Ludwig Uhland Ernst Herzog von Schwaben Trauerspiel in fünf Aufzügen Personen Personen. Kunrad der Zweite, römischer Kaiser. Gisela, seine Gemahlin. Heinrich, Kunrads und Giselas zwölfjähriger Sohn. Ernst, Hermann, Söhne der Gisela erster Ehe. Warmann, Bischof von Konstanz. Odo, Graf von Champagne. Hugo von Egisheim, Graf im Elsaß. Werner von Kiburg, Mangold von Veringen, Grafen in Schwaben. Adalbert von Falkenstein,. Warin, schwäbische Edle. Geistliche und weltliche Reichsstände. Kriegsleute. Volk. 1. Akt 1. Szene Erste Szene Saal im Palaste zu Aachen. Auf beiden Seiten Eingänge, in der Mitte eine Flügeltür. Kaiser Kunrad tritt von der Rechten auf, seinen Sohn Heinrich an der Hand führend, beide festlich gekleidet. Die Sonne, die sich strahlend dort erhebt, Sie führet einen folgeschweren Tag Für mich und dich, geliebter Sohn, herauf. Geweihet sollst du werden und gekrönt Zu Aachen hier, der alten Krönungsstadt, Als deutscher König; Erbe sollst du heißen Des Thrones, der vor allen herrlich steht. So stellt sich mir die große Hoffnung fest, Daß mein Geschlecht, der sal'sche Frankenstamm, Begründet sei als Deutschlands Herrscherhaus. Noch fassest du die volle Deutung nicht, Jedoch geziemt es dir, an solchem Fest Dich würdig zu benehmen, achtsam, ernst, Denn reiche Zukunft schwebt ob deinem Haupt. Wohl glaub ich, deine Rede zu verstehn: Mein Lehrer und Erzieher, Bischof Bruno, Hat mir gesagt, daß Gott uns auserwählt, Neu aufzurichten Karls des Großen Reich. Doch sieh! die Mutter wandelt dort heran; Wie schön geschmückt! Doch traurig ist ihr Gang. Die Kaiserin Gisela tritt von der Linken auf. Mein Herr und mein Gemahl, du bist bereit, Dahinzugehn in feierlichem Zug Zum hohen Dome, zu der Krönung Fest. Da werden, wie du schreitest durch die Stadt, Der Armen viel und der Unglücklichen Hülf flehend fassen deines Mantels Saum, Denn Gnade blüht an solchem Freudentag. Laß mich der Flehenden die erste sein, Laß mich die erste fassen dein Gewand; Ist doch mein Leiden auch das letzte nicht! Nicht mein Gewand ergreife: nimm die Hand! Sag an, was diese Hand vollführen soll! Nichts je gebeten hat mich Gisela, Was zu gewähren mir nicht rühmlich war. O zögre nicht! Wo alles Volk sich freut, Soll ich bekümmert sehn die Königin? Ob ich in Purpur, ob in schwarzer Tracht Erscheinen solle, zweifelte mein Herz, Darin die Freude ringet mit dem Leid: Indes der Sprößling unsres Ehebunds Der Königskrönung hier entgegengeht Und drob das Herz mir schwillt von Mutterstolz, Indes verzehrt ein andrer, auch mein Kind, Der frühern Ehe erstgeborner Sohn, Der einst der Schwaben Herzogsfahne trug, Vom Vater, meinem Gatten, ihm vererbt, Verzehrt im Kerker seiner Jugend Kraft; Drei Jahre sitzt er auf dem Gieb'chenstein Und horchet auf der Saale Wellenschlag, Die unter seinem Gitter rauscht entlang. Auch mich verdroß es, wenn ich's sagen darf, Als jüngst ein Edelknabe zu mir sprach, Du habest darum Ernsten eingesperrt In einen tiefen und sehr finstern Turm, Damit ich desto reicher werden soll: Drum bitt ich, lieber Vater, laß ihn los! Ward Herzog Ernst entsetzt und eingekerkert, Nicht unverschuldet litt er solche Schmach, Und nicht durch meinen, durch des Reiches Spruch; Aufrührer war er, seines Königs Feind. Begnadigt nach so frevelhafter Tat, Empört' er gleichwohl sich zum zweitenmal Und setzte so der Gnade selbst ein Ziel. Rudolf, der Schattenkönig von Burgund, Mein Oheim, dessen ich mich nie gerühmt, Ein Greis, der niemals Jüngling war noch Mann, Erzitternd vor dem meisterlosen Trotz Unbändiger Vasallen, wandt er sich An seiner Blutsverwandten mächtigsten, An Kaiser Heinrich, der vor dir geherrscht. Damit er diesen sich verpflichtete, Ernannt er ihn durch bündigen Vertrag (Denn ohne Sprößling war der dürre Stamm) Zum Erben des burgund'schen Königtums. Doch Gottes heil'ger Ratschluß fügt' es so, Daß Kaiser Heinrich zu den Vätern ging, Indes der Greis noch auf dem Throne schwankt. War Heinrich als des Deutschen Reiches Haupt Thronerbe von Burgund, so tratest du, Der neue Kaiser, in den Anspruch ein; Schloß er als Blutsverwandter den Vertrag, So blühte jetzt des Erbes Anwartschaft Dem Schwesterenkel Rudolfs, meinem Sohn: Darob entspann sich Hader zwischen euch, Und als nun Rudolf selbst zu feige war, Sich auszusprechen, wie er es gemeint, Ergriff mein Sohn in jugendlicher Hast Und aufgeregt durch schlimmer Freunde Rat, Ergriff die Waffen. Und urteile nun, Wenn du es nochmals prüfend überschaust: Hatt er nicht einen Schein des Rechts für sich, Den Schein, der leicht ein junges Herz verführt? Ein Vorwurf liegt in deinem milden Wort, Ich fühl ihn, aber nicht verdien ich ihn. Als du nach Herzog Ernsts unsel'gem Tod Die Hand mir gabest zu beglücktem Bund, Da übernahm ich und beschwor die Pflicht, Der zugebrachten