Die achtunddreißigste Fabel. Von Wolfen und Schafen. Die wölf und schaf in haß und neid Gestanden sind ein lange zeit, Dazu hat die natur geholfen, Daß zwischen schafen und den wolfen Entstund ein langwiriger krieg: Die schafe hetten selten sieg. Darab sie wurden schwach und treg, Dachten zu suchen friedenweg Mit den wölfen, irm gegenpart. Wiewol die wölf sich hielten hart, Zu letst teten sie es doch wagen, Da sie an schafen vorteil sahen; Den frieden namen beide teil an, Der solt nun ewig bleiben stan, Forder solt keins das ander letzen: Des teten beide geisel setzen. Die schaf, zu halten stets den bund, Setzten zu bürg des schäfers hund; Die wölf die jungen wölflin gaben, Solten die schaf zu geisel haben: Damit der fried ward so verstrickt, Daß er besten solt unverrückt. In dem on forcht an jener heid Suchten die schäflin ire weid; Die wölflin nach ir mutter heulten, Welch im walde daselben scheulten. Vom gschrei liefen die wolf zu haufen, Grimmiglich fielen ein zun schafen, Sprachen: »Ir habt den frieden brochen Und euch an unsern kindern grochen, Wie wol zu hörn an irem gschrei, Damit reißt ir den fried entzwei.« Die wölf die schaf darnider rißen Und ir gar vil zu tode bißen. Das macht, daß sie verlaßen warn Von hunden, die sie hetten zuforn Zu geisel den wölfen gegeben; Das kost den schafen jetzt ir leben. Torheit ists, daß man im vortracht, Den man mit seinem feinde macht, Sein besten vorteil übergibt, Dadurch der feind oft feindschaft übt. Denn ein freund, der ist feind gewesen, Vor dem ist man noch nicht genesen Und muß sich seiner stets besorgen, Daß er feind werd heut oder morgen. Wenn er dein vorteil hat vor sich, Braucht er denselben wider dich: Denn wirstu erst mit schaden glert, Geschlagen mit deim eignen schwert.