Olevano Erstes Lied Wenn der goldenen Loose mir das Schicksal Eins vergönnte, wenn heitrer Himmel wieder Ueberm Haupt mir die hohe lautre Schönheit Bess'rer Tage verjüngt ergöß', und voller Mir die heilige reine Flut des Lebens Aus der Urne des Gottes ränne, wenn sie Frei vom drohenden Fels, wo sie zerstäubet, Ungefährdet vom Abgrund, dessen Grauen Oft die schäumend bewegte gern verschlänge, Nun im Schatten des jungen Lorbeers und im Süßen Dufte der Rose klar und ruhig, Wellenlos, zu des Friedens Sonnentempel Ihrem Genius folgte, – dann wohl trennt' ich Nimmermehr mich von dir, bis meiner Tage Vollgewachsener Strom ins Meer verrauschte; Dann wohl blieb' ich dir treu, wie seinen Felsen, Seinen Lüften der Adler; meine Freuden Baut' ich kühn mir ins Urgebirg, des Aethers Frischem Reiche vertraut' ich mich, der Menschheit Nur aus neblicher Wolkenferne sichtbar, Ihren giftigen Pfeilen nicht erreichbar, Felsenland der Sabiner, und des alten Volks der Herniker, dir, mein heimlich Tempe, Mein Olevano, treu! Vom hohen Grabe, Das die Sag' als dreitausendjährig Denkmal Des Ascanius ehrt, ist's schön, des Morgens, Im gewaltigen, ew'gen Eichenschatten Hinzuwandern, bis aus Elysiums üpp'ger Waldesfülle, dem Dunkel der Cypressen, Noch vom Pupurhauche der Früh' umduftet, Des sikul'schen Ariccia's busch'ger Hügel Mit der glänzenden Kuppel sich entfaltet. Schön ist's auch von Genzano's sonn'ger Höhe Hier hinunter zu blicken, wo im Schooße Seiner Haine Dianens blauer Spiegel 1 Deine schmachtende sanfte Mild' und Schöne O hesperischer Himmel, wiederstrahlet, Unter Pappeln von Nemi's jähem Fels die Nymph' Egeria sich im Thränenbache Niederstürzt, und den grauen Zeiten heilig, Unterm Cavo der ferentin'sche Hain blüht, Ja der taurischen Göttin grüne Heimat Aus den Fernen der Vorwelt das Geheimniß Holder Fabel der Gegenwart zurückruft, Aber dort des Tyrrhenermeeres Bläue, Wie ein Wunder, homer'scher Geist entwehet, Und die muntre Erinn'rung noch in Circe's Feenwelt und des griech'schen Wandrers spielet. Dennoch suchte die Heimat hier ein ruhig Unzerfallnes Herz nur, deß Empfindung Sanft und tief wie Dianens Spiegel wäre, Das der Freud' und der Wehmuth Schauern leise, Wie dem Zephyr die stille See, erbebte, Dem die Liebe, die erste, heil'ge, schöne, Wie italische Lüfte, rein und selig Noch ins knospende Blumenreich des Innern Allerquickend und tiefbelebend schiene, Dem der scheue Genuß, der zücht'ge, täglich Noch die fliehende Lust mit holdem Wahne Nie vergänglicher Dauer lächelnd täuschte, Das die Qualen der ersten Jugendliebe Nie im Taumel der zweiten und die Täuschung Neu entzündeter, sturmverwehter Flamme Nie im schrecklichen Wagen der Verzweiflung, Nie im dreifachen Brand vergessen wollte, Das noch niemals verloren, dem im tiefen Heiligthume der Seele nie der Altar Und das Bild der befleckten Göttin stürzte, Dem noch Leben und Liebe so gefahrlos, Ungerührt vom Orkan, im linden Dufte Weiter Ferne, wie des Tyrrhenermeeres Ruhig liebliches Bild von dort erscheinet. Solche Herzen erfreuten Cynthia's Haine, Und die blühende Schattenwelt Ariccia's. Meine Seele, die schon das Glück des Friedens Wie die schweigenden Ufer der Diana Nun das glückliche Fabelreich, verloren, Meine trauernde Seele haucht nur Wünsche, Nur Erin'rungen, Seufzer, Klagelaute, Dort hinüber, wo sie nur längst Entfloh'nes, Der Vergangenheit einsam weinend suchte. Deine Felsen, die zeitgetroffnen, aber, Mein Olevano, sind's, wo sich der hohe Düstre Geist der Natur mit ernsten Schauern Seiner Einsamkeit gerne mir befreundet, Finstre Wälder des Apennins, in deren Melancholischen Schluchten über Trümmer Niederschäumend der Bergstrom tos't, in deren Blitzgespaltenen Wipfeln oft der Wind ein Lied hinhaucht, das, verwandt mit meinen Leiden, Meinen Schmerzen, wie wilde Geisterliebe Mir ertönet, das ich versteh' und kenne, Dem antwortend sich Stürm' in meiner Seele Heulend regen, o Wälder, euch erwählt' ich Mir zur Heimat! in eurem Grün vernähm' ich Keinen menschlichen Laut, nur des Naturgeists Ewig Sausen und Weh'n, nur selten hallte Ferneher der Gesang des Ziegenhirten Aus dem Thal, zu der Pfeifen rohem Spielwerk, Das, nach Sitte der Väter, der Campagna Volk erfreut, und auf luft'ger Felsenspitze, Wenn der blühende Wald sich lichtet, stünd' ich Plötzlich, und in den Lüften hängen wie der Leichtgeflügelten Vögel wind'ge Heimat, All' die Dörfer umher, dem Auge Staunen Und Verwundrung erregend – Civitella's Nackte schaurige Höh'n, sie lockten mächtig Mir das stürmische Herz, und frischer Bergwind Bliese wild mir durchs Haar, die Wolken zögen Nah um's Haupt mir, die fels'ge Pyramide, Mein Olevano, graut' empor, und ungeduldig Zitternd schweifte der Blick, der alten Volsker Vielgestaltig Gebirg, die Schlösser all' und Luft'gen Dörfer entlang, bis fern, wo dämmernd Unter Latiums wollustvollen Hügeln Sich Velliträ erhebt, das rebengrüne. Hier, wenn mir's der Olympier einst vergönnte, Hierher flüchtet' ich mich und jenes wen'ge Noch von Hoffnung und karger Lebensfreude, Was vom Schiffbruch des Lebens mir geblieben. Fußnoten 1 Noch nennt man den See von Nemi lo Specchio di Diana.