12. Ode Als die gelehrte Laura Maria Catharina Bassi in Bologna den Doctorhuth erhielt. So still ihr Dichter unsrer Zeit! Seyd ihr auf einmal stumm geworden? Klingt denn gar keine Flöte heut In eurem ganzem Musenorden? Und ihr besonders, die ihr hier In unsrer Linden Lustrevier Die helle Leyer laßt erschallen, Ist euch zum Dichten Sinn und Muth, Lust, Neigung, Lieb und alle Gluth Auf einmal gleich so schnell entfallen? Macht etwan euch des Titans Brand, Der seiner Stralen Macht entdecket, So laß, daß ihr euch an den Strand Der trägen Pleisse schläfrig strecket? Ihr seyd ja sonsten munter gnug, Und fühlt den heissen Trieb und Zug, Die Thöne hell und rein zu zwingen; So bald Minerva nur ein Fest Durch ihre Freunde feyren läßt, Hört man euch ja gar männlich singen. O matte Geister! wißt ihr nicht, Was man, so weit der Ruf nur gehet, Von jenem Wunderbilde spricht, Das Welschlands alten Ruhm erhöhet? Ein jeder Sitz, der Musen nährt, Bewundert dessen hohen Werth, Und wünscht sich selbiges zu kennen: Wo man in der Gelehrten Reich Sich nur bespricht, hört man so gleich Der Weisen Bassi Namen nennen. Dies wißt ihr längst, so gut als wir; Und dennoch stocken eure Flöten, Ihr werdet, hoff ich doch, vor ihr, Und ihren Lorbern nicht erröthen; Zwingt ja das Rohr, damit die Welt Nicht auf den Argwohn einst verfällt, Ob hättet ihr das was geschehen, Von Neid und Misgunst angeflammt, Geschickte Dichter insgesammt, Mit schelen Augen angesehen. Denkt nicht, als müste Pallas nur Vor Männer Ehrenkleider weben. Meynt ihr, euch hätte die Natur Das Recht darzu allein gegeben? Ach weit gefehlt. Wisst ihr denn nicht, Was Seneca von Weibern spricht? Der kann euch euren Stolz benehmen. Befragt nur diesen weisen Greis, Ob nicht ein Frauenzimmer weis Die Männer vielmals zu beschämen? Ja wohl, sie haben nichts voraus: Was fänden wir denn zu beneiden? Der Körper nur, das Seelenhaus, Kann uns von ihnen unterscheiden; Sagt, wie viel Sinne habet ihr? Zählt sie nur selbst: Nicht mehr, als wir. Wohnt Witz in einer Männer Stirne, So hat auch dieser Satz sein Recht: Es steckt dem weiblichen Geschlecht Kein Spinngeweb in dem Gehirne. Geehrtes Mitglied unsrer Schaar, Du beste Zierde unsrer Reihen; Dergleichen Lorbern sind zwar rar, Man sieht sie nicht so häufig streuen; Doch hat vorlängst das Alterthum Zu unserm allgemeinen Ruhm Schon deren Bilder abgerissen, Die sich in der Gelehrten Tracht Zugleich auch weltberühmt gemacht, Und die wir noch verehren müssen. Ich glaub, es hat bey diesem Fest Da man den Lehrstuhl Dir gesetzet Sich der Cassandra Aschenrest Geregt, und sich zugleich ergetzet. Ja, ja, der Gotzadinen Geist Ist diesem Wunder nachgereist, Sein Ebenbild allda zu finden. Und Losa Schatten war nicht weit, Als Pallas Deiner Trefflichkeit Ließ die verdienten Kränze winden. Des Kleeblat stand o Heldinn, Dir Unfehlbar immer für den Augen; Dies konnte deiner Ehrbegier Gewiß zum schönsten Muster taugen. O schöner Neid, der Dich entflammt, Und wirklich von der Tugend stammt! Du trittst nunmehr in jener Orden, Und bist den Wundern jener Welt, Den man dich an die Seite stellt, An Witz und Würde gleich geworden. So hoch sich der Olympus zieht, Der fast die Wolken kann erreichen So muß er doch, wie man itzt sieht, Bologna, deinem Pindus weichen. Der raubet nun durch Famens Schall, Den Preis und Vorzug überall Den Musenhügeln unsrer Erden. Durch Laurens Weisheit, Kunst und Fleiß Wird künftig deiner Mauren Kreis Das Haupt der hohen Schulen werden. Auf! welsche Musen, säumet nicht, Ein Opferlied ihr anzustimmen; Hört ihr nicht, was Apollo spricht? Laßt euer Rauchfaß helle glimmen. Verehrt dies Wunder unsrer Zeit Durch eurer Seiten Lieblichkeit; Brecht Aest und Zweige von den Höhen, Den Weg zum Hörsaal zu bestreun; Es wird einst euer Lorberhayn Dadurch in schönerm Wachsthum stehen. Schmückt ihren Lehrstuhl tief gebückt, Und setzet euch zu ihren Füssen, Der Weisheit Nectar höchst beglückt Von ihren Lippen zu geniessen. Wer Ohren hat, der öffne sie; Und habt ihr einst durch Fleiß und Müh Minervens Heiligthum erstiegen; So sprecht: Der Bassi kluger Kiel, Der uns und aller Welt gefiel, Gab uns die Kraft dahin zu fliegen.