492. Der Schweinskopf an der Marienkirche in Neu-Brandenburg. Ik het Jochen Klamm un bün tamm as 'n Lamm. Dies Verslein steht rings um einen eisernen Eberkopf geschrieben, der sich, ziemlich in Naturgröße und mit einem eisernen Ring durch die Nase, an der einen Eingangsthür der St. Marienkirche zu Neu-Brandenburg befindet. Mir sind davon zwei Sagen bekannt. Die Ansiedlung einer kleinen christlichen Gemeinde, aus welcher später Neu-Brandenburg entstand, besaß keine Kirche und war viel zu arm, um an den Bau einer solchen denken zu können. Der Weg zum nächsten Gotteshause war weit und beschwerlich und ging durch einen finstern, unheimlichen Wald, in welchem wilde Thiere, namentlich wilde Schweine, in solcher Anzahl hausten, daß sie mitunter ins Dorf, ja bis in die Häuser der Bewohner drangen. So zeigte sich eines Tages mitten im Dorfe ein Eber von ganz besonderer Größe, der in Gärten und Höfen herumraste. Weiber und Kinder flohen schreiend in die Häuser, die Männer aber sammelten und bewaffneten sich, um dem Feind mannhaften Widerstand entgegenzusetzen. Vor diesen ergriff der Eber die Flucht und lief vors Dorf hinaus, wo er plötzlich Halt machte und im Angesichte der vordringenden Verfolger mit seinen mächtigen Hauern die Erde aufzureißen und Sand und Schollen weit umher zu schleudern begann. In dieser Erde aber funkelte und blitzte es, und als darauf der Eber dem Walde zueilte, fand man an der Stelle so viel Gold, daß sich davon eine stattliche Kirche erbauen ließ. Nach der andern Erzählung war die Kirche bereits gebaut und die Gemeinde an einem Sonntagmorgen zum Gottesdienste versammelt, als durch die halb geöffnete Thür ein Eber hereinstürmte und grade auf den Altar zueilte, vor welchem der Geistliche stand. Der Geistliche ergriff rasch das Crucifix und streckte es dem wüthenden Thiere entgegen. Der Eber blieb regungslos stehen und ließ sich ohne Widerstand wie ein Lamm aus der Kirche hinausführen. Zum Andenken daran wurde das Eberbild an der Kirchenthür angebracht. Fräulein W. Zimmermann in Neu-Strelitz; vgl. Niederh. 1, 96, wo nur die zweite Fassung, die auch von W. Heyse in Leussow mir mitgetheilt wurde.