklichen machten bereits meinen Entschluß wankend. Alles, was ich dir jetzt von meiner bald hinausgeführten Rache sagte, der Zorn, den ich gegen dich äusserte, alles war Verstellung, die mich nur gewisser machen sollte, daß du der Urheber des Briefs an Klerdon seyst. Deine Bitten haben mich vollends entwafnet. Ich verzeihe dir, ich schenke dem Klerdon meine Freundschaft wieder, und ich werde eben die Bemühungen anwenden, seine Leiden zu enden, die ich vorhin verschwendete, ihn in neue zu verwickeln. Du kannst dich bey meinem Versprechen beruhigen.
Ja, es beruhigt mich; was sollte Sie bewegen, sich gegen einen Elenden zu verstellen, der in Ihrer Gewalt ist?
Du siehst, wie viel ich dir verzeihe; belohne mich dafür mit einer Offenherzigkeit, die du mir sonst nie zu versagen pflegtest. Was bewog dich einen so zärtlichen Antheil an dem Geschicke des Klerdon zu nehmen, und zugleich ein Verbrechen – itzt nenne ich es so – hintertreiben zu wollen; dich, der sonst nur zu fertig war, sie auszuführen? Ich wiederhole es, alles ist vergeben; deiner Verstellung würde alle Beschönigung mangeln.
Der leutselige Charakter des Klerdon, seine vorzügliche Güte gegen mich, hatten ihm mein Herz erobert. Noch mehr aber bewog mich der Anschlag selbst, den ich auch noch itzt – ich rede frey – nicht ohne Schauer denken kann. Das Entsetzliche, das ihn begleitete, da er bis über dieses Leben hinaus gieng, erweckte auf einmal zu graunvolle Vorstellungen in mir. Mein sonst fühlloses Herz ward aufgebracht. Meine Einbildung
Zu Klerdons und selbst zu meinem Glücke bist du es worden. Ich werde von nun an die süßen Freuden großmüthiger Versöhnlichkeit schmecken, ohne dich mir ewig fremde, ungefühlte Freuden – Doch ich wünschte, du möchtest dich von hier entfernen. Klerdon, der dich für den Urheber des Briefs hält, wird ohne Zweifel bey dir nach den weitern Umständen forschen. Dies könnte dich in Verlegenheit setzen, oder vielleicht aufs neue eine tödtliche Feindschaft unter uns beiden entzünden, und mich nöthigen, Absichten, die ich jetzt verworfen, wieder zu ergreifen. Ich will dieß durchaus nicht. Ewig muß ihm dieses unglückliche Geheimniß verborgen seyn. Begieb dich so gleich auf mein Gut, und laß alles sich anschicken, mich und den Klerdon, und vielleicht
Das fürchterlichste Hinderniß ist hinweg. – Geh nur, Elender, bald werde ich dir folgen, und Tod und Rache mit mir!
Fassen Sie Sich; Sie sind bey Ihrem treusten Freunde. Wovon sollte ich Sie retten? Niemand ist hier, der sie beleidigen will.
Horen Sie jenes sterbende Röcheln? – Wie entsetzlich tönt es in meinen Ohren! – erblicken Sie nicht den bleichen blutigen Körper, wie furchtbar er mir droht?
Ich, ruhig? O Angst! o Verzweiflung! Sehen Sie diese blutigen, diese von Mord noch rauchenden Hände! – ich könnte ruhig seyn?
Ich sehe, daß Sie einen Treulosen, einen Niederträchtigen, den unversöhnlichsten Feind Ihrer Glückseligkeit gestraft haben.
Vielleicht würden Sie ihm gelindere Namen geben, wären Sie selbst ein Zeuge der schrecklichen Begebenheit gewesen.
Hören Sie die Umstände dieser abscheulichen That, und dann richten Sie. –
Sie vergessen sich, Klerdon. Wie? Sie wollten Sich der Gefahr bloß stellen, von einer Menge Personen, die vielleicht um ihn beschäftigt sind, für den Urheber seines Todes erkannt zu werden. Sie müssen auf Ihre Sicherheit bedacht seyn, Sie müssen diesen Ort sogleich verlassen.
