2172. Mel. Was ists, verwundte Liebe! 1. Ein seligs Wunden-stäublein, verliebt ins Seitenloch, ist wol ein armes täublein, und braucht die Mutter noch; doch machts dem Lämmlein manche freud, es läufft und spielet kindlich in der erziehungs-zeit. 2. Wir sind doch nur geboren für unsern Wunden-Mann; er hats einmal geschworen, er nimmt die sünder an: wir sind sein haus-gesind und kind, und sind in zieh und mache, bis wir sein weiblein sind. 3. Er schuff ein vater bildlein, ein mutter-bildlein auch, sie trugens priester-schildlein, nach Gottes menschen-brauch; er sprach: Werdt ein fleisch, und vermehrt, um all's herbey zu bringen, was noch zur braut gehört. 4. Er kömmt in ihre säfte mit seinem wunden-saft, und in dem eh-geschäfte macht er sie schöpferhaft; er salbet und zerweichet sie, er tödtet und belebet, in heilger harmonie. 5. Und wenn das salb-öl fliesset, dieweil Gott Schöpfer will, so wird das paar gegrüsset vom Ehe-Gott der K'hill; zuweilen rinnt ein cörperlein im mutter-schoos zusammen 1 , das wird zum Lamms-gebein 2 . 6. Wohl einer solchen schwester! sie hat ihr haupt der eh, deß geist auch Lämmleins Esther, nur provisorie 3 , sie hat das glük, ein kind zu seyn, gebeugt, beschämt und kleine, ein ausdruk der Gemein. 7. Wohl auch so einem bruder! der Christi bildnis trägt, und der ans kirchleins ruder sich nun für zweye regt. Das königliche priesterthum macht eine sel'ge mühe, und einen blut'gen ruhm. Fußnoten 1 Hiob 10, 10. 2 Luc. 1, 15. 3 nur derweile.