11. Abend-Gedanken 1 1721. Du Vater aller Geister, Du Strahl der Ewigkeit, Du wunderbarer Meister, Du Inbegrif der Zeit; Du hast der Menschen Seelen In Deine Hand geprägt: Wem kans an Ruhe fehlen, Der hie sich schlafen legt? Es ziehn der Sonnen Blikke, Mit ihrem hellen Strich Sich nach und nach zurükke, Die Luft verfinstert sich, Der dunkle Mond erleuchtet Uns mit erborgtem Schein, Der Thau, der alles feuchtet, Dringt in die Erde ein. Das Wild in wüsten Wäldern Geht hungrig auf den Raub; Das Vieh in stillen Feldern Sucht Ruh in Busch und Laub; Der Mensch von schweren Lasten Der Arbeit unterdrükt, Begehret auszurasten, Steht schläfrig und gebükt. Der Winde Ungeheuer Stürmt auf die Häuser an, Wo ein verschloßnes Feuer Sich kaum erhalten kan: Wenn sich die Nebel senken, Verliert man alle Spur; Die Regen Ström' ertränken Der flachen Felder Flur. Da fällt man billig nieder Vor Gottes Majestät, Und übergibt Ihm wieder Was man von Ihm empfäht: Die ganze Kraft der Sinnen Senkt sich in Den hinein, Durch welchen sie beginnen, Und dem sie eigen seyn. Das heißt den Tag vollenden, Das heißt sich wohl gelegt: Man ruht in Dessen Händen, Der alles hebt und trägt. Die Himmel mögen zittern, Daß unsre Veste kracht; Die Elemente wittern; So sind wir wohl bewacht. Fußnoten 1 Im October.