Die fünfte Fabel. Vom Geizigen und Neidigen. Ein geizig und ein neidiger Baten zugleich den Jupiter, Daß er in wolt nach irem willen Gnediglich ire bitt erfüllen Und jedem einen Wunsch verleihen, Denselben im laßen gedeihen. Jupiter schickt den gott Apollo, Des warn die beiden bitter fro, Sprach: »Jupiter wil eure bitt Auch unerhöret laßen nit: Drumb wünscht, was euer herz begert, Des solt ir werden jetzt gewert Mit dem beding, nun merket mich, Daß, was ein jeder wünscht für sich Zu seinem eigen nutz und frommen, Das sol dem andern zwifach kommen.« Der geizig sich da lang bedacht, Wie er den wunsch zum besten macht, Zehen tausent gülden wünschen tet, Bald sie der ander zwifach het. Da ward der neidig fro von herzen Und sprach: »Ich sihe, es ist kein scherzen Mit disem wunsch; ich muß auch welen, Nit lenger meinen wunsch verhelen«, Und wünscht aus rechtem neid daher, Daß im selber ein aug aus wer. Da fiel im aus ein aug geschwind: Der geizig ward an beiden blind. Mit neid der neidig tet verschulden, Daß im der geizig wünscht vil gülden. Zwei schendlich laster geiz und neid, Und sind zu meiden allezeit. Wer kan den geizigen erfüllen Oder im den gelthunger stillen? Je mer er hat, je mer begert, Doch füllt in zletst ein hand voll erd, Damit sich muß zu frieden geben; Denn hilft in nit diß geizig leben. Noch ists ein vil schedlicher gast, Der sein nehsten vergebens haßt, Im selber oftmals schaden tut, Daß er seinen neidigen mut An einem andern rechen müg Und im aus haß schaden zufüg. Doch wie die gmeinen leuft uns lern, Trifft untreu gern irn eignen herrn.