Der Tiber O Lethe, dessen Strome der alten Kraft Und Weltherrschaft Vergessenheit Rom entschlürft, Roms Schatte nur, wie oft den Fluthen, Da ihn die Mitwelt begrub, ersteht er Gleich einem Geist der Schicksalsgedanke mir, Ob von der Brücke, wo mir der Insel Bild Mit Kirch' und Kloster und der Vesta Säulenrotunde, wo der Cäsare Den Palatin umstarrende Trümmer mir Erscheinen, oder ob in der Wildnis du Der schweigenden Campagna nur mit Thürmen der Vorwelt am sand'gen Strande Begegnest: immer athmet Melancholie Dein träger Strom, kaum wälzet das Mühlrad sich Und kaum das Doppelnetz den Wellen, Während auf Trümmern von Kokles Brücke Umsonst der Fischer laurend ins Wasser schaut; Kein lust'ger Nachen gleitet die Ufer hin, Nur selten seh' ich schweren Ganges Schweben vom Strand in des Abends Schatten Ein schwarzes Boot, als führte des Acherons Fährmann Roms große Todten zur Ruh. Auch selbst Des Himmels Lieblichkeit, du spiegelst Nie sie zurück; denn es trübt der Schlamm dich, Wie des Tyrannen Seele der Friede nie Durchleuchtet, sondern ewig des Scepters Schuld, Des Thrones Greul, der Völker Jammer Und des vergossenen Blutes Anblick Umdüstert. Dann nur röthet dich Purpurlicht, Wenn aus des Kaisers Grabe des Aetnas Gluth In tausend Blitzen steigt. Da, dünkt dir, Hadrians Asche sie schlummr' allein nicht, Es schlummr' im Mausoleum die Menschheit selbst, Die er beherrscht', und nun aus geborstnem Grab Urplötzlich stünde sie empor mit Flammen und Donner des Weltgerichtes. O Rom, wie sankst du, wenn auch vom Quirinal Des Priesters stolz dreifaltige Krone blitzt, Dennoch wie sankst du! Dich beglückt er Noch mit der heiligen Pracht des Schauspiels! Gewaltig steigt Palast, Obelisk empor, Und Kirch' und Tempel, Säul' und des Springquells Glanz, Noch ziert's dich, und auf Marmorböden Winselt der Bettler, auf Tempelstücken. Am Platz, wo Brutus Söhne vom Vaterspruch Gerichtet starben, da es gebot, das Volk, Und groß an Tugenden und Greueln Selbst die Gesetze sich gab und oftmals Mit Bürgerblut sie schrieb in den ew'gen Stein, Aechzt nun der Krüppel, nach dem Bepurpurten Die Hand ausstreckend, der mit stolzem Rossegespann und Gefolg' erscheinet. Noch traur'ger darbt die Armuth im Gramgemach, Wo nichts mehr blüht als Seufzer, vielleicht ein Stück Errungnen Brods; doch fühl' ihr Herz sich Glücklich, denn prachtvoll von Deck' und Wölbung Glänzt Gold in hundert Tempeln, vom Throne giebt In Goldgewändern schimmernd Sankt Petri Fürst Den Segen, und Roms größte Kuppel Leuchtet in Flammen als Krone Petri. Doch leichten Sinn und fröhlichen gab Natur Roms Volk, genähret einst an der Wölfin Brust, Im Blut des Feindes und dem eignen Wüthend und Kön'ge zu sehn in Ketten Gewöhnt, von Cäsarn und von Tyrannen selbst Geschmeichelt und gefürchtet vergaß es nun Der alten Männer mit den Göttern, Denen sie opferten, kämpften, siegten. Statt Schlachtgesang ertönet das Tamburin Zum Herbsttanz, zärtlich klingt in der Sommernacht Dem Liebchen Lied und Mandoline; Und der Triumphzug des Imperators, Der Mönche Schwarm wich er; und dem Pulcinell Des Colosseums blutiges Römerspiel ... O Tiber, gönn' in deiner Nähe Bald mir ein Grab an der Pyramide!