Die elfte Fabel. Vom Raben und Fuchsen. Es saß ein rab auf einem ast, Der het ein großen käs gefaßt: Da hielt er sich gar prechtig mit, Gerad als het sonst niemand nit. Das sah ein fuchs auf jenem berg; Er lief hin zu im überzwerg Und fuchsschwenzt underm baum daher Und rief hinauf: »Gott grüß euch, herr!« Der rappe sprach: »Wer grüßet mich?« Der fuchs sprach: »Herre, das bin ich! Ich hab euch lang gelaufen nach, Biß ich euch jetzt erst hie ersach; Gedacht, ich wolt euch zeigen an, Was von euch helt der gmeine man.« Der rappe sprach: »Trit zuher baß; Ach lieber, sag mir, was ist das?« Der fuchs sprach: »Ich hab ee gehort Von euren feinden lesterwort, Ir wert ein böses tier so frech Und gar vil schwerzer denn das pech. Da saßen ander leute bei, Die widersprachen das gar frei. Denselben stellt ich glauben dar, Befind auch jetzt, daß nicht sei war. Ir seid vil weißer denn der schnee. Daß in ein böses jar ange! Es ist ein bub in seiner heut, Der solch lügen bringt under die leut. Sichtiglich jetzt befunden han, Daß ir seind schöner denn der schwan. Es ist kein vogel auf der erden, Der euch an schöne vergleicht mög werden; Und wer eur stimm den federn gleich, Wolt ich bekennen offentleich, Wie daß der rapp gar billich wer Aller vögel könig und herr. Wenn ich euch nur ein mal hört singen, So wer gut rat zu disen dingen.« Der rapp erhub sich diser red; Den schnabel er gar weit auftet, Ein lied zu singen sich begab. Bald fiel der käs vom baum hinab: Der listig fuchs des scherzes lacht, Daß er den rappen zum narrn gemacht, Erwüscht den käs und lief zu loch. Der rapp sah jemerlich hinnoch, Er schemt sich ser und flog hindan: Den spott must er zum schaden han. Es ist mannich mensch in der welt, Der so vil von im selber helt, So lobgeizig in seinem mut, Daß im oft selber schaden tut, Daß, wenn man im ein loblied singt, Vor freuden im sein herz aufspringt. Wenn solchs die schmeichler werden gwar, So findens sich mit haufen dar, Schmieren ims maul, wie sie denn pflegen, So lang sie sein genießen mögen. Wo man das schmeicheln in nicht gan, Irs liebkosens sich nicht nimt an, Stet fest und leßt sich nicht beweichen Ir federlesen und flaumenstreichen, Da schleicht der schmeichler weg verholen, Als ob er het ein kamm gestolen. Wer aber ein solch narrfex ist, Leßt im gefallen der schmeichler list, Dem get es wie dem schwarzen rappen, Mit schand muß tragen dnarrenkappen, Die im der schmeichler tut anschneiden. Zu letst, wenn ers denn gern wolt meiden Und wirds im fülen überdroßen, Daß jener sein hat zvil genoßen, So hat der schmeichler den gewin, Spott sein darzu und fert dahin; Wenn der denn merkt den list und trug, So wird er zletst mit schaden klug.