Die Vogelscheuche »Doch das tote Haupt, Blut- und feuerbedeckt, Wild und drohend dort am Zweig Richtend aufgesteckt, – Lautlos gellt sein Schrei In die heiße Welt des Lichts: Nichts von dem war mein, ›Nichts und ewig Nichts! Sah die Sonne nur Kochend in heißem Hof, Wenn von schwülem Dunst Wie von Gift sie troff. Hier in Lumpen häng' ich, Und ich klage – klage – klage Über meines Lebens Leer und stumpf verbrachte Tage ...‹ Bleicher Kläger du, Toter Richter dort, Auf mein Haupt die Schuld, Schuld an diesem Mord! O, auf unser aller Haupt Fällt dies Menschenblut, Und auf unsrer Seele brennt Deine Todesglut. Düster gellt dein Fluch, Deines Mundes Klage, Mitten in unsres Lebens Goldne Maientage ...« (Julius Hart.) Der Lenzwind stürmt dem Gutshof zu Durch Zeilen schwanker Pappeln Und läßt auf braunem Ackerland Die Vogelscheuche zappeln. Am Pappelwege sitzt ein Strolch; Der knotet an einem Strick Und legt die Schlinge zur Probe Zerrend um sein Genick. »Die hält! Ach wohl, nun kannst du gehn Aus dieser verdammten Welt. Nur schade, daß hier unterm Gurt Noch immer der Hunger bellt! O Schande, mit Bauchweh zu verrecken! Giebt Keiner den letzten Happen? – – Vielleicht ist drüben im Hofe Bei den Knechten was zu erschnappen.« – Und müde humpelt die hungerfahle Dürre Lumpengestalt zum Gutshof, Drängt das Thor behutsam auf, Spähend vorgestreckt den Kopf ... Verdammt! Da steht der Gutsherr, Reitstieflig, zornrot das feiste Gesicht; Er pfeift dem Hunde gellend; Schon rennt das Vieh, die Zähne gefletscht ... Hastig zugeschlagen das Thor! Fort! mit schlotternden Knieen ... Fern hält der Arme zitternd, keuchend, Und schüttelt die Händeknochen: »Warte nur! Was ein Sterbender flucht, Ist nicht in den Wind gesprochen. Ihr Reichen rafft uns alles weg Und freßt es in den Magen, Und wollt uns selbst den Abfall Nicht gönnen zum Benagen?« Wutglotzend, knirschend hastet er Auf braunes Ackerland Zur Vogelscheuche und zerreißt Ihr zundriges Gewand; Dem Holzgerippe zieht er an Den eignen Lumpenrock Und seinen schäbigen Filzhut Stülpt er über den Stock; Und schaut sein Werk mit Grinsen an: »Du dürres Lappenluder, Du gleichst fürwahr mir bis aufs Haar Als wie ein Zwilligsbruder. Das bin ich selbst! Nun kann ich Dem reichen Hunde trotzen Und, wenn mein Leib als Aas verwes't, Die Satten frech beglotzen.« – Am Weg ein greiser Pappelbaum Mit niedrigem Geäst, Der hilft dem Strolch zu sich herauf Und hält die Schlinge fest: »Hinein den Hals, du Menschenkind! Ich will dich treulich henken. Spring ab! Nun mag der tolle Wind Die zuckende Leiche schwenken.« – – – Doch drüben auf dem Ackerland Da flattert des Toten Rock, Schüttelt die schlaffen Arme grimm Und zerrt an seinem Stock; Er möchte würgelustig Zum Hals des Feindes zappeln ... Der Lenzwind aber wächst und heult Bedrohlich in den Pappeln.