Die zweiundachtzigste Fabel. Von der Eichen und dem Ror. Im wald da stund ein alte eichen, Tet weit über ander beum ausreichen; Sie war gewachsen groß und feste, Het gar vil harter, knorrechter äste, Drauf sich der baum gar ser verließ, Aus hoffart sich gar hoch aufblies Und redt ein ror gar trotzig an, Sprach: »Bistu nun ein beherzter man, So tritt hervor auf disen platz Und leg dich mit mir in den hatz, Auf daß es klar komm an den tag, Was du und ich an sterk vermag.« Das ror vernam des baumes pracht, Wie er sich rümt und gscheftig macht, Und sprach: »Fürwar, dein trotzig pral Ficht mich nicht an ganz überal; Ich achts gering, darumb ich mich Jetzund vorwar nicht reib an dich; Denn ich wol weiß, daß du bist groß, Ich bin vorwar nicht dein genoß. Ich schem mich nicht meins unvermögen, Wiewol ich mich kan baß bewegen, Auf alle seiten dem wind entweichen; Wenn du vor großem sturm must streichen, Und dich das wetter schleht zu drümmern, So laß ich mich des nichtes kümmern Und lach, wenns dir wird übel gan, Und bleib vor allem wind bestan.« Die fabel zeigt, daß sich die großen Und starken vil bedunken laßen, Verachten auch die klein daneben, Gedenken nicht, daß Gott hat geben Dem gringen oftmals große gnad, Daß er unglück zu meiden hat, Dieweil der große komt zu schaden, Des er sich nimmer kan entladen. Die großen krieger gmeinlich werden Durch krieg genomen von der erden, Und die vil schlachten haben tan, Die seind in schlachten undergan. Wer biegen kan auf alle seiten Gegen all unfell, die an in reiten, Antwort mit schweigen auf ir bochen: Der hat sich gnug an in gerochen.