Die vierundachtzigste Fabel. Von der Ameisen und Heuschreken. Ein ameis in dem winter kalt Under eim baum hat iren enthalt Und in der erd ein loch gemacht, Darin sie het zusamen bracht Von gersten, weizen manchen kern, Damit sie möcht des hungers wern. Da kam ein heuschreck oder grillen, Bat die ameis umb Gottes willen, Daß sie ir wolt ein körnlin geben, Der hunger brecht sie sonst umbs leben; Der hunger und der winter kalt Beengsten sie gar manichfalt, Und sprach:»Wegerstu mir das korn, Vor hunger hab ichs leben verlorn.« Die ameis sahe da iren jammer, Sprach: »Was hastu getan im sommer, Im sommer umb sanct Jacobs tag, Da man das korn zu schneiden pflag? Im Augst soltstu dich han versorgen, So dürfts von mir kein korn jetzt borgen.« Sie sprach: »Ich hab den sommer lang Auch nit hinbracht mit müßiggang: Da saß ich teglich in dem korn, Da die schnitter bei einander warn, Ich sang in vor den ganzen tag, Damit ich in der kurzweil pflag.« Da hub die ameis an und lacht: »Hastu den sommer also hin bracht Mit kurzweil und mit lieder singen, So magstu jetzund auch wol springen Und machen dir mit tanzen warm: Des faulen ich mich nit erbarm.« Des sommers solln wir fleißig werben, Daß wir nicht mögen hungers sterben Im winter, in der harten zeit, Wenn all ding tot, gefroren leit; Das ist, wir sollen in der jugent Streben nach künsten und nach tugent; Denn gelt und gut ist farende hab, Und mit dem glück gets auf und ab. Kunst, weisheit ist zu tragen wol, Man gibt davon auch keinen zoll, Du kansts im busen wol verhelen, Dir könnens auch die dieb nicht stelen. Drumb fleiß dich jung der kunst und witzen, Die mögen dir im alter nützen Und dich in aller not erhalten, Wenn du der sachen Gott lest walten.