Die sechsundzwanzigste Fabel. Vom Bauren und der Schlangen. Bei einem bauren het ein schlange In einem loch gewont gar lange; Einsmals, als sich die schlange regt, Da ward der baur in zorn bewegt, Mit einer axt lief er ir zu, Schlug ir ein wunden oder zwo: Darumb die schlange sich verkroch, Beim andern bauren sucht ein loch Und wont allda. In dem der baur Kam mit der zeit in armut saur. Er gdacht, daß solchs sein unglück schwer An der schlangen verschuldet wer, Drumb daß er sie on alle schult Geschlagen het aus ungedult. Das war im leid und grau in ser, Fordert die schlange wider her, Daß sie wolt wider bei im wonen, Er wolts hinforder baß verschonen. Sie sprach: »Was du mir hast getan, Das wil ich also bleiben lan; Das hab ich dir nun ganz vergeben. Ich wil aber bei dir nicht leben, Bei dir nicht leben in dein loch: Die axt hastu daheime noch. Wiewol mir seind mein wunden heil, Denk ich des schadens noch zum teil.« Die fabel gibt uns underricht: Ein freund, der einst den glauben bricht Und tut die treu enturlauben, Dem stellt man fürder keinen glauben. Ein stück ists der barmherzigkeit, Zu vergeben das getane leid. Fürsichtigkeit ists, daß man zusicht, Daß eim darnach nit mer geschicht. Wo der hund ein mal wird geschlagen, Dahin tut er sich nit baß wagen. Wer dich ein mal mit schaden letzt, Sich, daß er dir nicht baß zusetzt. Schau, mach dich des treulosen onig; Das gift kocht er dir süß mit honig.