Wo könnte ich Sicherheit finden? Wohin würde mir nicht die verklagende Stimme des Blutes meines Freundes nachschallen? Wo könnte ich dem Bilde entfliehen, das mir den, den ich so zärtlich liebte, blutig, entstellt, von
Wie können Sie so schwach seyn, und Sich über eine That ängstigen, zu welcher Sie die strengste Gerechtigkeit nöthigte? Wie? weil Granvillens Zaghaftigkeit oder Ungeschicklichkeit Ihrer aufrührerischen Einbildung Großmuth, und die, jedem Sterbenden eigne Begierde, jemanden zu seinem Beystande um sich zu sehen, Liebe und Zärtlichkeit schien, reuet es Sie, denjenigen gestraft zu haben, der ein grausames und unmenschliches Vergnügen darinne fand, einen Unglücklichen noch unglücklicher zu machen, ihm sein Kostbarstes zu rauben, und dann über seine Schmerzen und Verzweiflung öffentlich zu frohlocken.
Ja, es mag so seyn; er sey wirklich der Treulose, an dem ich mich zu rächen gedachte.
Welch ein Geräusch erhebt sich? – Himmel! man führt den sterbenden Granville hieher. Kommen Sie, Klerdon, wir müssen diesen Anblick vermeiden.
Ich kann nicht. – Ich fühle es, eine geheime, unwiderstehbare Macht hält mich zurück. Ich zittre vor dieser furchtbaren Scene, und dennoch habe ich nicht Gewalt genug, sie zu fliehen.
Seyn Sie zum mindesten vorsichtig, Sich nicht zu verrathen; – mir fällt es unmöglich, einen Augenblick hier zu verweilen. Geht ab.
Setzt mich hier nieder, meine Freunde, und entfernt euch. Ich wünschte meine letzten Augenblicke mit meinem Klerdon allein zuzubringen. Bemüht euch nicht, mir Hülfe zu schaffen. Ich empfinde es, sie würde fruchtlos seyn. – Stille deine Thränen, Truworth, und auch du, dessen Treue gegen mich, nicht die Treue eines Bedienten, sondern eines Freundes gewesen. – Wie kränkt es mich, daß ich die Welt verlassen muß, ehe ich beiden diese Zärtlichkeit zu vergelten vermag. Truworth und der Bediente gehn ab. Zum Klerdon, der in einiger Entfernung steht. Nähern Sie Sich, Klerdon.
Ich komme nicht hieher, Ihnen Vorwürfe zu machen, – ich komme, mich zu rechtfertigen. – Das Grab würde mir fürchterlich und grauenvoll scheinen, wenn es mich, mit
Konnte in einem Herzen von so großmüthiger Zärtlichkeit, ein so schwarzes Verbrechen geboren werden? Schauervolle Aussichten! Wenn diese vielleicht betrügerischen Hüllen hinweg wichen, wenn ich finden sollte, ich hätte mich geirrt – – doch Sie wollen es. So hören Sie denn die unselige Ursache meiner Raserey: – Henley zeigte mir einen Brief. Es war Ihre Hand, Ihr Name. Sie trugen ihm darinne Ihre Schwester an; gegen mich hauchten Sie nichts als unversöhnliche Rache wegen meines Betragens in London aus. Sie wollten, wie der Brief redete, mich durch die Zernichtung meiner teuersten Hoffnungen strafen, und denn öffentlich über meine Verzweiflung triumphiren. –
Dank sey dir, ewige Güte, daß du mir in meinen letzten Augenblicken die Glückseligkeit gönnest, mich bey meinem Freunde zu rechtfertigen! Auch Ihnen, Klerdon, danke ich dafür. – Meine Augen werden sich also noch mit dem Lächeln des Vergnügens schließen! Ich fühle es, dieser freudige Gedanke verjüngt mein schon stockendes Blut mit neuer Kraft zu seinem letzten Geschäfte. Nach einigem Innehalten Die zu begränzte Zeit, die mir übrig bleibt, befiehlt mir, meine Rechtfertigung abzukürzen. – Ich kam mit meiner Schwester
Nennen Sie mich nicht Ihren Freund; dieser Name ist ein
Nein, Klerdon, ich kann nichts, als Sie segnen. Meine Religion befiehlt es, und wie leicht wird diese Pflicht meinem Herzen! Stehen Sie auf, theuerster Freund! – es ist mir nicht möglich, Sie anders zu nennen; – umarmen Sie mich, lassen Sie mich ganz die Freude schmecken, von dem wieder geliebt zu werden, der stets das kostbarste Glück meines Lebens gewesen ist.
