Die achtundzwanzigste Fabel. Von der Tannen und dem Körbs. Es war ein tann erwachsen hoch; Dabei ein körbs sich auch auf zoch Und flocht sich umb des baumes ast, Dieselben mit der zeit umbfaßt, Bekleidt also den ganzen baum, Daß man die tann kunt sehen kaum, Mit vilen reben umbefangen, Mit fleschen und mit blettern bhangen. Da bgunt der körbs dieselben tannen Mit hönschen worten an zu zannen Und sprach: »Sihe an mein fruchtbarkeit, Wie ich so gar in kurzer zeit Erwachsen aus eim kleinen kern, Daß mich die leut anschauen gern, Mein bletter und mein große frucht. Du hast noch nie so vil getucht In alle deinem ganzen leben, Daß du hetst einen apfel geben.« Da sprach die tann: »Ir jungen laffen, Schweigt, laßt euch von den alten strafen. Du hast noch nie kein bösen man Recht under augen gsehen an, Dennocht dein torheit bricht herfür. All deine sterk hast du von mir; Wenn ich ein tritt würd von dir gen, Köntst nit auf deinen füßen sten. Ich bin allhie, glaub mir fürwar, Gestanden so gar manches jar, Gar manchen winter abgelebt, Den starken sturmen widerstrebt. Wiewol sie mich oft hart getrieben, Bin dennoch fest bestendig blieben. Du arme schwache creatur, Bald mach ich dir dein leben saur. Wenn ich dir meine hilf entziehe Und von dir einen fußbreit fliehe, So fellst gestrecket an die ert, Dein kraft ist nit ein hellers wert. Und wenn dich trifft ein kleiner reifen, Bald zeuhstu in den sack die pfeifen; Denn ist dein freude hin entschlichen, Dein bletter dürr und gar verblichen, Denn ich hab mich an dir gerochen; Vergebens ist dein trotz und pochen.« Die hoffart ist ein große sünd, Und sonderlich wenn man sie findt Bei armen unvermögen leuten, Wenn die wölln wider dstarken streiten. Ein weites maul hat gnug zu schaffen, Wenns widern backofen wil gaffen. Eins arm mans zorn und übermut Im selb den grösten schaden tut. Wo hoffart ist beim armen man, Wüscht der teufel den hindern an.