Herr Joseph und Frau Potiphar Eine biblische Romanze Lieblich zu lesen Als dazumal Herr Potiphar Im schönen Land Ägypten Noch königlicher Kämmrer war: Da bot man den betrübten, Den Joseph, ihm als Sklave an Und kam nach vielem Schwatzen Drin überein, der fremde Mann Sei wert ein Zwanzig Batzen. Und Potiphar war schlau genung, Ihn balde zu erstehen, Denn schön war Joseph, rasch und jung Und freundlich anzusehen. »Du sollst«, so sprach der Kämmerling, »In meinem Haus regieren Ob Brot und Fleisch und ander Ding Und mir die Wirtschaft führen.« Und übel war's nicht, was er tat. Es folgte aller Wegen Dem jungen Joseph früh und spat Nur Gottes eitler Segen. Er war beliebt bei seinem Herrn Wie bei der gnäd'gen Frauen, Und wie man sagt, sie mochte gern Den Judenjungen schauen. Er war so frisch, er war so rot, Er hatte schlanke Glieder. Sie schlug, wenn guten Tag er bot, Auch stets die Augen nieder; Und träumrisch sah man oft sie gehn Am schönen Nilesstrande, Allwo die Pyramiden stehn – Kirchtürme jener Lande. Wenn drauf der kühle Nachttau fiel Auf Palmen und auf Tannen Und Vogel Strauß und Krokodil Ihr Abendlied begannen: Da setzte sich die Königin, Geschmückt mit goldnen Franzen, An ein idyllisch Plätzchen hin Und dichtete Romanzen. Von Liebe sang sie, das ist wahr, Von Rosen und von Küssen, Von schwarzen Augen, lock'gem Haar, In glühenden Ergüssen. Den Redakteur des Wochenblatts Ließ morgens sie zitieren, Der mußte den poet'schen Schatz In Eile publizieren. Doch wie's der Liebe wundersam Im Leben pflegt zu gehen, Der Joseph wollte ihren Gram Noch immer nicht verstehen. Von Liebe lag sein Herz so fern Wie Rom von Flachsenfingen, Auch wollte er den gnäd'gen Herrn Nicht gern in Schande bringen. Da tobte die Ägypterin, Sie rang die weißen Hände. Schwarz flutete ihr Haupthaar hin, Und los um Brust und Lende Flog wild ihr purpurnes Gewand – So trat sie liebedürstend Herein, wo unser Joseph stand, Den Sonntagsrock sich bürstend. Das Auge Glut, die Lippe Brand, Die Wangen wie im Fieber, Wie eine Bombe hergesandt Aus größestem Kaliber. Im Wonnerausch zu Füßen sank Sie Jakobs edlem Sohne, Und ächzend ihre Stimme klang: »Bei Gott, du bist nicht ohne! Sei mir gegrüßt! Ich liebe dich, Du bräunlicher Hebräer. O sieh mich an, sieh her und sprich: Kann Dichter oder Seher Ein schöner Weib im Traume sehn, Als du zu deinen Füßen Sich winden siehst mit brünst'gem Flehn Um deinen Kuß, den süßen? Sieh meine Schultern weiß und rund Von dunklem Haar umflossen; Sieh wie die Ros auf meinen Mund All ihren Glanz ergossen, Wie diese Brust sich wallend hebt, Von Tränen sanft befeuchtet, Wie dir mein Herz entgegenbebt, Wie dir mein Auge leuchtet! Mein Lied erklingt so sehnsuchtschwer Wie Murmeln einer Quelle; Ich eile flüchtiger daher Als Panther und Gazelle. Und wilder meine Küsse glühn Als Sonn- und Wettergluten, Wenn zischend sie herniedersprühn Und durch die Wolken fluten. Ich wiege dich an meiner Brust Zu wundersamen Träumen; Ich lasse dir zu höchster Lust Den vollen Becher schäumen; Und rollt dein Blut und pocht dein Herz In immer wildern Schlägen: Sanft will ich dann den süßen Schmerz Mit neuen Küssen pflegen!« So sprach Madame Potiphar Und konnt ihn nicht erweichen. Der Stockphilister Joseph war Ein Esel sondergleichen. Er schritt wohl auf die Hausvogtei Und hat sich sehr verwundert: Wie alsosehr verderbet sei Sein lasterhaft Jahrhundert.