O Worte voll Tod! o Qual! o Verzweiflung! Und Sie können dem vergeben, was sage ich? Sie können mit dem von Liebe reden, der den abscheulichen Stahl in die zärtlichste, in die edelmüthigste Brust stoßen konnte? Wo jemals –
Nicht weiter, Klerdon! ich erlaube es Ihnen, einige stille Thränen der Freundschaft
Nein, entschuldigen Sie nicht eine Frevelthat, für der sich die Natur entsetzen muß. War es nicht schon Verbrechen genug, ein Herz, wie das Ihrige, in Verdacht zu haben? – O Henley! Ungeheuer, das mich fast selbst übertrifft, dich müsse meine Rache – –
Sie müsse ihn nie treffen. Ich bitte für ihn! – Verwerfen Sie nicht die Bitten eines sterbenden Freundes; huldigen Sie aufs neue den sanften Gesetzen der Religion, und dann werden Sie diese selbst lehren, ihm zu verzeihen. – – Versichern Sie ihn von mir, daß ich ihm meinen Tod vergebe, und in meinem letzten Augenblicke die feurigsten Wünsche für seine Wohlfahrt thue. – Lassen Sie uns, liebster Freund, diesen stolzen Geist zu seinem Besten schamroth machen, und ihn nöthigen, wenn er sieht, wie Christen, die er so tödtlich Nach einigem Stillschweigen. Ich sehe Sie trostlos, Klerdon, in stummer betäubender Verzweiflung. – Ach Unglücklicher! Ihr künftiges Schicksal – traurige Ahndung!
Wie? Sie würdigen mich, mich zu beklagen? Für mich fließet dieses großmüthige Mitleid aus diesen liebreichen Augen, die nun bald durch mich sich auf immer schließen.
Jetzt gedenke ich an meine Schwester, – die unglückliche Amalia! – Ihnen, Klerdon, befehle ich sie an, das kostbarste Kleinod, das ich besitze. Seyn Sie ihr ein Bruder, ein Freund, ein Gemahl, – ja, ein Gemahl; – denn warum sollte dieser widrige Zufall meine Absichten zerstören: – Sie war schon die Ihrige, sie soll es auch bleiben. Nie darf sie die Art meines Todes erfahren. Ihr Diener und der meinige, die mich verwundet gefunden, glauben, es sei von unbekannter Hand geschehn. – Meine Güter werden Ihren verfallnen Umständen wieder empor helfen. –
Erhabner, schon den Unsterblichen, die deiner warten, ähnlicher Mann, wenn ein Elender aus seiner Tiefe dich um etwas beschwören darf, o! so töte mich nicht mehr durch diese mehr als menschliche Güte! Sie ist Marter, unerträgliche Marter für mich. Ich sollte dir danken, und kann nichts, als verzweifeln!
Halten Sie ein, Klerdon. Gönnen Sie mir doch die Freude, Sie ruhiger zu sehn, ehe ich sterbe. – Ich fühle es, der wichtige, der große Augenblick nahet heran; – noch wiederhole ich meine Bitte, die letzte, die feyerlichste Bitte, werden Sie wieder, was Sie vormals waren, der Bekenner einer Religion, die ihre Bekenner weit über die Klasse gemeiner Nach einigem Innehalten. Unterstützen Sie mich, Klerdon, mit Ihren freundschaftlichen Armen; – mein Auge kann Sie nicht mehr sehen, die Natur verwelkt vor meinen Blicken. – Wie sanft ist der Tod an der Brust eines Freundes! – Ihre bebenden Arme vermögen mich kaum zu umfassen? Ihre Thränen benetzen häufig mein Gesicht? – O träufle Trost auf ihn herab, du, zu dem sich mein Geist voll Ungeduld aufschwingt, und auch mir – –
Er hebt die Augen gen Himmel, und scheint einige Worte für sich zu sprechen. Nun ist es geschehn! – Leben Sie glücklich, Klerdon! – seyn Sie ein Christ, – bester Freund! –
Ende des vierten Aufzugs.
