Die sechzigste Fabel. Von einem Kleusener. Die erfarnheit lert jederman, Wies der natur ist angetan, Daß sie bei paren komen zamen, Sich meren müßen und besamen, Alles, was underm himmel lebt; Und wer demselben widerstrebt, Der widerstrebt Gotts ordenung, Die er setzt über alt und jung. Wer sich davon absondern wil, Derselb entpfindt oft unglücks vil Und bringt sich selb in ungemach, Wie einst eim jungen gsellen gschach. Der gab sich jung in ein waldkloster: Daselben war es selten ostern, Und zimt mit keuschheit seinen leib, Daß er noch sahe noch rürt kein weib. Wolt so sein zeit zubringen gar. Er kam ins fünf und zwenzigst jar, Daß er biß an die selbig zeit Von solcher sünd sich het gefreit. Da hubs an und in hart anfacht Seins vatters unglück tag und nacht, Daß er dafür kein rue nit het, So krank ward, daß er lag zu bett. Man sahe, daß nicht die krankheit scherzt. Da wurden gfordert gute erzt, Von seinen freunden fleißig gbeten, Daß nach vermög den kranken retten, Brauchten, was sie hetten erfarn, Sie wolten dran kein gelt nicht sparn. Die erzte sprachen: »Er hat den geil: Es hilft kein kraut für disen feil, Denn daß man heimlich kommen hieß Ein frau, die im ein ader ließ.« Er sprach: »Ee ich ein weib einlaß, Solt mir auch nimmer werden baß, Daß sie mir meinen leib anrür, Den tot kies ich lieber dafür.« Zuletst mit bitt ward überwunden Von den freunden, die umb in stunden; Auch daß er retten möcht das leben, Tet sich zuletst darin begeben. Da ward im auf dieselbig nacht Ein junge frau hinein gebracht. Da schlief er süß in irem schoß, Daß ir beid knie auch wurden bloß. Wie er erwacht und morgens tagt, Mit weinen er sein kummer klagt, Für schmerzen so vil zäher floßen, Daß im sein angsicht naß begoßen, So milt, als ob es wer geharmt, Das all sein freund gar ser erbarmt, Sprachen, er solt laßen die zähr, Sich nicht bekümmern all zu ser, Denn Gott wer gnedig, auch wol wust, Daß er daran gesucht kein lust: Allein von seinr krankheit zu gnesen, Het er ein solche metten glesen. Da sprach der gsell: »Ach nein! ach nein! Dasselb ich warlich nicht bewein, Sondern daß ich ein junger knab, Und doch nicht e geschmecket hab Solch große freud und süßigkeit, Das bwein ich jetzt und ist mir leid.« Ja wenn ein mensch verbieten wolt, Daß im winter nit schneien solt, Und daß im meien nit solt floren, Der wer ein narr für allen toren. Und der ein rappen weiß wolt baden, Tut unnütz arbeit auf sich laden. Wenn man wil die natur verbieten, So tut sie zweimal serer wüten: Verlorn ists: art leßt nicht von art, Lang fasten ist nicht brot gespart.