Die sechsundvierzigste Fabel. Vom Königreich der Affen. Mir ist gesagt, wie daß einmal Ein aff war in eins königs sal Ein jar, zwei, drei; daselben sach All, was zu hof die zeit geschach Mit eßen und mit panketieren, Mit tanz, credenzen und hofieren, Und wie sein ampt jeder vollbracht: Darauf der aff het allzeit acht. Darnach er bei der nacht entran, Sprang durch ein fenster, kam davon Wider in jenen wilden walt. Da waren affen jung und alt, Den er emals war abgefangen: Die kamen frölich zu im gangen, Fragten in, wo er gwesen wer. Der aff erzelts in frei daher Und sprach: »Die leut, bei den ich gwesen, Sein weis und können bücher lesen; Davon werdens sinnig und klug. Da hat all ding sein recht und fug, In ein gar schöne ordnung gfaßt. Drumb, wenn ir euch jetzt sagen laßt Und mich zu einem könig machen, So wil ich euch in allen sachen Verfaßen ein solch regiment, Desgleichen ir an keinem end Gesehen habt bei allen tieren, Daß sie solch schöne ordnung füren, Daß euch auch ewig frommen sol.« Die red gefiel den affen wol. Da nam der aff ein äffin hin Und machts zu einer königin, Sprach: »Dich des regiments nit kümmer, Nur was belangt das frauenzimmer.« Die empter bsetzt er all nach grat; Die eltsten kos er in den rat Und bracht das regiment in schwang. Bestund ein zeit, war eben lang Von der vesper, on alles triegen, Biß der haushan pflegt auf zu fliegen. Begab sichs an dem abend spet, Der aff sein gsind beinander het Und saß in königlichem pracht, Da kamen auf dieselbig nacht Zwen gsellen, warn im wald verirrt; Ein kleiner pfad sie dahin fürt. Da sahen sie der affen vil, Ir regiment und affenspiel. Wie solchs der könig het vernomen, Er hieß den einen vor sich komen, Zeigt im sein herrlichkeit zumal, Wie er regiert im affental. Aufs letst er den gesellen fragt, Wie im solch regiment behagt. Da sprach der gsell: »Vorwar, ich sag Die warheit, daß ich all mein tag Gesehen hab kein schöner ding. Bei großen herrn es so zugieng, Auch in den hohen königreichen, Es möcht dem türkschen keiser gleichen, Und sags on allen argen won: Der große könig Salomon, Welcher wird in der schrift gepriesen, Hat sich so herrlich kaum bewiesen Mit hofzucht und mit weisem rat Wie eur königlich maiestat.« Der aff ward ser der red erfreut Und sprach: »Nun ist mein herz erneut, Dieweil mein reich die leut auch loben.« Den gselln tet er erlich begoben: Im ward ein köstlich kleit geschenkt, Mit einer gülden ketten bhenkt, Dorthin zu einem tisch gefürt, Mit eßen, trinken wol tractiert. Bald ließ er auch den andern gsellen Herkomen und da vor sich stellen Und fragt denselben auch dem gleich, Wie im behagt sein königreich. Er dacht: erzeigt man solche er Der lügen, so wird man vil mer Die warheit fordern, loben, preisen Und gar vil größern willn beweisen, Und sprach: »Weil du mich auch tust fragen, So muß ich dir die warheit sagen, Wil dirs auch undern stul nit stecken, Mit losen schmeichelworten gecken. Es dunkt mich gleich in disen sachen, Als wenn die kindr ein bischof machen, Setzen in auf ein hohen stul; Den tag darnach muß er in dschul: So ist das gaudeamus gsungen, Wird gleich wie vor mit ruten zwungen Und ist den andern knaben gleich. So ist hie auch der affen reich, Wenn irs meint auf das best zu schaffen, So seit ir affn und bleibet affen. Eur torheit tut damit bedeuten. Als, was ir sehen von den leuten, So dörft irs euch von stund erwegen, Wolts nachtun, wie die affen pflegen.« Von solcher red der aff ergrimt Und all die affen zu sich nimt, Sich wider den geselln ermanten Und in gar zorniglich anzanten, Sein kleider allenthalb zerrißen, Und auf das jemerlichst zerbißen, Ward gar elendiglich geplagt, Drumb daß ern affen dwarheit sagt. Es lert erfarnheit allzu wol, Daß die welt jetzt ist affen voll. Der torheit wil man sich nit maßen, Auch wil sich niemand strafen laßen. Ist gmein bei fürsten und dem adel, Die wölln nit, daß man iren tadel Sol strafen und irn bösen wandel, Ir tyrannei und irn mishandel. Denn wers bei inen denkt zu wagen Und etwas von der warheit sagen, Der wird gleich also ausgericht, Wie hie dem armen gsellen gschicht. Denn jederman macht sich ganz rein, Und niemand wil gescholten sein, Denn sich die herren schemen des. Drauf sagt der heid Carneades: »Was gboren wird von hohen leuten, Lernt keine kunst so wol als reiten. Ursach ist, daß man in stets heuchelt, Nit straft, sondern allzeit vorschmeichelt. Ja, sie woltens selb also haben, Drumb fleißen sie sich solcher knaben, Die heucheln all; allein das pfert, Bei dem seins alle gleiches wert, Und macht kein underscheit der leut: Drumb wil der fürst, ders selbig reit, Nit auf das maul geworfen wern, So muß er fleißig reiten lern Und muß desselben wol gewonen, Weil sein das pfert nit tut verschonen.« Wie man nun sicht, gmeinlich sichs helt, So fleißt sich heuchlens alle welt, Und nimt untreu in allem land Jetzt so gar heftig überhand, Daß, wer sich der weiß nit zu nieten, Der ist bei niemand wol gelitten. Wie Ulenspiegel auch einst klagt Und sprach: »Wer jetzt die warheit sagt, Fleißt sich des rechten wie die frummen, Der kan kein herberg niergend bkummen.« Abr wer sich kan zur seiten lenken, Gegen dem wint den mantel henken, Den stein auf beiden achseln tragen Und, was man gerne hört, kan sagen, Das bös loben, das gute schenden, Brillen verkaufen, schleifen, wenden, Und kan vor beiden augen zielen, Der schalkheit underm hütlin spielen, Die warheit kan verschlan mit liegen, Dem recht ein wächsen nasen biegen, Das schlechte krum, das krum schlecht machen Und ja sagen zu bösen sachen, Kan flaumen streichen, federn klauben: Den kleidt man jetzt mit mardern schauben, Und wird gesetzet oben an; Man sagt: das ist ein treuer man! Bleiben so affen für und für, Allein daß mans nit sagen tür.