Die fünfunddreißigste Fabel. Von der Spinnen und Schwalben. Es war ein giftig böse spinne, Die tet groß haß und neid gewinnen Uber ein schwalben, darumb daß Die schwalb allzeit die fliegen fraß, Welch der spinnen allein gehören, Wie sie meint, und zu freßen gbüren. Das wolts der schwalben nicht vergeben, Dacht ir zu stellen nach dem leben, Zohe für ein fenster ire netz, Dadurch die schwalb pflag fliegen stets, Und meint die schwalben drin zu fangen, Daß sie blieb in dem netz behangen. Bald kam die schwalb durchs fenster gfarn Und nam die spinn mit irem garn Und fürt sie oben übers dach. Die spinn den tot für augen sach Und sprach: »Zwar billich ich diß leid Umb meinem haß und giftig neit. Ich kan die fliegen kaum bezwingen, Noch understee ich mich zu bringen Die vögel umb ir leib und leben, Wiewol mir solch macht nit gegeben; Ich hab mich weiter understan, Denn meine kraft hat mögen gan.« Es sol niemand sein so vergeßen Und sich einr solchen sach vermeßen, Die er nicht kan zum end ausfüren, Dabei man tut sein torheit spüren, Und wer ein großen schweren stein Nit kan erheben selb allein, Der gedenk, daß er sich des maße, In auch selb ander liegen laße. Es sol sich keiner weiter strecken, Denn in bekleidt sein eigen decke. Flaccus lert, man solt nichts anheben, Man wißt im denn ein end zu geben, Und wer da bauen wil ein haus, Derselb sol vorhin rechen aus, Was er zum selben gbäu müß han, E er dasselb tut heben an, Auf daß er nicht mit schand ablaß, Wie Christus selb tut raten das.