12. Angenehme Sterbens-Gedanken 1 1721. Die Bäume blühen ab, Die Blätter stürzen: Mir wird das liebe Grab Mein Elend kürzen Getrost, ich sehe schon Das Bäumlein blühen, Und meines Leibes Thon Gerader ziehen. Mein Grabstein springt entzwey, Der Schlaf vergehet: Der Leib wird Kerker-frey, Mein Tod verwehet. Der Fäulnis finstre Baar, Und die Verwesung Verliert sich ganz und gar In der Genesung. Der Sturm, der unsern Geist Vom Leibe treibet, Und uns von hinnen reißt, Hat ausgestäubet. Man höret ferner nicht Des Windes Brausen: Man spürt im stillen Licht Ein lieblich Sausen. Ein Wind von Jehova Wird ausgeblasen: Die Beine liegen da In grünen Rasen. Auf Hoffnung liegen sie Der Auferstehung, Und warten spat und früh Der Stands-Erhöhung. Ihr seyd zu Staub verbrant, Ihr kahlen Beine, Und euer spröder Sand Ist Wunder-kleine. Ihr seyd fast aufgelekt, Ihr Aschen-Haufen: Die Tieffe, die euch dekt, Ist angelaufen. Ihr seyd aufs Feld gesät, Ihr kahlen Knochen, Und in der Luft verweht, Zerquetscht, zerbrochen. Die hat des Abgrunds Wut Durchaus zerwühlet: Die eine schnelle Fluth Hinweg gespület. Ihr wißt nicht, hie und da Verstreute Glieder! Wie euch das Wort so nah, Es ruft euch wieder. Der Mann, in welchem es Beschlossen ware, Der kommt mit Lob-Getös' Der Helden-Schaare. Man thut die Bücher auf, Es wird gelesen, Wie eines jeden Lauf Bewandt gewesen. Der wird als Satans Theil Hinweg getrieben: Der steht zum Trost und Heil Im Buch geschrieben. Wie wird es mir ergehn An diesem Tage? Wo wird mein Urtheil stehn? Wer hält die Waage? Triumph! der hier erscheint Im rothen Kleide, Der ist mein weisser Freund: Eins sind wir beyde. Da solte ich für mich Nichts Gutes hoffen? Wer so besteht, wie ich, Der hats getroffen. Ich war ein Sünden-Kind, Wie andre Sünder: Allein, ich überwind Im Ueberwinder. Ich bin an Seinen Stamm Hinan gedehnet: Er ist das reine Lamm, Das Gott versöhnet. O Lamm, vergönne mir Dich zu begleiten! Mein Mann, ich weiche Dir Nicht von der Seiten. Ich sehe schon hinein In Deine Wonne: Hie blitzt der klare Schein Von Salems Sonne. Wie mancher stehet da In reiner Seide! Wie ist Dir der so nah Im weissen Kleide. Den hielt man in der Welt Für einen Narren, Der, dort im Ruhe-Zelt, Zog lang im Karren. Wie seufzte Deine Magd Im Kranken-Bette! Wie oft hat sie gesagt: Wer Flügel hätte! Und itzo seh ich sie Mit Palmen-Zweigen, Befreyt von aller Müh, Aus Zion steigen. Wo ist der arme Mann, Der hier nur thränte, Und sich von Jugend an Nach Salem sehnte? Da sitzt er Freuden-voll Zu Deinen Füssen, Und gibt Dir einen Zoll Von tausend Küssen. Und jener, welcher hier Dein Häuflein lehrte, Und viele, HERR, zu Dir, Dem Licht, bekehrte, Steht prächtig oben an, Als eine Sonne, Und jauchzet, was Er kan, Bey solcher Wonne. Der Dich in dieser Zeit Als Liebe priese, Und zur Gerechtigkeit Die Menschen wiese: Der blitzt in Deinem Glanz, Gleich einem Sterne, Sein Name leuchtet ganz Auch in der Ferne. Der helle Haufe glänzt Vor Deinem Throne, Den in der Zeit bekränzt Die Marter-Krone. Dort bey des Lammes Mahl Erscheint im Reigen Die auserwehlte Zahl Der treuen Zeugen. Was unsrer Väter Schaar Und den Propheten, Ins Ohr vertrauet war, Hört man trompeten. Die Zwölfe, die Du Dir Zur Lust erlesen, Die krönet für und für Vollkommnes Wesen. Nun Dirs gefallen hat Dein Volk zu rächen; So sitzen sie im Rath Das Recht zu sprechen. Hie wird die trübe Zeit Im Licht verschlungen, Und der DreyEinigkeit Triumph gesungen. Diß Heilig Eine Drey Wird aufgekläret, Der Glaube schauet frey Was ihn genehret. Die Gott gerufen hat Und die gekommen, Die werden in der That Nun aufgenommen. Der Glaub in seinem Lauf Hat ausgegläubet: Die Hoffnung höret auf: Die Liebe bleibet. Hier frag ich nicht einmal, Wo ich soll bleiben? Wer will mich aus der Wahl Der Gnaden treiben? Ich traue mächtiglich Dem Hochgeliebten: Sein Herze neiget sich Zu den Geübten. Vor Zeiten hielt ich mich An Sein Erbarmen: Und itzo hange ich In Seinen Armen. Ich dringe zu Ihm zu, Er muß mir geben Auf Arbeit, süsse Ruh, Auf Sterben, Leben. Fußnoten 1 Im Herbst.