Söhne jederzeit Zu pflegen, wie ein rechter Vater soll. Und als mich drauf der Fürsten und des Volks Einstimm'ge Wahl zum Kaiserthron berief, Da steckt ich mir nach wohlermeßnem Recht Die scharfen Grenzen meines Wirkens aus. Burgund gehört dem Reiche, Schwaben bleibt Bei deinem Stamme: darnach handelt ich; Weil Ernst nicht lassen wollte von Burgund, Mußt ich ihn strafen als des Reiches Vogt; Weil Schwaben deinem Hause bleiben soll, Ließ ich das Herzogtum bis jetzt erledigt; Die Jugend Hermanns, deines zweiten Sohnes, Gestattete mir nicht, ihn zu belehnen, Damit nicht, gleich dem Bruder, ihn die Macht Verleitete zu übermüt'gem Tun; Dem klugen Bischof Warmann übertrug Ich unterweilen die Statthalterschaft; Den Deinen blieb das Herzogtum bewahrt. Nicht ziemet mir, erlauchtester Gemahl, Das Urteil über deinen Herrschergang, Die kräftige Verwaltung deines Amts. Doch, was ich sagte, wirst du gern verzeihn: Der Kinder Fehle zu entschuldigen, War doch von je der armen Mütter Recht. Man rühmet, Gisela, von dir, du seist, Gleich wie an Würden die erhabenste, So auch die weiseste der deutschen Fraun, Und oft schon warest du Vermittlerin Von Zwiespalt, welcher unversöhnlich hieß. Auch zwischen mir und deinem Sohne, der Mit meinen schlimmsten Feinden sich verschwor Und wider mich des Aufruhrs Fahne schwang, Hast du Versöhnung einst herbeigeführt. Bestätiget in seinem Herzogtum Nahm ich ihn mit auf den ital'schen Zug, Vertraut ihm meiner Scharen Führung an; Belehnt mit Kemptens stattlicher Abtei, Entließ ich ihn und lud durch diese Gunst Auf mich den Haß gekränkter Geistlichkeit. Doch kaum hat er die Alpen überstiegen, Indes im fernesten Apulien ich Mir die Normannen nehm in Lehenspflicht, Ruft er die alemann'sche Jugend auf, Verheert das Elsaß und bedrängt Burgund. Hat, wie du sagst, der Jugend Ungeduld, Hat böser Freunde Rat ihn irrgeführt, So war ihm jetzt im einsamen Verlies Zu reiflicher Besinnung Zeit gegönnt. Und wenn ich jetzo, deinem Wunsch gemäß, Von neuem gänzlich ihn begnadigte, Und gleichwohl ungebessert, unbeschämt, Er wieder sich auflehnte gegen mich: Sprich! könntest du nach deinem weisen Sinn Auch dann noch ihn rechtfert'gen, könntest du Zum drittenmal verlangen... Wie? du willst? Mein banges Flehen hat dein Herz gerührt? O sprich es aus! Gib mir Gewißheit! Eins Vernimm zuvor! Wenn jetzt zum drittenmal Dein Sohn mir trotzig sich entgegenstemmt, Wenn er den nötigen Bedingungen, Die ihm das Reich vorschreibt, sich widersetzt, Dann hab ich meine Vaterpflicht erfüllt, Dann bin ich der Vollstrecker des Gerichts, Das furchtbar über ihn ergehen muß. Du aber leg die Finger auf die Brust Und schwöre mir mit einem teuren Eid, Daß du alsdann ihm nicht zur Hülfe sein, Daß du nicht rächen wirst, was ihm geschieht, Und daß du selbst nicht bittest mehr für ihn! Ich schwöre das bei dem wahrhaft'gen Gott. Gib mir den Sohn! Für ihn verbürg ich mich. Zuvorzukommen jedem deiner Wünsche, War stets mein Trachten, und so hab ich auch, Vorahnend was du jetzt von mir begehrst, Nach dem Gefangnen zeitig ausgeschickt. Sein Bruder Hermann hat ihn abgeholt, Und angekommen sind sie diese Nacht. Geh, Heinrich, führe deine Brüder her! Durch dieses freudenreiche Wiedersehn Verherrliche sich uns dein Ehrentag! Heinrich durch die Mitteltür ab. Nimm meinen Dank, den heißen Herzensdank, Den Dank, der aus dem vollen Auge quillt! Die Träne, die den Purpur mir benetzt, Sie ist der reichste, königlichste Schmuck, In dem ich könnt an deiner Seite gehn. Ernst, Hermann und Heinrich treten auf. Hier ist er. Meine Mutter! O mein Sohn! Bist du's, mein Ernst? Wie hager, o wie bleich! Das Reisen durch die Nacht hat ihn verstört. Wohl war es eine lange, kalte Nacht. Die braunen Locken sind ihm halb ergraut. Das ist der Reif von jener kalten Nacht. Hier atm ich Morgen. Mutterliebe, dir Ist aufgetauet dies erstarrte Herz. Wohltätig wirkt der Freiheit reine Luft; An innrer Heilkraft ist die Jugend reich: Auch du wirst neu aufleben, teurer Sohn. Die trüben Bilder der Vergangenheit, Die Spuren trauriger Erfahrungen, Laßt sie verschwunden und vergessen sein! Der heitern Zukunft öffnen wir den Blick, Die mit dem heut'gen Tage sich erschließt! Schon rufet uns der Glocken Feierklang: Die Krone harret dieses Jünglinges. Hernach in offner Reichsversammlung wird Mit Schwaben neu belehnet unser Ernst. Erhabner Kaiser, deine Huld an mir Soll dir in deinem Sohn vergolten sein. Ihr aber, meine treugeliebten Brüder, In frischer Jugendblüte steht ihr da: Ich stehe früh gealtert zwischen euch, Dem Laube gleich, das vom vergangnen Jahr Am frischbegrünten Zweige hängenblieb. O nehmt an mir ein Beispiel, Jünglinge, Daß eure Jugend euch beglückter sei! Du wirst, mein Hermann, zu dem ersten Kampf Hinabziehn in Italiens Waffenfeld: O mögen schönre Kränze dir erblühn, Als meiner Jugend Kämpfe mir gebracht! Und du, mein Heinrich, der du heute wirst Zum Erben eines hohen Throns geweiht: O streu in deinem Volke solche Saat, Daß beßre Früchte dir gedeihn als mir! Dank deinem Wunsche! Dank und Bruderkuß! Ihr teuren Söhne, Segen über euch, Ihr meine Hoffnung, meine Lust, mein Stolz! Laßt uns vereint zum Krönungsfeste gehn, Und alles Volk erfreue sich, wenn es So schön verbunden sieht sein Königshaus! Sie gehen durch die Mitteltür ab, der Kaiser mit Heinrich, Gisela mit Ernst und Hermann. 