Schäferlieder und Scherzgedichte 1. Schäferlied Die über ihre Freyheit sich vergnügende Galathee. O scheltet immerhin Mich einen Eigensinn; Und sprecht: Der Galathee Ihr Herz wär Eis und Schnee. Ich lache nur darzu, Wenn ihr die süsse Ruh So frech und unerlaubt Euch selbst, Gespielin, raubt, Und keine Reyhen schließt, Wo nicht ein Schäfer ist. Die Lieb ist nicht vor mich; Nein, Galathee läßt sich Durch seufzendes Bemühn Nicht in die Schlinge ziehn. Der edlen Freyheit Trieb Und Zug ist ihr zu lieb. Ja, wenn es Pan auch wär, Fänd er doch kein Gehör; Von solcher Sclaverey Bleibt dieses Herze frey. Zwar lenkt mein Aug und Sinn Sich nach Sylvandern hin, Der, wo er nur erscheint, Sich einzuschmeicheln meynt. Doch daurt er mich fürwahr: Denn unter unsrer Schaar Kömmt ihm kein Schäfer bey An Redlichkeit und Treu, So in dem Herzen sitzt, Ihm aus den Augen blitzt. Das mehr als gute Thier Schmiegt sich ja recht vor mir, Ein jeder Tropfen Blut Meynts mit mir herzlich gut. Jagt ihn durch Dampf und Rauch, Sylvander geht hier auch. Er böthe Haut und Haar Vor mich aus Liebe dar, Und scheute, winkt ich nur, Auch nicht des Grabes Spuhr. Wie lang ists? Noch gar kurz Schenkt er mir diesen Schurz Der meine Hüften ziert, Und mir fast nicht gebührt. Ja heute noch gar früh Fiel er vor mich aufs Knie. Wie bat er nicht mit Schmerz Um Galatheens Herz, Und seiner Thränen Naß Bespritzte Halm und Gras! So oft sich nur ein Nest Von Lerchen blicken läßt, Bringt sie die gute Haut Mir als vermeynten Braut; Er theilt den Bissen Brodt Mit mir, und leidet Noth. Streckt seine Schäferinn Sich bey den Buchen hin, So schnarcht sie süsse hier. Der Schäfer wacht bey ihr. Bey früher Sonnen Lauf Sucht er schon Kräuter auf, Durch deren Umschlag man Die Kranken heilen kann. Kommt er nun aus dem Wald, So schüttet er sie bald In meinen Schooß hinein: Das laßt mir Liebe seyn! Gewiß er sorgt für mich Weit mehr als selbst vor sich. Das zwäng wohl manches Herz, Das bey des Schäfers Schmerz Nicht recht bewaffnet wär, Zum Mitleid und Gehör. Mich aber beugt es nicht, So schön er thut und spricht, So weis ich ihn doch fort, Denn ein verliebtes Wort Thut gleich der Galathee In Herz und Ohren weh. Weg mit dem Liebesjoch! Mein Ohr verstopft sich doch Vor allen Lockungsschall; Ich folg der Nachtigall. Das Körnchen, so sie frißt Und von den Hufen liest, Stellt sie sich süsser für, Als alles was man ihr, So gut es immer schmeckt, In ihren Keficht steckt? Wie kann mir besser seyn, Als wenn mir ganz allein Die schön beblümte Trift Lust und Ergetzen stift? Da wo ich in der Näh Die Lämmer gehen seh; Und, weil mein Ohr nichts hört, Das mich durch Winseln stört, Bey sorgenlosem Sinn Vergnügt und einsam bin. Da sitzet Galathee Recht sanft auf Gras und Klee, Und sieht in schönster Ruh Nur ihren Heerden zu. Sie weidet Aug und Brust; Ihr Hector macht ihr Lust; Der, wenn er sich nicht streckt, Sich mit den Ziegen zeckt, Die Böcke schekernd jagt, Bald zwickt, bald anders plagt. Da stellt die ganze Schaar Mir einen Abriß dar, Was ein selbst eigner Geist, Und was die Freyheit heißt. Was nur vier Beine hat, Das springt und hüpft sich satt. Es jauchzt in freyer Luft, Und hasset Schmauch und Duft, So oft es mit Verdruß In Ställe kriechen muß. Verliebte Schäfer, flieht! Die Freyheit, so mich zieht, Verkauft sich nimmermehr. Hofft nur auf kein Gehör! Und zwingt einst Tod und Grab Mir Stock und Freyheit ab, So senkt mich in den Sand, Doch sonder Männer Hand; Dies thät der Galathee Auch noch im Grabe weh.