Die fünfundsechzigste Fabel. Vom Löwen und dem Bauren. Mit eim baurn war ein löw bekant; Einsmals sich gegen im ermant, Bat in, er wolt sein tochter geben Seim son zum weib ins elich leben. Da sprach der baur: »In keinem weg! Solchs wer nit gut, wenn es geschech«, Und sprach: »Das sei gar fern von mir, Daß ich mein tochter geb eim tier.« Der löw ward zornig, sahe ganz saur. Da sprach weiter derselbig baur: »Wenn dein son wolt mein tochter han, Müst er ir etwas zwillen tan, Umb irer lieb ein wenig leiden Und seine klauen erst beschneiden Und all seine zen ausschlagen, Sunst wird er nicht der dirn behagen.« Der junge löw ward sere fro, Lief balde hin, tet im also, Schlug aus die zen, schnitt ab die tatzen, Auf daß er nit die braut wolt kratzen, Kam wider zu dem bauren balde, Bat in, daß er sein wort wolt halten. Er sahe den löwen one wer, Erwischt ein kolben groß und schwer, Tet im damit ein hochzeit machen, Daß im vor angst vergieng das lachen, Und zelt im da den brautschatz bar, Daß im we tet ein halbes jar. Wem der vorwitz so ser beliebt, Daß er sein vorteil übergibt, Fellt darnach in der feinde hend, Dem gschicht recht, daß er wird geschendt.