Hinweg, quälende Vorstellungen! Laßt ab mich zu tödten! Wie? nirgends kann ich euch entfliehen? Hier, nur hier laßt mich, Peiniger, ruhen. – Ich zittre! – auch hier fließen für meinen erschrocknen Blicken Fluten von Blut, auch hier ängstigt mein Ohr ein sterbendes Aechzen. – Ja ich sehe es, überall verfolgst du mich,
Zu Ihnen, Klerdon! muß ich fliehen; – Ihren Beystand, Ihr Mitleiden, muß ich anflehen: – – Mein Bruder –
Sie erschrecken? So wissen Sie denn schon, daß der beste, der zärtlichste Bruder – daß Ihr Freund von der Hand eines Bösewichts entseelt liegt? – Ich Unglückliche! ich konnte den entsetzlichen Streich nicht verhindern: – ich konnte nicht einmal die letzten zärtlichen Worte von seinen sterbenden Lippen aufsammeln; – seine brechenden Augen konnte ich nicht zudrücken: und auch den traurigen Trost, seinen blutigen Ueberrest zu umarmen, versagt man mir.
Sie müssen seinen Tod rächen, Sie müssen dem Mörder nacheilen. Ein geheimer und um so viel gefährlicher Feind muß ihm nachgefolget, und keinen bequemern Ort zu seinem Frevel gewußt haben. Auf, Klerdon! vielleicht ist der Bösewicht noch in dem Bezirk dieser Mauern.
Und wem könnte dieses traurige Geschäffte anders zukommen als Ihnen? Waren
Ihre Schmerzen, Ihre stürmische Angst, machen Sie mir noch theuerer. Nun erkenne ich den wahren Freund –
Fliehen Sie mich, Miß! fliehen Sie mich auf ewig! Sie würden mich verabscheuen, wenn Sie mich kennten.
Ich? Sie fliehen? Wo bliebe mir nach Ihnen noch einige Zuflucht übrig? In meinem Bruder hat eine grausame Hand mir die letzte Stütze geraubt: – Sie allein sind mitten unter den Ruinen von dem, was mir jemals theuer gewesen, zurück geblieben; Sie, – denn warum sollte ich eine Liebe, die von allen gebilligt wird, leugnen? – Sie, den zu lieben sich mein Herz durch eine süße Gewohnheit schon so lange zu seinem vorzüglichsten Geschäfte gemacht hat; Sie, den selbst der Wille des zärtlichsten Bruders bestimmte, künftig mit mir vereinigt, gesellige Thränen seinem Andenken zu weihen, Sie allein müssen mir jetzt alles, was ich verlor, ersetzen, Sie müssen meinen Verlust an dem Unwürdigen ahnden, der ihn verursachte. – Vielleicht frohlockt der Blutdürstige jetzt über den gelungenen Frevel. Noch einmal, Klerdon, eilen Sie ihm nach. Bey dem vergoßnen Blute Ihres Freundes, bey seinem
Nicht weiter, Miß! diesen Reden kann ich nicht länger widerstehn. Sie sind gleich tausend brennenden Schwerdtern in meiner Brust. Sie sollen alles wissen – Sie werden mich hassen, Sie werden mich verfluchen; – zu meinem Verderben, sollen Sie alles wissen: – ich kenne den Mörder.
Sie kennen ihn? und noch befleckt das Blut meines Bruders ungeahndet die Erde? noch geht das Ungeheuer, das ihn tödten konnte, triumphirend und frey herum? – Nennen Sie mir ihn; ich gehe selbst alles wider ihn aufzubringen.
Ists möglich? – Klerdon, – Sie? Nein, Ihre zerrüttete Phantasie reißt Sie dahin: – Sie sind nicht der Mörder meines Bruders; Sie konnten nicht den zärtlichsten, den großmüthigsten
Ich wäre zu irgend einem Frevel unfähig? – ich betrüge Sie nicht, Miß! ich bin der Mörder, ich bin das Ungeheuer, das Sie so lange verkannt haben.
Die Uebermaß der Schmerzen hat Ihren Geist überwältigt – fassen Sie Sich, und hören Sie auf, mich mit so ausschweifenden Reden zu schrecken. Schauer durchströmt mich bey dem bloßen Gedanken, daß Ihnen diese That möglich gewesen. – Wie? Sie wären unmenschlich genug? – nein! ein einziger Blick Ihres Freundes würde Sie entwaffnet haben.