2. Szene Zweite Szene Saal der Reichsversammlung. Bischof Warmann und Graf Mangold von Veringen treten von verschiedenen Seiten auf. Dich sucht ich, Oheim! So erregt, so heiß. Was ist geschehn? Du weißt es nicht? Was denn? Du hast nicht das Gespenst gesehen, das Am hellen Tag, im vollen Krönungszug Gewandelt durch die Straßen dieser Stadt? Nicht hatt ich Muße zur Gespensterschau, Beschäftigt war ich auf besonderen Befehl, an des erkrankten Kanzlers Statt Zu fertigen den neuen Lehensbrief Für Herzog Ernst von Schwaben. Hat dir nicht Die Hand gezittert? Sprich mir deutlicher! Dort bei den Marmorsäulen des Palasts Stand ich mit der gesamten Ritterschaft, Zum Krönungszuge festlich aufgeschmückt. Da stiegen sie die hohen Stufen nieder: Der Kaiser, an der Hand den jungen Sohn, Hernach die Kaiserin; zur Rechten ihr Im Fürstenmantel, aber blaß und hager, Wie aus dem Grab erstanden, Herzog Ernst. Er wankt' an mir vorüber, und ein Blick Aus seinem hohlen Auge fiel auf mich, Ein Blick, nicht strafend, doch von solcher Macht, Daß er mich ausschloß von der Festlichkeit, Daß ich geheftet an der Säule stand, Als schon der lange Zug hinabgewallt Und das Geläute längst verhallet war. Wie selig könnte dieser Tag mir sein, Der schönste meines Lebens, wenn ich treu Geblieben wäre! Wieviel anders nun! Dich muß ich drum verklagen: deinem Rat Hab ich gefolgt, als auf dem Tag zu Ulm Ich mit den andern von dem Herzog wich. Von dir nun fordr ich, richte du mich auf Aus der Vernichtung! Denn sie ist dein Werk. Verwöhnter Sohn des Glückes, sprachst du so, Als jüngst in Kärnten auf dem Siegesfeld Der Kaiser dankend dir die Rechte bot, Dir selbst umgürtete das Ehrenschwert Und dich mit Lehen reich begnadigte? Damals erkanntest du, daß meine Hand Aus des Empörers unfruchtbarem Dienst Zu lohnesreichem dich emporgeführt. Du mahnst mich glücklich an das Feld der Schlacht. Ich sehe Rettung: nach Italien ruft Die Heerfahrt, neuer Lorbeer grünet dort Für die entehrte Stirne. Töricht Herz, Das Sieg und Ehre mißt nach dem Erfolg Des Augenblicks, des ewig wechselnden! Als Herzog Ernst im Kerker schmachtete, Da warst du freudig in des Kaisers Dienst: Nun Herzog Ernst zu Gnaden wieder kam, Gleich wähnst du dich verstoßen und entehrt. Du weißt, wie eine Reiterschar sich schwenkt, Noch aber kennst du nicht den Lauf der Welt. Wohl wahr, es kommen Augenblicke, wo Die kampfbewegte Welt mit einem Schlag Zum sel'gen Paradies verwandelt scheint: Der Wolf hat sich zum Lamme hingestreckt, Der Geier nistet mit der frommen Taube, Die Schlange, die vom Apfelbaume lauscht, Sie schlüpft in das Gezweige scheu zurück, Und in der alten Unschuld tritt der Mensch Aus dem Gebüsch, worin er sich versteckt. So waltet heut im kaiserlichen Haus Vertrauen, Liebe, Segnung. Und gewiß, Wenn wir feindsel'gen Sinns verdächtig sind, Geziemt es schweigend uns zurückzustehn. Doch oft am Abend noch des klaren Tags, Des wolkenlosen, steigt Gewitter auf Mit aller Elemente wildem Kampf. Sieh, Jüngling, nicht von gestern ist der Groll, Und wenig trau ich der Beschwichtigung: Dem Herzog wurmt es ewig um Burgund; Vertrauen sog er nicht im Kerker ein. Des Kaisers Herrschsucht und der Stände Trotz Sind ein uralter, nie versöhnter Zwist. Nicht brauchst du ihn zu schüren, aber fest Mußt du dich stellen, mußt auf das nur baun, Was in der menschlichen Natur beruht, In der Gewalten ew'gem Gegensatz, Der unter allen Formen wiederkehrt. Selbst wenn du augenblicklich tiefer stehst, Wenn fremde Regung den Gebieter faßt, Wenn neue Neigung einmal dich verdrängt, Bleib unermüdlich nur in deinem Dienst! Die Herzensregung, die Begeistrung weicht, Das ewige Bedürfnis kehrt zurück: Du wirst hervorgerufen, und bewährt Bist du in deiner Unentbehrlichkeit. Drum, ist auch heut nicht unser Ehrentag, Noch kommen Tage, wo man nach uns fragt, Wo man begehret deines tapfern Arms. Was hör ich? Hieher wälzet sich der Zug. Der Herzog wird belehnt in diesem Saal. Soll ich entfliehen? Soll ich bleiben? Bleib! Sieh! diese Rolle, dieses Pergamen, Es ist der Gnadenbrief für Herzog Ernst, Von mir verfaßt, besiegelt, eben jetzt; Und dennoch kann aus dieser Rolle noch So manches sich entfalten, was du nicht Erwartet und ich selber kaum geahnt. Der