Die einundneunzigste Fabel. Von dem Nußbaum. Als ein weib redt ein nußbaum an, Den sie fand bei dem wege stan, Sprach sie: »Wöllest mich recht bedeuten, Hie stestu allzeit vor den leuten, Die dich all tag mit steinen rüttlen, Mit stangen schlagen und mit knüttlen, Und je du ofterst wirdst geschlagen, Dest beßer frucht tust järlich tragen, Des sommers hengst der nußen voll. Mich wundert, daß du bist so toll, Daß du den leuten tust so gut; Fürwar, ich het nit solchen mut.« Da hub der nußbaum an und lacht, Sprach: »Frau, wißt ir nit, was das macht? Es ist ein alt gemein sprichwort, Welchs ir villeicht wol e gehort: Man sagt, zart frau, daß ich und ir Und der esel, des müllers tier, Tun ungeschlagen nimmer gut, Gott geb, was er man uns sunst tut. Nach dem sprichwort tu ich mich richten Und gib die frücht aus rechten pflichten: Desgleichen sollet ir auch schaffen, Daß wirs sprichwort nit lügen strafen.« Der nußbaum hie die warheit sagt. Denn es komt oft, daß einer fragt Nach dem weg, den er selb wol weiß, Der wird bericht, daß im der schweiß Vor großen engsten möcht ausbrechen. Denn tut in sein gewißen stechen Und zeigt im an sein eignen feil. So trifft die fabel auch zum teil Die bösen weiber, sie sich schemen, Kein schleg für wort an bzalung nemen, Mit dem schwert in der waffel quatschen, So kriegt die scheid ein maultatschen.