Sie müssen mir glauben, Miß, – ich will es, ich fodere Ihren Haß – das ärgste, das fürchterlichste für mich – ich brenne, mein Verderben vollendet zu sehn. Ja, Ihr Bruder fiel durch meine Hand, und fiel unschuldig; Eifersucht, Irrthum, ein Geist des Verderbens, der sich meiner bemächtigte, trieb mich zu der entsetzlichen
Entsetzlicher Schwur! – schreckliches Licht, das mich überfällt! Hinweg, Mörder! – Ungeheuer! – das Blut deines Freundes strömt an dir herab! – Raserey und Mordlust umgeben dich! – Ich sehe ihn, ich sehe den Unglücklichen, sorglos für sein Geschick, zu dir nahen, ich sehe, wie dein wütender Arm den blutdürstigen Stal gegen ihn empor hebt – gegen ihn? – Unmensch! Er denkt auf nichts als dein Wohl – du durchbohrst eine Brust, an die die Freundschaft dich so oft mit Inbrunst drückte – Kann dich nichts erweichen?
Deine Wut ist erschöpft, verfolgendes Geschick; nunmehr bin ich zum tiefsten Abgrund der Verzweiflung hinabgesunken; ich trotze jetzt deinem Haß, versuche es, erfinde neue, höhere Qualen für mich. – Und dennoch übersteigt diese peinigenden Empfindungen die Grösse meines Verbrechens. Sie selbst, Miß, wissen noch nicht jeden Umstand, der es erhöht. Sie kennen noch nicht den ganzen erhabnen Geist, den ich der Welt raubte – Hier an diesem Orte empfieng ich Vergebung
Ja er that es, und noch mehr, er hat ihn gewürdigt, ihn Freund zu nennen. Er hat seine letzten Thränen über das Schicksal seines Mörders vergossen, und die feurigsten Gebete für das Wohl des Zerstörers seines irdischen Glücks gesprochen. O Andenken, das ewig sein Rächer seyn wird! – ich sah ihn seine erstarrenden kraftlosen Arme, da ihm die siegende Gewalt des Todes sie kaum noch zu erheben erlaubte, voll Zärtlichkeit gegen mich ausstrecken, und in meinen Umarmungen hauchte er die göttliche Seele aus. So einen Bruder habe ich Ihnen entrissen. Schütten Sie nunmehr Ihren ganzen Zorn über mich aus! überhäufen Sie mich mit Flüchen! – Wie? Sie
Meine ersten Bewegungen haben mich hingerissen, – wie unähnlich war ich dir, o mein erhabner Bruder! – dein Beyspiel begeistert mich jetzt. – Ich sehe, wie du mir aus jenen Gegenden, wo Glanz und Unsterblichkeit dich krönen, zurufst und mir jene großmüthige Sanftmuth empfiehlst, für welche dich jetzo das Lob der Himmel belohnt. Mein Bruder hat Ihnen vergeben, Klerdon, und ich würde strafbar seyn, wenn ich Rache gegen den aushauchte, den er noch sterbend seinen Freund nannte. Da seine Lippen Sie segneten, so sey es fern, daß die meinigen von Verwünschungen wider Sie strömen sollten. Nur zu sehr bemerke ich, was für bittre Vorwürfe Ihnen Ihr eigen Herz macht: – Ich verzeihe Ihnen, und ich bedaure Sie. – Möchte Ihnen doch jener göttliche Richter auch verzeihen!
Dieß kann er nie. Die Thränen, die ich eine so edelmüthige Tugend zu weinen zwinge, sind zu mächtige Ankläger für mich.
Wir müssen uns trennen. Dieser unglückliche Zufall hebt alle Verbindung zwischen uns auf. Ich eile, mich einer beständigen Einsamkeit zu widmen, und den Bruder und Geliebten zu beweinen, die mir beide ein neidisches Geschick auf Einen Tag entwandt hat. – Unglücklicher Klerdon, könnten Sie doch der Ruhe künftig genießen, der ich nie wieder genießen werde!
