Die dreiundneunzigste Fabel. Vom Wolfe und hungerigen Hund. Bei einem reichen bauren war Ein hund, der het gar manches jar Treulich gedient stets unverdroßen, Doch het er des nit vil genoßen; Das macht, sein herr war wunderkarg, Das brot stets vor dem hund verbarg, Entzohe im sein gebürlich speis, Wie denn ist aller kargen weis, Die eim die bißen zeln in mund. Darab so ward derselbig hund So dürr, onmecht und also mager, Daß er auch kaum aus seinem lager Für großer schwachheit kunt aufsten Und mit dem viehe zu felde gen. Ein alter wolf dasselb ersach, Kam bei den hund und zu im sprach: »Lieber bruder, wie gets doch zu? Ich weiß, du lebst in guter ru Und hast ein guten, frommen herren, Der dich auch reichlich kan erneren, Bist doch so mager und so mat, Als äßestu dich nimmer sat, Kanst dich vor onmacht kaum bewegen: Wer gnug, du hetst am fieber glegen.« Da sprach der hund: »Ach lieber gsell, Es ist kein ander ungefell, Das mich so mägert und verseucht, Denn daß man mir das brot entzeucht. Zu geben ist mein herr so herb, Seinr kargheit halb schier hungers sterb.« Der wolf sprach: »Wenn du folgen woltst, Ich wolt dich leren, daß du soltst Bald werden gar vil baß gespeist Und wurdest stark, glat, frech und feißt. Drumb folg nur jetzund meinem rat. Dein herr vil guter lemmer hat, So wil ich morgen frü hinstreichen, Vorm holz derselben eins erreichen Und laufen nach dem busch so gach. Wenn du das sihst, so folg mir nach, Als ob du mirs woltst nemen wider, Und fall auf halbem weg darnider; Darnach stee langsam wider auf: Ein schrit, zwen, drei, nit weiter lauf, Fall wider nider wie zuvorn. Wenn solchs die schäfer sehn und hörn, Bald werden sies irm herren klagen Und im daneben ernstlich sagen, Daß er dich nachmals feißter speis Und deiner pfleg mit größerm fleiß.« Der hund bewilligt zu den sachen. Der wolf tet sich zun schafen machen, Ein feißtes lamb daselb ergriff. Das sahe der hund, bald nachhin lief, Und stürzt nider auf halbem weg, Als ob er wer vor hunger treg. Zum lauf sich wider wolt begeben; Da kunt er sich gar nit erheben, Dieweil der wolf von dannen eilt. Der schäfer sprach: »Dem hund nichts eilt, Denn daß er nit gut bißlin nascht, Sonst het er wol den wolf erhascht.« Lief heim und sprach zu seinem herren: »Wenn sich der hund möcht weidlich neren Mit feißten suppen, fleisch und brot, So hets umb unser schaf kein not.« Und sagt im alles, was geschehen, Was er vom hund und wolf gesehen. Der herr ward zornig, sprach zu stund: »Macht bald ein suppen disem hund Von weichem brot, fleisch gnug dazu, All abent spet und morgens fru, Daß er sich weidlich mög aufkröpfen Und seine sterke wider schöpfen, Daß er den wolf ein ander mal Erwürg, die lemmer widerhol.« Da tet man in bald baß versorgen All mittags, abents und all morgen Mit brü und fleisch, brot und gemüs: Das tet im wol und schmeckt im süß. Da gwan er bald ein feißten kropf Und ward fein glat umb seinen kopf. Darnach sichs bgab über etlich tag, Beim vieh vor jenem holze lag; Der wolf kam wider gschlichen her, Sprach: »Grüß dich, bruder! Ei wie ser Hastu in kurzer zeit zugnummen, Gott geb, daß dirs muß wol bekummen.« Da sprach der hund: »Dein unterricht Hat wol geholfen, wie man sicht.« Da sprach der wolf: »Hör, was du tust; In disem mir auch folgen must. Ich kum heut wider zu der herd Und nem ein scheflin on geferd; So lauf mir nach in aller moß Gleich wie zuvorn, und in mich stoß, Als ob du mich woltst gar auffreßen: Doch wöltst deinr ere nit vergeßen, Sondern fall nider in den staub Und welzer dich ein weil im laub, Als ob dich nit erholen küntst Und nit fest auf den füßen stündst. Draus wird folgen, daß man dich balt Mit speis noch baß in eren halt, Denn noch bißher geschehen ist. Denn wird mein ler und große list Bestetigt und fein bracht in brauch Für deinen und für meinen bauch.« Der hund, wiewol vorm herrn sich forcht, Jedoch dem wolf hierin gehorcht, Tet noch das mal, wie er in hieß, Und noch ein scheflin nemen ließ. Da solchs dem herrn ward angesagt Und heftig übern wolf geklagt, Da sprach er bald zu allem gsind: »Seht zu, daß ich fürbaß nit find, Daß ir dem hund ichts laßt gebrechen, Sonst werd ichs gröblich an euch rechen. Denn ich achts beßer, daß der hund Gespeist, daß er werd stark und gsund, Daß er den wolf mög übermannen, Denn daß mans im so eng solt spannen Mit eßen, trinken, ru und schlafen; Das geb mir nachteil an den schafen.