Kaiser, Gisels, Heinrich, Ernst, Hermann, geistliche und weltliche Reichsstände ziehen auf. Kunrad läßt sich auf dem Throne nieder, Gisela zu seiner Rechten, Heinrich zur Linken, neben Gisela die geistlichen, neben Heinrich die weltlichen Stände. Hinter den Schranken Volk. Erlauchte Fürsten, eurer Gegenwart Bei unsrem heut'gen Feste seid bedankt! Die Krönung ward vollbracht nach eurer Wahl, Und so verhoffen Wir, ihr werdet jetzt Die Treue, die ihr rühmlich Uns bewährt, Auch Unsrem vielgeliebten Sohne weihn. Ein anderes Geschäft von Wichtigkeit Versammelt hier uns in dem Saal des Reichs: Auf öfteres Ersuchen Unsrer Frau, Der Kaisrin Gisela, und Unsres Sohns, Des jetzt gekrönten Königes, sowie Nach dem zuvor mit euch gepflognen Rat, Am meisten doch nach Unsres Herzens Drang Beschlossen Wir, mit Unsrem Stiefsohn Ernst, Der nach des Reiches Spruch gefangen lag, Uns wieder zu befrieden, ihn durchaus In Würden und in Ehren herzustellen; Und darum haben Wir den heut'gen Tag Als einen freudenreichen auserkiest, Dem Fürsten das verwirkte Fahnenlehn Des Herzogtums von Schwaben neuerdings Vor offner Reichsversammlung zu verleihn. Der Anlaß früherer Mißhelligkeit, Der Zweifel wegen des burgund'schen Erbes Fiel weg, nachdem der König Rudolf sich Entschieden und den alten Erbvertrag, Den er mit Kaiser Heinrich abgeschlossen, Auf Unsere Person bestätigt hat. Da Ihr, mein Sohn, bei dieser Abkommnis Euch zu beruhigen Uns angelobt Durch förmlichen, besiegelten Verzicht, So haben Wir willfährig Unsrerseits Den Lehensbrief auf Schwaben ausgestellt Und nehmen jetzo, wenn es Euch geliebt, Sogleich die feierliche Handlung vor. Ich trete vor den kaiserlichen Thron Und bitte nach Gebühr, daß Eure Huld Von neuem mit des Reiches Fahnenlehn, Dem Herzogtum von Schwaben, mich belehne. Aus kaiserlicher Machtvollkommenheit Ergreif ich Schwabens Herzogsfahne, die Nach altem Recht und Kriegsbrauch in den Schlachten Des Deutschen Reichs das Vordertreffen führt, Damit du, Ernst, der Zweite dieses Namens, Belehnet werdest mit dem Herzogtum Samt Zugehörden und Gerechtsamen. Nach Unsrem und gesamter Fürsten Schluß Hast du auf dieses herzogliche Banner Zu dem gewohnten Eid der Lehenstreu Uns zu beschwören ein Gedoppeltes. Laßt mich vernehmen, was ich schwören soll! Fürs Erste sollst du schwören, daß du nicht An irgendeinem, Freien oder Knecht, Dich rächest, der zu deinen Gegnern hielt, Zumal an keinem deiner Mannen, die Von dir getreten auf dem Tag zu Ulm. Nicht Rache dürstend kehr ich in die Welt, Versöhnung, Ruhe nur ist mein Begehr, Drum bin ich diesen Schwur zu tun bereit. Fürs Zweite sollst du feierlich beschwören, Daß du den landesflücht'gen Grafen Werner Von Kiburg, der zum Aufstand dich gereizt, Der noch zur Stunde nicht sich unterwarf Und als des Reiches Feind geächtet ist, Daß du nicht diesen, noch die mit ihm sind, In deines Herzogtumes Grenze dulden, Vielmehr, wenn er sich drin betreten läßt, Ihn greifen wollest zu des Reiches Haft. Das soll ich schwören? Nein, erlaßt mir das! Du zögerst? Gott, es geht mir furchtbar auf. Ich war nach Ulm gekommen auf den Tag, Mit Euch zu unterhandeln um Burgund. Nicht als ein Flehender erschien ich dort, Nein, an der Spitze meiner Lehnsmannschaft, Auf deren Treu und Kraft ich sicher ging. Da traten Anshelm vor und Friederich, Die beiden Grafen, und erklärten laut, Sie seien mir zu Dienste nicht verpflichtet Entgegen ihrem Herrn und Könige, Der ihrer Freiheit höchster Schirmvogt sei. Mit diesen stimmte die gesamte Schar: Verlassen stand ich plötzlich da; mein Schwert Warf ich zur Erde; schmählich, unbedingt Mußt ich mich übergeben, und hinweg Ward ich geführt zum Felsen Gieb'chenstein. In jener Not, in jener tiefen Schmach Blieb einzig nur Graf Werner mir getreu, Der meiner Jugend Freund und Führer war. Auf Kiburg warf er sich, sein festes Schloß, Und wurde dort von Euch, erhabner Herr, Drei Monden lang belagert und bedrängt. Als man zuletzt die gute Feste brach, Entkam er selber mit genauer Not Und irrt seitdem geächtet durch die Lande. Sollt ich nun den verleugnen, der so fest An mir gehalten? Nein, verlangt es nicht! Du bist in großer Täuschung, wenn du meinst, Daß Werner das um deinetwillen tat: Du warst nur stets das Werkzeug seiner stolzen, Gefährlichen Entwürfe. Ja, ich weiß, Mit großen Dingen trägt sich dieser Mann, Doch nicht mit strafbarn noch gefährlichen. Was er für mich, was ich für ihn getan, Es war ein Bund der Redlichkeit und Treu. Je eifriger du sprichst, je klarer wird's, Wie eng der Meutrer dich umgarnet hat, Und um so weniger darf dir der Schwur, Den Wir von dir begehrt, erlassen sein. Die Treue sei des deutschen Volkes Ruhm, So hört ich sagen, und ich glaub es fest Trotz allem, was ich Bitteres erfuhr. Ihr selbst, o Kaiser, höchstes Haupt des