Sie mich auf ewig verlassen? – Doch ja, Sie müssen es. Nie sollen Sie den strafbaren Klerdon wieder erblicken. – Möchten Sie mit ihm alle Schmerzen vergessen, die er Ihnen jemals verursachte! – Ich gehe zu sterben, und bald soll ein rächender Tod – –
Nein, Klerdon, leben Sie! wo meine letzte Bitte etwas über Sie vermag, so leben Sie, um Ihre Verbrechen zu beweinen, und einen Gott zu versöhnen, den Sie so sehr gereizt haben.
Ich ihn versöhnen? Raserey wäre es, dieß zu hoffen. Nicht Gnade, nur Verzweiflung wartet meiner. – Ich fühle deine tödtenden Gerichte, Ewiger! Ach unerträglich donnern sie auf mich herab! – und nur zu sehr habe ich sie verdient! – Deine beleidigte Religion ruft dich zur Rache – Sie muß wahr seyn, diese Angst, diese brennende Verzweiflung, die in mir wütet, lehrt es mich. – Ja, sie fallen, die unseligen Hüllen, die meine Augen bisher gefangen hielten. – Graunvoller Er zieht einen Dolch hervor, und will sich tödten. – Doch was thue ich? – o Tod! ich wage es, dich zu wählen! – Schwindelnder Abgrund! – Bewahrer furchtbarer Geheimnisse! Wege des Lebens und des Verderbens öffnen sich hinter deinen Pforten, und die Unendlichkeit ist ihr Maß – ich wage es, dich zu wählen? Ich
Entschuldigen Sie meine Verwegenheit, mein Herr, Sie befahlen mir Ihre Gegenwart zu meiden, und dennoch wage ich es –
Wer kommt, an meinem Verderben Theil zu nehmen? Nachdem er ihn einige Zeit stillschweigend angesehn. Bist du es, Truworth?
Die unglückliche Miß Granville, die sich eben jetzt anschickt diesen Ort zu verlassen, befahl mir, zu Ihnen zu eilen; Sie befänden Sich in traurigen Umständen – Verzeihen Sie mir meine vorige Unbescheidenheit. Die Uebermaß meines Eifers hatte sie verursacht.
Was soll ich dir verzeihen! O hätte ich deinem warnenden Eifer Gehör gegeben, anstatt
Was muß ich erblicken? Diese wild herumirrenden Augen, diese Züge, in denen sich die Verzweiflung und das Bild des Todes abdrückt: – kann der unglückliche Tod Ihres Freundes Ihnen so unaussprechliche Schmerzen erwecken?
Du siehst noch nicht die ganze endlose Tiefe meines Elendes. Starres Entsetzen würde dich fassen, wenn du sie sähest. Kennst du den Mörder des Granville?
Ja, meinen Freund, und noch dazu den besten, den edelgesinntesten Freund, der bloß hieher gekommen war, meinen bedrängten Umständen beyzustehen, und sein ganzes Glück mit mir zu theilen. – Deine tugendhafte Seele wird die
Nicht diese Verzweiflung, mein Herr, nicht diese will die Langmuth des gütigsten
Ich verstehe dich. – Was braucht ein Elender, der nichts zu hoffen hat, auf seine Sicherheit bedacht zu seyn? Warum sollte ich der verdienten Ahndung der Gerechtigkeit zu entrinnen suchen? Würde wohl die schmählichste Todesart zu viel Strafe für mein Verbrechen seyn? – Doch du, Truworth, höre auf dein Schicksal an das Geschick eines strafbaren Herrn zu fesseln. Fliehe einen Unwürdigen, – einen Mörder! – Granvillens Tod müsse dich alles fürchten lehren; auch du bist tugendhaft, auch du liebst mich. Ist dieß nicht genug, dein Verderben von mir zu erwarten?
Ja! – dieß ist das Mittel, Sie zu retten; Dank sey dem Himmel, der es mir eingab! – Sie sehen, wie wenig Jahre, vielleicht wenig Monate den Rest meines Lebens ausfüllen müssen. Diese grauen Haare, diese hinwelkenden Glieder, alles ruft mich zum Grabe. Könnte ich diesen unnützen, nichtigen Ueberrest besser anwenden, als Sie, meinen Herrn und Wohlthäter zu retten, und der Welt ein Leben zu erhalten, das ihr vielleicht noch lange nützlich seyn kann? Ich will zu den Gerichten hin eilen, und mich als den Mörder des Granville angeben. – Was schadet es, ob auch die Welt glaubt, daß ich als ein Bösewicht sterbe, wenn nur Gott weiß, daß ich unschuldig bin! – Thränen der Freude verdunkeln mein Auge; o mein Herr! mein liebster Herr, Er küßt ihm mit Inbrunst die Hand. wie glücklich bin ich, daß ich für Sie sterben kann!
