19. Gott grüß dich, alte Schenke, Mit deinem runden Schild! O gib ein gut Getränke, Das meinen Kummer stillt. O gib vom selben Weine, den ich in Lust und Not Wohl trank beim Abendscheine Mit Freunden, die nun tot. Da draußen stand die Erle Und schlug ans Fenster leis; Hier innen stieg die Perle Im Glase silberweiß. Und ringsumher Gesichter, So lieb und wohlbekannt: Der alte Friedensrichter Saß oben an der Wand In rotgeblümter Weste – Ich mein, ich säh ihn noch, Wenn er die andren Gäste So fürchterlich belog, Wenn er vom letzten Kriege Erzählte wie ein Buch Und fluchend nach 'ner Fliege Mit beiden Fäusten schlug. Ganz nah an seiner Seite, Die Brille auf der Nas, Der wunderbar gescheite Magister loci saß. In Heidelberg studiert' er Philosophie und Jus, Und sonderlich zitiert' er Den Jobs und Tacitus. Es lärmt' und schrie so heiser Der dünne Advokat, Die Kön'ge und die Kaiser In Acht und Bann er tat. Mit seinem Ziegenhainer Hätt er sie gern entthront, Auch hat den Nierensteiner Er nimmermehr geschont. Er trank – nur einer fand sich, Der schärfer trank als er: Trank er der Schoppen zwanzig – Der Küster trank noch mehr! Mit würdevollen Mienen Sah er ins Glas hinein, Wie Schimmer von Rubinen War seiner Wangen Schein, Und seine Stimme tönte So schauerlichen Baß, Als ob im Keller dröhnte Ein altes Mutterfaß, Als ob die Orgeln brummten In aller Christenheit – Wir staunten und verstummten Für eine lange Zeit. Und jedem Herzen bangte, Bis daß der Musikant Die braune Geige langte Hernieder von der Wand. Er strich die glatten Saiten, Er strich sie hell und rein; Wir täten ihn begleiten Mit einem Chorus fein. So war es einst! – Gekommen Ist nun der Winter kalt, Hat Blum' und Blut genommen Aus Wiesen, Berg und Wald. Verschwunden und vergessen Sind, ach, für immerdar, Die fröhlich hier gesessen Manch langes liebes Jahr; Die einst in Lust geschwommen Und großer Freudigkeit, Wenn da ins Land gekommen Die Krammetsvögelzeit; Die im gewölbten Saale Erhuben Klang und Sang, Wenn man zum ersten Male Den neuen Weißen trank; Die sich zusammenfanden An Sankt Martini Tag, Wenn man in allen Landen Die Gans zu essen pflag; Die nie nach Hause kamen, Als wenn sie still entzückt Und auch in Gottes Namen Einen Rausch darauf gedrückt. Was mag es doch bedeuten, Mein Herz ist so voll Gram? Die Abendglocken läuten Da draußen wundersam. Ich sah den Mond erscheinen, Der durch die Wolken bricht, Und weiß nicht, soll ich weinen, Oder wein ich lieber nicht? Drum hurtig zugegossen! Ein überschäumend Glas: Den seligen Genossen, Euch Toten bring ich das! Bis in die Gräber rauschet Wohl dieser volle Klang: Ihr fahrt empor und lauschet Und winket: »Habe Dank!«