Volks, Das man um Treue rühmet, habt noch jüngst, Was von Verrat Ihr denkt, so schön bewährt: Als Misiko, der junge Polenfürst, Gedrängt von Eurer Waffen Ungestüm, Zu Odelrich, dem Böhmenherzog, floh Und dieser, um den Zorn, den Ihr ihm tragt, Zu sühnen, Euch den Flüchtling anerbot, Da wandtet Ihr Euch mit Verachtung ab. Was Ihr vom Feind, vom Fremdlinge verschmäht, Könnt Ihr's verlangen von dem eignen Sohn, Vom deutschen Fürsten? Nein, Ihr könnt es nicht. Vom Sohne heisch ich, daß er nicht dem Feind, Dem bittersten des Vaters, sich geselle, Vom deutschen Fürsten, daß er nimmermehr Die Friedensstörer heg in seinem Land. Was ich verlang, ist dir zwiefache Pflicht, Und sehr mit Unrecht nennst du es Verrat. Nennt's, wie Ihr wollt, doch ist es Treue nicht; Es ist nicht Freundschaft, ist nicht Dankbarkeit, Nichts, was begeistern könnt ein edles Herz. Noch einmal frag ich: Schwörest du den Eid, Den Wir bedungen, oder schwörst du nicht? Antworte nicht zu rasch, erwäg es reiflich! Es handelt sich nicht bloß ums Herzogtum, Nicht bloß um fernere Gefangenschaft; Des Kerkers bist du ledig, aber was Ich mühsam abgelenkt von deinem Haupt Damals, da man zu Ulm dich richtete, Jetzt hängt es unabwendbar über dir: Die Acht des Reiches und der Kirche Bann. Erbarmen meinem Sohne! Muß ich dich Des Schwurs erinnern, Gisela? Mein Fürst, Vernehmet, was die Kirche zu Euch spricht! Als Ihr Euch ungehorsam, undankbar Erhobet gegen Euren Herrn und Vater, Damals habt Ihr, vom bösen Geist gespornt, Selbst nicht geweihtes Eigentum verschont: Der heil'ge Gallus und das fromme Stift Von Reichenau erseufzten Eurem Drang. Schon war der Bannstrahl über Euch gezückt, Und nur die kaiserliche Fürsprach hielt Den Arm zurück, der noch gehoben ist: Des warnet Euch die Kirche mütterlich. Warnt eine Mutter so? Und jetzt bist du Gemahnet. Jetzt antworte mit Bedacht: Beschwörst du die Bedingung oder nicht? Die Luft des Kerkers, die ich lang gehaucht, Hat abgespannt die Sehnen meiner Kraft. Wohl bin ich mürbe worden, doch nicht so Bin ich herabgekommen, nicht so ganz Zerbrochen und zernichtet, daß ich den Verriete, der mir einzig Treue hielt. Genug. Die Pflicht des Vaters ist erfüllt; Auch soll der jüngre Bruder keineswegs Entgelten, was der ältere verbrach: Dem Hermann fällt das Herzogtum anheim; Er führe nach Italien mir das Heer! Mit reiner Hand erheb ich dieses Schwert Und spreche so den Spruch der Reichesacht: Aus kaiserlicher Macht und nach dem Schluß Der Fürsten steh ich und erkläre dich, Vormals der Schwaben Herzog, Ernst den Zweiten, Als Feind des Reichs, als offenbaren Ächter: Vom Frieden setz ich dich in den Unfrieden, Dein Lehen teil ich hin, woher es rührt, Dein eigen Gut gestatt ich deinen Erben, Erlaube männiglich dein Leib und Leben, Dein Fleisch geb ich dem Tier im Walde preis, Dem Vogel in der Luft, dem Fisch im Wasser. Ich weise dich hinaus in die vier Straßen Der Welt und, wo der Freie wie der Knecht Fried und Geleit hat, sollst du keines haben Und, wie ich diesen Handschuh von mir werfe, Wie dieser Handschuh wird zertreten werden, Sollst du verworfen und zertreten sein. Sollst du verworfen und zertreten sein. Im Namen sämtlicher des Reichs Bischöfe, Verbann ich dich, vormal'gen Herzog Ernst, Samt allen, die dir helfen und dich hegen, Aus unsrer heil'gen Kirche Mutterschoß Und übergebe dich dem ew'gen Fluch: Verflucht seist du zu Haus und auf dem Feld, Auf offnem Heerweg, auf geheimem Pfad, Im Wald, auf dem Gebirg und auf der See, Im Tempel selbst und vor dem Hochaltar! Unselig sei dein Lassen und dein Tun, Unselig, was du issest, was du trinkst Und was du wachest, schlummerst oder schläfst; Unselig sei dein Leben, sei dein Tod! Verflucht seist du vom Wirbel bis zur Zeh, Verflucht sei der Gedanke deines Hirns, Die Rede deines Munds, des Auges Blick, Der Lungen Odem und des Herzens Schlag, Die Kraft des Armes und der Hände Werk, Der Lenden Mark, der Füße Schritt und Tritt Und selbst der Kniee Beugung zum Gebet! Und wie ich dieser Kerzen brennend Licht Auslösch und tilge mit des Mundes Hauch, So aus dem Buch des Lebens und der Gnade Sollst du vertilget sein und ausgelöscht. Sollst du vertilget sein und ausgelöscht. Hin fahr ich, ein zwiefach Geächteter, An meine Fersen heftet sich der Tod, Und unter Flüchen krachet mein Genick, Vom Werner laß ich nicht. 