Nicht weiter, großmuthsvoller Truworth, du durchbohrst mein Herz. Wie? so viele heldenmüthige Tugend
Soll ich Sie denn verlassen? – In so heftiger Bewegung – – – eine schauervolle Ahndung schreckt mich – – –
Das letztemal empfunden, was es sey, von irgend einem Wesen geliebt zu werden! Hinfort in jener Zukunft voll Grauen, wird mein Theil nur Haß sein; alles, mich selbst werde ich hassen, und allem werde ich ein Abscheu seyn. – Was zaudre ich noch? Ich muß den Tod wählen. Die Erde, die jeden Augenblick unter meinen Füßen weg zu weichen droht, dieses Licht, das mir itzt so fürchterlich glänzt, – diese vor meinen Blicken herumirrenden Bilder des Todes, vermag ich nicht zu ertragen. Ein so peinigend Schicksal auch meiner wartet, so kann es doch nie dieses wütende Feuer, diesen innern Tod, den ich fühle, übertreffen. – – Vielleicht irre ich – es sey. Eine unwiderstehliche Rache treibt mich zu dem Abgrunde, dem ich umsonst zu entfliehen suche. – Name eines Freygeists, auf den ich einst stolz war, wie verfluche ich dich itzt! O träfe die ein dem meinigen ähnliches Weh, die ihn zuerst erfanden, die zu erst einen unseligenEr erblickt den Henley. O Abscheu! da ist mein Verderber.
Seyn Sie ruhig, Klerdon, nur einige Augenblicke seyn sie es. Ich komme nicht hieher, Ihre Wut zu besänftigen, ich komme, sie noch stärker zu entflammen; nur so lange, bis Sie mich angehört haben, gebieten Sie ihr zu ruhen.
Dieses war das große Vorhaben, das ich bey jedem Schritte vor Augen hatte. Sie wissen, ob es mir gelungen ist – Itzt will ich Ihnen alles entdecken, zu Ihrer Pein will ich es. Granville war unschuldig, alles, dessen ich ihn anklagte, war Erdichtung. Ihr frevelnder Arm – verfluchen Sie Sich selbst! – hat dem edelgesinntesten, dem zärtlichsten Freunde das Leben geraubt. – Nun ist meine Rache vollendet. Nun sind Sie in dem tiefsten Abgrunde der Verzweiflung. Alle Frevel sind für Sie erschöpft. Hier können Sie nun nichts mehr verlieren, und jenseit des Grabes drohn Ihnen unerbittliche Gerichte – Wie triumphiere ich! wie genieße ich Ihr Unglück? Unaussprechliche Wollust bemächtigt sich meiner, da ich Ihrer Verzweiflung Hohn sprechen kann. Dies ist der schönste Tag meines Lebens. – Stoßen Sie nun die bittersten Schmähungen wider mich aus; überhäufen Sie mich mit Flüchen. Je mehr Sie toben, je mehr triumphiere ich. Ihre Thränen, Ihre Qual, sind das ergetzendste Schauspiel für
Rede ich mit einem Menschen? Nein, die Hölle redet aus dir, Ungeheuer, ihrer sind diese Gesinnungen werth. – Ja, frohlocke nur, frohlocke! ich fühle den ganzen Grimm, und die niederschmetternden Gerichte des Himmels, sie strafen mich, weil ich deinen unseligen Eingebungen folgte, und ein Ungeheuer wie du ward. Zittre vor diesem Richter! Ein noch entsetzlichers Verderben wird dich ergreifen, erzüntere Donner werden auf dieß stolze Haupt herabstürzen, und jene Zukunft wird den Verführer von dem Verführten Er zieht jählings einen Dolch hervor, und ersticht ihn. Und dieß sey der meinige, daß ich dir Gehör gab.
Ende des Freygeists.