Die siebente Fabel. Vom Adlar und Küniglin. Wie des adlers gewonheit ist, Het auf eim hohen baum genist; Ein küniglin bald überzwerg Het auch sein nest im holen berg. Der adlar kam mit list darhinder Und stal dem armen tier sein kinder, Brachts seinen jungen in sein nest. Das küniglin want für das best Und sprach: »Herr könig, seid ir bider, Gebt mir doch meine kinder wider.« Die bitt veracht der adlar trutzlich, Zerriß vor seinen augen plutzlich Und gabs seinen jungen zu freßen. Des kunt das tierlin nit vergeßen; Dorft im nicht hönlich widersprechen, Gedacht sich doch an im zu rechen. Dem baum, darauf sein kinder lagen, Gunt es die wurzel ab zu nagen Und allenthalben undergraben. Bald ward er von dem wind erhaben, Vom großen storm zum fall gezwungen. Da fieln dem adlar seine jungen Und blieben auf der erd beligen, Denn sie da noch nicht konten fliegen. Vom adlar hetten keinen schutz; Das war dem fuchs ein guter schmutz. Das tierlin sprach: »Herr arn, eur bochen Hab ich jetzt gnug an euch gerochen.« Wers glück ergreift zu rechten zeiten, Dem fellts zu gut auf seine seiten; Und leit allzeit nicht an der sterken, Klein leut, die tun oft große werken; Kleiner leut halb von alten jarn Ist nie kein große schlacht verlorn. Der klein David gefellet hat Den großen risen Goliath. Ein kleiner stein stürzt wol ein wagen, Der dreißig centner kan ertragen.