Schäfer-Gedanken bey der Ries- und Wenderischen Hochzeit. Den 21. May 1733. In fremden Namen Dort legte Dorilas den Hirten Stab und Tasche, Mit seiner Wasser-Flasche Ins grüne Gras bey einer Buche nieder, Und faßte sich, damit die müden Glieder Durch Ruhe sich erhohlen möchten. Kurz drauf kam Corydon darzu. Hier fragte Dorylas: Mein Bruder! glaubest du, Was ich dir jetzt bey Hütung dieser Heerde Von meinem Herrn erzehlen werde? Mein Herr, mein Held, Mein Riese ist verliebt, Indem sein Herz der Lisimenen sich ergiebt! Wie? schriee Coridon, Schämst du dich nicht in freyem Feld Und unterm Himmel so zu lügen, Und mich durch diese Post, Die grossen Glauben kost, So zu betrügen! Gedenke mir nichts mehr davon. Nein! nein! Es kan ohnmöglich also seyn, Ein tapfrer Held, ein Großmuths- voller Riese Ist viel zu klug, Daß er sich von der Liebe fesseln liesse. Ich weiß ja, wie er ohne Unterlaß Den Liebes-Banden Nachdrücklich widerstanden. Wie manche Schäferin Sprach oft in ihrem Sinn: Ich will mich um des Helden Gunst bewerben; Und gleichwohl blieb sein Herz Zu ihrem größten Schmerz, Bey allen Liebes-Blicken, Bey Achsel-Klopfen, Hände drücken, Wie Eisen, Stahl und Stein; Und liesse sie in ihrer Sehnsucht sterben. Gewiß, Hat jemahls eine Manns-Person Der Liebe sich entschlagen, So kan man dieß Von meinem Herrn in Wahrheit sagen. Ich, als sein treuer Knecht und Schäfer, Hab, wenn ich meine Heerd bewacht, Oft dran gedacht, Wie viel nur ihm an Waffen und an Degen, An Büchern und an Jagen stets gelegen; Hingegen wolt er nichts von Scherz und Küßen, Und Lieben weder sehn noch wissen. Und ob sich schon in unsrer Nachbarschaft, Die schönsten Nymphen Vernehmen ließen: Sie fürchteten sich nicht vor diesem Riesen, Sie wolten auch bey Tag und Nacht Bey ihm mit viel Vergnügen wohnen. Deswegen schickten sie ihm bunte Kronen, Und suchten alles vor, was nur Ergötzen macht. Jedoch umsonst, Er sprach: Ich liebe nicht! Als einst das Sonnen-Licht Mit sondrer Pracht erschienen, So sah ich in dem Grünen Den Held gegangen kommen. Ich that, als wüst ichs nicht, Doch hab ich lauschend wahrgenommen, Wie er mit einem zarten Messer In einen schlanken Baum Mit leichter Hand geschnitten und geschrieben, Ich will, ich mag, ich kan nicht lieben! Drum halt ich das, was du gesagt, Vor einen Traum. O nein! Was vor Verwunderung nimmt Geist und Sinne ein? Dieß Felsen-Herz ist nun zersprungen, Dieß harte Wort ist nun gebrochen, Es ist mehr allzu wahr, was ich vorhin gesprochen. Die Liebe hat doch endlich durchgedrungen, Dieweil der Riese und der Held in Lisimenens Armen fällt. Nun seh ich offenbar, Daß deine Worte wahr; Du hast mich nicht getäuscht. Ich habe zwar geglaubt, Die Erde würde noch viel ehr In tausend Stück zerfallen, Die Sterne würden in der Luft zerknallen Und sich vom Himmel runter lassen, Als dieses Riesens Hand den Ring der Liebste fassen. Ich sinne hin und her, Drum sage mir: wodurch ist er Auf diesen Sinn gerathen? Ach Lisimenens Jugend, Geschicklichkeit und Tugend Ihr holdes Wesen nebst den Rosen-Wangen, Die haben ihn gefesselt und gefangen. Ja ihr Verstand Bestrickte ihn mit diesem Liebes-Band. Durch einen einzgen Blick, Wich Freyheit, Muth und Kraft zurück. Er war zu schwach der Liebes-Glut, Die in den Stärksten Wunder thut, Zu wiederstreben, Er muste sich gefangen geben. So gehts, wer fast die Lieb verschwört, Der wird von ihr zu allererst bethört. Ja! ja! Die Liebe kan die Helden binden, Und Riesen überwinden; Die Liebe säumt und zaudert nicht, Bis man so Eyd als Schwüre bricht. Wofern er nun das Bäumgen wiederschaut, Dem er das harte Wort vor diesen anvertraut, So wird er nun darunter schreiben: Ich konte ohne Quaal, Die von dem Himmel ausersehne Wahl Mit nichten hintertreiben: Drum habe ich geliebt, Und bin jetzt unbetrübt. Nun sitzt der Held am Hochzeit-Tische Und speißt mit seiner holden Braut, Die ihm der Priester angetraut, Das schönste Wilpret, Fleisch und Fische. Von meiner Heerde nahm er auch ein Lamm darzu. Ich aber, der ich jetzt in Ruh Und kühlen Schatten sitze. Und ich, der ich mich schon auf ein Geschenke spitze, Hör durch die stille Luft, Wie man auf meines Helden Hochzeit-Fest Posaunen bläßt; Ich höre wie der Mund der Gäste ruft: Es leb der Riesen-Held mit seiner Lisimenen, Der Himmel wolle Beyderseits mit Seegen krönen! Deswegen such ich auch Hier unter dieses Baumes Schatten, Nach schuldigsten Gebrauch Dem Neuverlobten Paar Die Hochzeit-Wünsche abzustatten; So viel als Adern in dem Riesen; So viel als Blumen auf den Wiesen; So viel als Gräsgen auf den Feldern; So viel als Blätter in den Wäldern; So viel als meine Schaafe Schritte gehn; So viel als auf den Dörfern Hähner krehn; So viel Vergnügen Lust und Ruh, Deck meinen Held und Lisimenen zu! Drum sprech ich dir die Freuden-Wünsche nach: Dieß Bündniß macht mich herzlich froh, So viel als Thau auf Gras und Kräutern lieget; So viel der Weinstock Augen krieget; So viel wir Stroh Auf unsern Dächern schauen; So viel man Salz Auf diesem Hochzeit-Fest verbraucht; So viel als man Toback in unsrer Gegend schmaucht; So viel als Körngen Malz, Das Kirmiß-Bier zu brauen, Verthan und aufgewendet werden; So vieles Glück und Wohlergehn, Müß um die Neuverlobten stehn!