14. Sehnliche Gedanken am 72sten Geburts-Tage der Frau Groß-Mutter 1721. Komm Ewigkeit, Inbegrif innigster Wonne, Bestrahle und heitere unser Gemüth: Erscheine, du helle durchdringende Sonne, Darunter der Segen erwächset und blüht. Wir schauen mit Sehnen, Wir warten mit Thränen Auf deine unendliche Klarheit und Glänzen, Und wallen mit Wehmuth in irdischen Grenzen. Die Arbeit der Sünden macht Kraft-los und müde: Wie wird sie uns sauer die fleischliche Last! Wie süsse hingegen, wie schöne klingst: Friede! Und Ruhe von Arbeit und ewige Rast! O selige Schaaren, Die dahin gefahren, Wo Christi Verlobte mit edlen Geschmeiden Und köstlichem Schmukke im Rosen-Busch weiden. Verlauffet, ihr Zeiten, verschwindet, ihr Stunden, Macht unserem Bräutigam Bahne und Platz; Wir haben den Ausgang des Jammerthals funden; Wir graben nach einem verborgenen Schatz. Die Nacht hindurch sorgen Wir nur auf den Morgen. Ach! käme derselbe, was würde uns quälen? Was würde uns mehr an der Seligkeit fehlen? Wohlan dann, Geliebter, Du wirst ja erscheinen, Dein Seiger geht langsam; so zeige Dich doch! Schau nun nach den Frommen, erfreue die Deinen; Sie hassen die Welt-Lust, sie lieben Dein Joch. Befeuchte den Garten; Er kan nicht mehr warten: Die Mitternacht nahet; wir hoffen mit Schmerzen: Die Lampen sind fertig; auch brennen die Kerzen. Wir hören Dich, Liebster; Du heissest uns warten: Man lauffet Dir niemals mit Förderung vor: Doch drükt uns die Bürde auf mancherley Arten: Das Fleisch läßt die Geister nicht gerne empor. O Jesu! gedenke, Wie sehr es uns kränke, Dir so nicht zu dienen, wie wir es begehren: Aufs wenigste mußt Du uns stille seyn lehren.