Die achtundneunzigste Fabel. Vom Igel und der Schlangen. Gewislich het der igel vernomen, Daß der winter wurd balde komen; Umb ein gut herberg er im dacht. Da er für kelte bleiben mocht. Kam zu der schlangen für ir loch, Bat sie umb Gotts willen, daß sie doch Im nur dieselbig nacht wolt günnen, Daß er bei ir möcht hausen dinnen. Sie sprach: »Wir haben beid nit raum, Kan mich allein behelfen kaum.« Er sprach: »Ich wil mich gar wol schicken, Heimlich in einen winkel drücken Und halten wie ein frommer gast: Meinthalb solt han kein überlast.« Sie ließ in zu sich in die ritzen: Da gunt er all sein borsten spitzen, Legt sich in weg recht überzwer Und walzet sich nun hin und her; Mit den bürsten die schlangen stach, Tet ir vil leit und ungemach. Die schlang gunt im mit worten schmeichen, Bat freundlich, daß er ir wolt weichen, Und sprach: »Es ist uns beid zu klein, Ich bhelf mich hinnen kaum allein.« Er sprach: »Wer sich nicht hie kan leiden, Der gee hinaus, daß wir uns scheiden.« Da grau die schlang, was sie het tan; Sie macht sich auf und zohe davon. Das laster wird gar oft gescholten, Das gut mit bösem wird vergolten, Denn es ist überschwenklich groß, Und ist der untreu keine moß. Darumb das sprichwort immer bleibt: Ein böser gast den wirt austreibt.