542. Der See bei Probst Jesar. Unweit Lübtheen liegt das Dorf Probst Jesar. Es gehörte früher zur Probstei Eldena. Bei diesem oder fast in demselben liegt ein sehr tiefer See, der so wenig Vorland hat, daß eine aufgestellte Tafel Jeden warnt, Pferde oder anderes Vieh in den See hinein zu treiben. Nahe beim Dorfe ist er etwa 75 Fuß tief, an Oberfläche hat er 3600 Quadratfuß. Fährt man auf dem See oder sieht bei klarem Wetter hinein, so erblickt man auf dem Grunde des Sees noch große Bäume mit weithin ragenden Aesten. Wenn im Sommer das Wasser niedrig steht, so kann man etwa zwanzig Eichen sehen. Ueber die Entstehung dieses so merkwürdigen Sees geht folgende Sage. Vor alten Zeiten befand sich nahe bei Probst Jesar ein Eichenwald, wo die Bauern des Dorfes um die Mittagszeit die Ruhe zu genießen und ihre Pferde zu hüten pflegten. Als sie eines Tages ebenfalls dort lagen und sich von ihrer Arbeit ausruhten, kam eine Zigeunerbande und bat um eine kleine Gabe. Die reichen Probst Jesarschen Bauern – denn der Acker zu Probst Jesar war fruchtbarer Lehmboden – verweigerten ihnen ihre Bitte. ›Wartet! das soll euch schlecht bekommen,‹ sagte eine Frau der Bande. Sie gingen weg, fingen sich ein Pferd und hieben ihm den Kopf ab und füllten ihn mit Quecksilber. Nach dem sie diesen in eine Vertiefung geworfen, sprachen sie einige Zaubersprüche und zogen dann wieder fort. Bald darauf hörten die Bauern ein Zischen, Sausen und Brausen, welches dann von Minute zu Minute stärker wurde. Die erschreckten Bauern eilten zu der Stelle, woher das Geräusch kam. Zu ihrem Entsetzen sahen sie, wie der Pferdekopf sich immer im Kreise herumdrehte, die Erde sich immer mehr senkte und die Vertiefung sich mit Wasser füllte. Besorgt um ihr Dorf und ihre Feldmark, setzten sie zu Pferde den Zigeunern nach, erreichten sie bei dem Dorfe Loosen und bewogen sie durch Bitten und Versprechungen zur Rückkehr und Aufhebung der Zaubersprüche. So wurde Dorf und Feldmark gerettet, aber der einmal entstandene See blieb. Gymnasiast M. Kliefoth; vgl. Niederh. 2, 181 ff.