Die neunundfunfzigste Fabel. Vom Fuchs und dem Adler. Als ein fuchs sein jungen erzoch Vor jenem berg in einem loch, Ein kleines füchslin wolt gen spielen Hinaus ins feld vor jener hülen. Des ward auf jenem berg gewar Ein großer alter adelar, Schoß bald hinab in einem flug. Mit klauen hart das füchslin bschlug, Furts auf ein baum; gar laut es rief. Der alte fuchs bald ausher lief, Er rief im nach und sprach: »Herr arn, Ich bitt, laßt meine kinder farn Und haltets mit mir nachbeurlich, E wider euch erzörne ich.« Der adler sprach: »Ich laß nicht leben, Wils meinen kindern zeßen geben.« Der fuchs lief, sucht, biß daß er findt Einen schaub stro, beim feur anzündt, Stieg auf den baum dem adler nach, Sein jungen warn dort oben hoch All bei einander in eim nest. Der fuchs sprach: »Ich sihs an fürs best, Verbrenn euch all mit disem schaub: Das solt ir haben für eurn raub. Ja, umb ein pfund dörft ich wol wetten, Eur leben werdet ir nicht retten.« Alsbald der adler das ersach, Er sprach: »Herr Reinolt, tut gemach! Ich bitt, verschont meinr armen kind. Das füchslin sich bald wider findt, Welchs ich euch jetzund han genommen, Sol unbeschedigt wider kommen.« Bei dem adler werden bedeut Die künen, frechen, bösen leut; Aber der fuchs tut zeigen an Die armen schwachen undertan, Welche die reichen großen hansen Mit gwalt und frevel tun verbansen. Denn solchs ist gemein bei den reichen, Wo sie die armen mögen erschleichen, So muß der arme allzeit mügen. Zu zeiten tuts auch Gott wol fügen, Daß von dem schwachen wird gefellt, Der sich tyrannisch hat gestellt. Des man zu eim exempel hat Den großen risen Goliath, Des hohmut stürzt David, der klein, Aus seiner schleuder mit eim stein.