Lieder der Untreue Erstes Lied Bald, Geliebter, schickt der Vater Mich nach Rom ins Nonnenkloster, Täglich bitt' ich ihn, es bittet Täglich auch die gute Mutter, Endlich naht das Wiedersehen, Endlich von Olevano Scheid' ich, und vielleicht auf immer. Könnt' ich, schöne Nazarena, Deine Hoffnung dir erfüllen, Jene Träume, die ich spielend Mit dem Feuerhauch der Sehnsucht Dir im Herzen aufgeblasen, Deren Süßigkeit und Glut Ich verwegen mit dir theilte. Hab' ich mich nicht, mein Geliebter, Ganz dir anvertraut? Die Heimat, Unsre Felsen, unsre Berge, Gern verlass' ich sie, die einz'ge Tochter bin ich meiner Eltern, Dennoch folg' ich dir, mein Herz, Wenn nur du getreu mir bleibest. Gutes Kind, du füllst mit Wehmuth Und mit Reue mir die Seele! Soll ich meine Schuld bekennen? Gleich der sommerlichen Raupe Spann ich mich in deinem Herzen Traulich ein, als Schmetterling Muß ich nun ins Weite fliegen. O was hör' ich, wär' es möglich? Hätt' ich wohl dein Wort verstanden? Dich verlör' ich, und entfaltet Hier in dieses Herzens Wärme Flögest du davon, du ließest Mich am traur'gen Webestuhl, Und du zögst in andre Länder? Was vermöcht' ich dir zu sagen, Ohne schmerzlich zu bereuen, Was ich blind an dir verschuldet, Ohne schmerzlich zu empfinden, Was ich dir und mir verschwiegen, Was ich dir und Ihr gethan, Dir und Ihr gebrochen habe. O was sagst du, mich betrogen Hättest du, die ich ins Kloster Dir zu Liebe gehen wollte, Die ich träumte mit dem Herbste Meiner Liebe Frucht zu ernten. Heimat, Eltern, Vaterland, Selbst die Sprache dir zu opfern? Nenn' es nicht Betrug, und willst du, Ach, so sage lieber, daß ich Dieses eigne Herz betrogen Mit dem schmeichlerischen Wahne, In des Südens goldnen Lüften In den Schlummer es gelullt, Draus die Schuld es nun erwecket. Guter Himmel, nach so langen Schweren Zweifeln doch verrathen? O was wird die Mutter sagen? Wie das ganze Dorf mich schmähen, Wie die Mädchen meiner spotten, Ach und wie mein armes Herz Seinen süßen Wahn beweinen! Tröste, schöne Nazarena, Tröste dich, noch ist's im Dunkel, Und wir sind noch nicht geschieden; Aber höre, wenn ich fühle, Daß ich doppelt mich verschuldet, Sei es eine schöne That, Die mich doppelt auch entsühne.