2. Akt Zweiter Aufzug An der Heerstraße. in geringer Tracht. Dort hebt der Dom von Basel sich empor; Nicht darf ich's wagen, der Landflüchtige, Ins Tor der Stadt, das gastlich offensteht, Hineinzuschreiten wie ein andrer Mann. Der breite Heerweg ziehet sich hinauf, Ich aber darf gebahnte Straßen nur Durchkreuzen wie ein aufgescheuchtes Wild, Das quer hinüber nach dem Walde flieht. Zween Herren reiten mit Gefolg heran, Am Kreuzweg halten sie, sie steigen ab, Sie wandeln hieher nach dem Schattensitz. Er ist's, er ist's, Graf Odo, ja er ist's, Und auch den andern sollt ich kennen, ja: Wie schlägt mein Herz, der Vater Edelgards! Ernst tritt in das Gebüsch zurück, während die Grafen Hugo von Egisheim und Odo von Champagne auftreten. Ich bat Euch abzusteigen, werter Graf! Wir trennen uns an diesem Scheideweg: Euch führt die Straße links nach der Champagne, Mich jene rechts zum kaiserlichen Hof. Damit nun diese Scheidung unsrer Bahn Nicht eine Trennung sei für immerdar, Vergönnt ein wohlgemeintes Abschiedswort! Es ist in vor'gen Zeiten wohl geschehn, Daß Ihr den ältern Freund um Rat befragt, Vergebt ihm, wenn er ungebeten jetzt Mit seinem Rat erscheinet! Sprecht, Herr Graf! Ihr habt in Basel selbst Euch überzeugt Von der burgund'schen Großen Wankelmut; Ihr saht die stürmischen Versammlungen Herüber und hinüber wogen. Nun? Als erst gemurmelt ward, daß Herzog Ernst Entlassen sei aus seiner Kerkerhaft Und hergestellt in herzogliche Macht, Da war es all vergessen, daß man jüngst Dem Erbvertrag einhellig beigestimmt, Den Rudolf mit dem Salier neu beschwor. Um Euch, den Blutsverwandten Ernsts, den gleich Beteiligten, erhob sich das Gedräng, Die Losung: »Ernst und Odo.« Und wozu Mir dieses jetzt? Als aber bald darauf Der Bann, die Ächtung Ernsts verlautet war, Da wechselte der Wind. Erlaßt mir das! Die Losung: »Kunrad«. Graf, gehabt Euch wohl! Noch nicht, mein Freund! Das eben macht mir Sorge, Daß Ihr so feindlich, mit verbißnem Groll Nach Hause kehret. Wißt Ihr das gewiß? Noch ist mein Auge nicht so alterschwach, Daß ihm der Blicke Zorn, der Lippen Trotz Und jeglicher Bewegung Hastigkeit An Euch verborgen bliebe. Teurer Freund, Nicht in vereinter Kraft mit Herzog Ernst Wär's Euch gelungen, noch viel weniger Könnt Ihr's allein erzwingen. Hofft es nicht! Unbeugsam steht des Kaisers Wille, groß Ist seine Macht. Vermeidet seinen Grimm, Verzehren würd er Euch. O schleudert nicht Die Fackel in das unglücksel'ge Land, Das noch vom alten Kriegesbrande raucht! Ihr werdet nicht: Gebt mir darauf die Hand! Ernst tritt hervor und faßt den Mantel des Grafen Odo. Ein Bettler zerrt mich hier und einer dort. Was bettelst du? Das Erbe von Burgund. Ernst! Herzog Ernst! Nicht er, sein Schatten nur, Sein irrer Geist, der auf dem Kreuzweg spukt. Wahnwitziger! Wär ich wahnsinnig worden, Wen dürft es wundern? Doch ich bin es nicht. Noch weiß ich gut, daß du Graf Odo bist, Mein Vetter und Miterbe von Burgund. Dir laur ich an den Straßen auf, von dir Begehr ich Hülf in meiner tiefen Not. Zur bösen Stunde bist du mir genaht, Wo mir's im Busen kocht, im Hirne brennt, Wie du so schmählich, schmählich mich getäuscht. Als Herzog hoch zu Roß, an Heeresspitze Einziehend in Burgund, mein Kampfgenoß, So hab ich dich erwartet, und es stand In deiner Macht. Für einen Landsverwiesnen Betrogst du mich und läufst nun selbst daher, Ein weggejagter Bettler, und verlangst, Ich soll die nackten Lenden dir mit Purpur Bekleben, soll dir auf dein struppig Haar Die Krone stoßen, soll auf meinen Schultern Thronan dich schleppen. Nein, du kennst mich falsch: Nicht will ich an Geächtete mich ketten, Frei will ich schreiten an mein hohes Ziel. Gelüstet's dich nach Kronen, frage nur Den Alten hier! Der weiß für alles Rat. Abgehend. Mein Roß! O Schmach! o rachelose Schmach! Auch du bist ehrlos, herzogliches Schwert, Und keines Freien Klinge kämpft mit dir. Unglücklicher! Du fühlest Mitleid noch, Und ungetröstet soll ich nicht von hier. Du siehst dich sorglich um – sei ohne Furcht! Wir sind hier unbehorcht, kein Lauscher wird's Verraten, wenn du den Verbannten hörst. Ich will dir ferne stehen, daß mein Hauch Dich nicht berührt, noch mein Gewand dich streift. Könnt ich dir Trost gewähren, o wie gern! Ehrwürd'ger Greis, wenn die Erinnerung Vergangner Tage dich nicht ganz verließ, So wirst du dich entsinnen, daß ich einst, In schönrer Zeit, um deine Tochter warb. Nicht will ich die Bewerbung jetzt erneun; Ich wär ein unglücksel'ger Bräutigam: Wollt ich zur Kirche führen meine Braut, Kein hochzeitlich Geleite trät uns nach, Vor meinem Anblick kreuzte sich das Volk, Kein Festklang tönte von dem Glockenhaus Noch die Posaune von des Turmes Kranz, Und wollt ich mit ihr nahen dem Altar, So schwiege Chorgesang und Orgelschall, Der Priester höbe dräuend seine Hand Und spräche Fluch statt Segen über uns. Nein, werben darf ich nicht um Edelgard, Auch hab ich's um dich selber nicht verdient: Drei feste Burgen hab ich dir zerstört, Weil du zum Kaiser, deinem Vetter, hieltst. Nur eines bitt ich, sag es mir zum Trost: Hat deine Tochter, wenn einmal von mir, Von meinem Mißgeschick die Rede ward, Hat sie, ich meine nicht, um mich geweint, Nein, ob das Aug ihr flüchtig überlief, Nur wie ein leichter