« Und sprach: »Hat er an eim pfund fleisch Nit gnug zumol, daß er mer heisch, So gebt im mer, und das gesotten, Sei schweinen oder kelbern broten.« Dem gschahe also; da gewan der schalk Ein dicken, feißten, glatten balk, In all sein glidern ward gesterkt. Da solchs der wolf nun aber merkt, Er kam und rümt sich seiner kunst, Damit er mocht noch größer gunst Bei im erlangen und mer freuntschaft, Und sprach: »Hab großen nutz geschafft Und dich zu hohem glück erhaben, Beger doch keine große gaben Dafür, denn daß du jetzund dich Erzeigest dankbar gegen mich. Mit einem schaf nur werd vergolten; Damit soltu sein loß gescholten.« Da sprach der hund: »Es hat kein fug; Vor deine kunst hast mer denn gnug, Zwei lemmer habens schon bezalt: Damit dich meiner schaf enthalt. Treibstu darüber ungefug, So sihe dich für, damit seis gnug!« Der wolf sprach: »Lieber, laß geschehen, Wöllst noch einst durch die finger sehen, Daß ich meinr kunst auch müg genießen, Und laß mich dißmal ungebißen.« Er sprach: »Ich wil dir han geroten, Laß dir die schaf nur sein verboten! Rat nit, daß du mer in sie tritst. Doch weil du mich so fleißig bitst, So geb ich dir ein guten rat. Mein herr ein speisekamer hat, Drin er all barschaft pflegt zu halten, Daselben ist die wand zuspalten; Daniden ist ein fach zubrochen: Da wer wol leichtlich nein gekrochen. Gelüst dich des, so gee hinein, Du solt vor mir wol sicher sein, Denn mir ist kein befelh getan, Daß ich darauf solt achtung han. Wenn ich nur halt die herd in acht, So hab ich mein beruf vollbracht.« Der wolf nach seinem rate tet, Lief hin denselben abent spet, Kreucht nein im finstern in der still, Und findt als, was er haben wil, Was zeßen und zu trinken tocht, Felt nichts, denn was der wolf nit mocht; Fraß würst, fleisch und vil guter kost, Trank wein und guten süßen most. Da er sich nun het frölich gmacht Schier hin biß umb die mitternacht, Der wein stieg im hinauf ins ghirn, Ward rot und heiß vor seiner stirn. Er schlug vom herzen alles trauren Und sprach: »Hab oft gehört von bauren, Wenn sie dort sitzen bei dem wein, Daß sie singen und frölich sein.« Hub auf sein stimm, gar frölich sang, So laut, daß in dem haus erklang. Davon erwacht das hausgesind. Mit großen knütteln all geschwind Liefens und stießen auf die kamer. Da kam der wolf in großen jamer: Im ward zerbert sein wolfeshaut, Daß er schrei zeter überlaut. Das loch kunt er kaum wider finden, Er spie, beschiß sich vorn und hinden; Mit großem schmerzen kaum entran: Jedoch kam er endlich davon. Der hund mit seinem kargen herren Zeigt uns fein an und tut uns leren, Daß, wen der geiz so hart anficht, Daß er seim eigen gsind abbricht, Entzeuht das brot, welchs in gebürt, Sich selbs dadurch in schaden fürt. Denn der art sein all mägd und knecht, Entzeuht man in ir gbürlich recht Und wegert in das teglich brot, So zwingt sie bald zu stelen die not; Eins hie, das ander da austregt, Nemens, da sies nit han gelegt, Machen aus einem schaden zwen, Vor böses lan ein ergers gen. Denn so schaffts Gott stets mit den argen, Was sie mit schinden, schaben, kargen An iren dienstboten ersparn, Das muß doch als zum teufel farn; Wies kumt, so gets auch wider hin, Eitel verlust und kein gewin. Jacob dient Laban zwenzig jar Mit treu und frummen herzen zwar, Daß er seinthalben ward gar reich; Doch teilet er mit im ungleich, Sein lon im zehen mal verwandelt Und gar unfreundlich mit im handelt. Jedoch schickt Gott die sach des fugs, Daß Labans gut an Jacob wuchs. Der wolf uns auch anzeigen tut, Daß schedlich sei und ist nit gut, Wo einr im nit wil laßen gnügen An dem, was im Gott tut zufügen. Wenn er vor sein müe und verdrieß Bekummen mag ein ziemlich gnieß Und gnügt denn nit, bald weiter fert, Sucht das, welchs im ist nit beschert, Denn gschichts, daß er sich selber schmitz Und bei dem stul darnider sitz. Daß auch der wolf dort in der kamer Nit denkt auf zukünftigen jamer, Die trunkenheit und voller saus Zeuht im all forcht und sorgen aus, Setzt sich in leibs und lebens far, Drüber muß laßen haut und har. Dadurch uns werden fein bedeut Die tollen, rohen, frechen leut, Welch, wenns kommen zu guten tagen, (Ist nit zu singen noch zu sagen) Leben on alle gottesforcht; Keiner keim guten rat gehorcht, Wie der poet davon auch schreibt. »Das glück«, spricht er, »all menschen treibt Zur hoffart und darin verblendt, Daß sich oft einer selb nit kennt. Draus folgt zuletst nur eitel schad, Groß armut und das reuelbad.« Wenn den esel das futter sticht, Tanzt hin aufs eis, ein bein zerbricht.