Die siebzehnte Fabel. Vom Ochsen und dem Kalb. Ein starken ochsen het ein baur, Dem legt er auf vil arbeit saur: Teglich das joch am halse trug, Damit spannt er in für den pflug. Da war ein kalb gar ungelachsen, Welchs bei dem ochsen auferwachsen, Das het kein arbeit nie getan, Bei vollem bauch tets müßig gan. Das sahe den alten ochsen zwar Mit arbeit underdrücket gar Und sprach zu im: »Du alter tor, Du hast dich übel gsehen vor, Das unglück tut dich überwinden, Beim baurn magstu kein gnad nit finden, Das joch must all dein lebtag tragen, Davon weiß ich gar nichts zu sagen: Mit Müßiggang an jener heid Such ich mit lüsten meine weid. Dazu bist dünn, mager und rauch, Für hunger schlottert dir der bauch, Dagegen bin ich glat und feißt, Mein wollust mich zu springen reizt. Dazu hat mich das glück erkorn, Zur seligen zeit bin ich geborn.« Da sprach der ochs: »Ich muß bekennen, Glückselig darf ich mich nit nennen, Ich muß annemen also für gut, Was bei mir Gott und das glück tut.« Nit lang darnach ward hochzeit gmacht, Dazu das feißte kalb geschlacht. Da sprach zu im der ochs so alt: »Sihe, wo bleibt nun dein schön gestalt, Der du dich tetest trotzig rümen, Mit vilen worten hoch verblümen? Dieselb dich jetzt bringt in den tot, Ich aber hab noch lang kein not. Dein leben must so jung verliesen; Sollst lieber zu der arbeit kiesen Und zu eim müeseligen leben, Denn daß dich jung in tot must geben.« Zur arbeit sein wir all erschaffen, Die müßen wir tragen zun strafen, Damit die sünd wird zeiget an, Die unser ersten eltern tan, Dafür die straf ward aufgelegt; Darumb billich ein jeder tregt In seinem beruf die arbeit schwer, Wie es von alter ist kummen her, Und sich der arbeit tun anmaßen Und Gottes willn gefallen laßen. Wer auf erd wil rechtschaffen leben, Der muß zur arbeit sich begeben. Der Prophet Jeremias sagt In seinem liede, da er klagt, Und spricht: »Es ist dem menschen nütz, Daß er seinen verstand und witz Dahin richte in seiner jugent, Sich fleiß zur arbeit und zur tugent Und trag allzeit das joch des herrn, Und tu sich seiner arbeit nern Nach Gottes gbot und seinem willen, Damit dieselben tut erfüllen.« Virgilius dasselb auch meldt Und spricht: »Wer sich zur arbeit helt, Leßt im kunst und tugent gefallen, Erlanget lob und preis bei allen: Dagegen welcher faul und treg Und wandern tut den breiten weg, Damit die arbeit wil vermeiden Und über sich kein strafe leiden, Der komt in armut und in not Und bleibt veracht biß in den tod.«