Hauch den Spiegel trübt; Ob sie, geseufzet nicht, nein: tiefer nur Geatmet, wie man oft im Traume pflegt? Von Tränen und von Seufzern merkt ich nichts, Nur, daß sie ernster, feierlicher ward. Mildtätig, hülfreich war sie schon zuvor, Jetzt gab sie gänzlich sich der Armut hin: Wie fromme Witwen pflegen, spendete Die jungfräuliche Witwe jeden Tag Almosen, war der Kranken Wärterin, Erquickte Pilger und Gefangene ... Gefangene! Bis nun die Botschaft kam, Daß du mit Acht belegt und Kirchenbann; Da bat sie freundlich eines Morgens mich, Sie zu geleiten zum Ottilienberg. (Du kennst das Kloster, das von seiner Höh Das schöne Elsaß weithin überschaut.) Als sie vom Zelter dort gestiegen war Und in der Hand den Ring der Pforte hielt, Da sprach sie: »Wohlgelegen ist dies Stift; Man sieht von seiner Schwelle weit umher Die Städt und Burgen, Fluß und Feld und Hain Und allen Reichtum dieser schönen Welt So freundlich und so blühend hingelegt, Daß, wem nicht alles Erdenglück erstarb, Wem nicht die Hoffnung ganz entwurzelt ist, Hier an der Pforte noch umkehren muß.« Mit diesem trat sie in der Mauern Kreis. Und dort im Hofe quillt ein heil'ger Born, Ein wunderkräft'ger, der die Augen stärkt Und selbst der Blindheit nächt'ge Binde löst; Damit benetzte sie der Wimpern Saum. »Mein Aug ist trübe worden«, hub sie an, »Und wohl bedarf ich, daß ein Himmelstau Zur ew'gen Klarheit mir den Blick erschließt.« So sagte sie dem Ird'schen lebewohl. Ab. Auch du hinab, du goldner Liebesstern, Der meiner Jugend Pfade schön erhellt, Der tröstend in mein Kerkergitter schien! An dieses Weibes liebevoller Brust Hätt ich genesen können. Vieles noch Und Härtres hätt ich auszustehn vermocht, Wenn sie mir blieb. Noch kannt ich keine Schmach, Kein Drangsal, keine Wunde, keinen Schmerz, Dafür nicht sie der süße Balsam war; Ja, sie erquickte mich Gefangenen; Sie hätte dem erschöpften Pilgersmann Noch einst den frischen Lebenskelch gereicht. Nun muß ich wandern meinen rauhen Pfad Einsam, umnachtet, ewig herberglos. Er will abgehen, ein Kriegsknecht vertritt ihm den Weg. Halt! Wer da? Halt! Zurück! ich sag zurück! Du bist gedungen, mich zu morden. Ja, Schon lang verfolgst du mich. Heb dich hinweg! Noch wehr ich um mein elend Leben mich, Noch bin ich Mördern kampfgerecht. Stoß zu! Triff dieses Herz! Mein Werner! O mein Werner! Dein Werner und der Deinige so ganz Und so mit jedem Atemzug, mit jedem Blutstropfen ... Jetzt bin ich geborgen. Gott Verließ mich nicht. O du getreuer Freund! Du edles Herz! Du lautres Gold! Halt ein! Wieviel, wieviel hast du für mich getan, Geduldet! Nie vergelt ich dir's. Du hast Voraus vergolten. Nichts hab ich getan. Du bist der einzig Treue. Laß uns hier Im Schatten ruhn! Ich bin vom Wandern müd; Die Eiche breitet uns ein wirtlich Dach. Mir ist, als ob ich wieder Herzog sei, Als wären wir an einem schönen Tag Hinausgeritten auf die Falkenjagd Und hätten uns zu Mittag hier gesetzt. Erzähle, Werner, wo du warst indes, Wie du gelebt! In Frankreich sah ich zu, Wie dort der König seine Fürsten zähmt; Da kam von Aachen her mir der Bericht Durch einen Kriegsknecht, der nach Solde ging, Daß du aus deiner Kerkerhaft befreit, Daß du geächtet und gebannet seist, Und zwar um meinetwillen. Augenblicks Riß ich dem Knechte seinen Mantel ab Und gürtete sein kurzes Schwert mir um Und lief nach deinen Fährten, edles Wild, Und habe dich ergriffen. Werner, sprich! Auf dir auch lastet Acht und Kirchenfluch: Wie hast du es gemacht, daß du so fest, So aufrecht bliebest? Höher, kräftiger Erscheinst du mir, als ich dich je gekannt. Es heißt, die Saat gedeih im Wetterschein; Vom Bannstrahl, glaub ich, wuchs auch mir die Kraft. Mir dünkt es, deine Treue hat's getan. O! macht' uns Treue kräftig und gesund, Dann müßtest du wie eine Rose blühn. Woraus mein Leben seine Nahrung zieht, Was mich erhält und was mich kräftiget, Ist die Erinnrung eines großen Tags, An dem die deutsche Freiheit mir erschien In offnem Wirken, in lebend'ger Kraft. Dies Angedenken trug ich auf der Flucht Mit mir als ein gerettet Heiligtum, Und unter dieser hohen Eiche hier, Uralt, doch grünend wie die Freiheit selbst, Stell ich mein wundertätig Bild dir auf, Daß es gerad im Abgrund unsrer Not Erhebend sich beweise dir und mir. Wenn etwas noch mich aufzurichten taugt, Ein Wort aus deinem Munde muß es sein. Nicht bloß, daß in der Stunde der Geburt Der Sterne Wechselstand geheimnisvoll Die menschlichen Geschicke vorbestimmt, Noch mitten oft ins Leben tritt ein Tag, Der unsrem Wesen erst den Vollgehalt, Der unsrer Zukunft, allem unsrem Tun Die unabänderliche Richtung gibt. Auch mich ergriff ein Tag für alle Zeit; Vollkommen klar bin ich mir des bewußt: Der fromme Kaiser Heinrich war gestorben, Des sächsischen Geschlechtes letzter Zweig, Das glorreich ein Jahrhundert lang geherrscht. Als nun die Botschaft in das Reich erging, Da fuhr ein reger Geist in alles Volk; Ein neu Weltalter schien heraufzuziehn, Da lebte jeder längst entschlafne Wunsch Und jede längst erloschne Hoffnung auf. Kein Wunder jetzo, wenn ein deutscher Mann, Dem sonst so Hohes nie zu Hirne stieg, Sich heimlich forschend mit den Blicken maß; Kann's doch nach deutschem Rechte wohl geschehn, Daß, wer dem Kaiser heut den Bügel hält, Sich morgen selber in den Sattel schwingt! Jetzt dachten unsre freien Männer nicht An Hub- und Haingericht und Markgeding, Wo man um Esch und Holzteil Sprache hält, Nein, stattlich ausgerüstet zogen sie Aus allen Gauen, einzeln und geschart, Ins Maienfeld hinab zur Kaiserwahl. Am schönen Rheinstrom, zwischen Worms und Mainz, Wo unabsehbar sich die ebne Flur Auf beiden Ufern breitet, sammelte Der Andrang sich; die Mauern einer Stadt Vermochten nicht das deutsche Volk zu fassen. Am rechten Ufer spannten ihr Gezelt Die Sachsen samt der slaw'schen Nachbarschaft, Die Bayern, die Ostfranken und die Schwaben; Am linken lagerten die rhein'schen Franken, Die Ober- und die Niederlothringer. So war das Mark von Deutschland hier gedrängt, Und mitten in dem Lager jeden Volks Erhub sich stolz das herzogliche Zelt. Da war ein Grüßen und ein Händeschlag, Ein Austausch, ein lebendiger Verkehr! Und jeder Stamm, verschieden an Gesicht, An Wuchs und Haltung, Mundart, Sitte, Tracht, An Pferden, Rüstung, Waffenfertigkeit, Und alle doch ein großes Brüdervolk, Zu gleichem Zwecke festlich hier vereint! Was jeder im besondern erst beriet, Im hüllenden Gezelt und im Gebüsch Der Inselbuchten, mählich war's gereift Zum allgemeinen, offenen Beschluß. Aus vielen wurden wenige gewählt, Und aus den wenigen erkor man zween, Allbeide Franken, fürstlichen Geschlechts, Erzeugt von Brüdern, Namensbrüder selbst, Kunrade, längst mit gleichem Ruhm genannt. Da standen nun auf eines Hügels Saum Im Kreis der Fürsten, sichtbar allem Volk, Die beiden Männer, die aus freier Wahl Das deutsche Volk des Thrones wert erkannt Vor allen, die der deutsche Boden nährt, Von allen Würdigen die Würdigsten Und so einander selbst an Würde gleich, Daß fürder nicht die Wahl zu schreiten schien, Und daß die Wage ruht' im Gleichgewicht; Da standen sie, das hohe Haupt geneigt, Den Blick gesenkt, die Wange schamerglüht, Von stolzer Demut überwältiget: Ein königlicher Anblick war's, ob dem Die Träne rollt' in manchen Mannes Bart. Und wie nun harrend all die Menge stand Und sich des Volkes Brausen so gelegt, Daß man des Rheines stillen Zug vernahm (Denn niemand wagt' es, diesen oder den Zu küren mit dem hellen Ruf der Wahl, Um nicht am andern Unrecht zu begehn, Noch aufzuregen Eifersucht und Zwist), Da sah man plötzlich, wie die beiden Herrn Einander herzlich faßten bei der Hand Und sich begegneten im Bruderkuß: Da ward es klar, sie hegten keinen Neid, Und jeder stand dem andern gern zurück. Der Erzbischof von Mainz erhub sich jetzt: »Weil doch«, so rief er, »einer es muß sein, So sei's der Ältre!« Freudig stimmten bei Gesamte Fürsten und am freudigsten Der jüngre Kunrad; donnergleich erscholl, Oft wiederholt, des Volkes Beifallsruf. Als der Gewählte drauf sich niederließ, Ergriff er seines edeln Vetters Hand Und zog ihn zu sich auf den Königssitz. Und in den Ring der Fürsten trat sofort Die fromme Kaiserwitwe Kunigund: Glückwünschend reichte sie dem neuen König Die treubewahrten Reichskleinode dar. Zum Festzug aber scharten sich die Reihn, Voran der König, folgend mit Gesang Die Geistlichen und Laien; so viel Preis Erscholl zum Himmel nie an einem Tag. Wär Kaiser Karl gestiegen aus der Gruft, Nicht freudiger hätt ihn die Welt begrüßt. So wallten sie den Strom entlang nach Mainz, Woselbst der König im erhabnen Dom Der Salbung heil'ge Weihe nun empfing. (Wen seines Volkes Ruf so hoch gestellt, Dem fehle nicht die Kräftigung von Gott!) Und als er wieder aus dem Tempel trat, Erschien er herrlicher als kaum zuvor, Und seine Schulter ragt' ob allem Volk: Das ist der große Tag, der mich ergriff, Der mich in allem Drangsal frisch erhält. Ein großer Sinn faßt große Bilder auf, Ein andrer andre. Dazumal, als du Dem freien Vaterland ins Auge sahst, Erglänzte mir der ersten Liebe Huld In eines Mägdleins minniglichem Blick. Ich war ein Jüngling, stand in Vormundschaft Von meinem Ohm, dem Erzbischof von Trier, Und noch war mir des Reiches Sache fremd. Wohl kamen andre Zeiten, strengere, Die mich gerüttelt aus dem Liebestraume. O nicht vergeß ich's: mit dem alten Welf Von Altdorf und mit andern schwäb'schen Herrn War ich geritten auf das Maienfeld; Wir tränkten eben unsre Pferd im Rhein, Da kamest du den Strom herabgeschifft Auf einer leichten, buntverzierten Jacht, Du selbst im Fürstenschmuck, zur Seite dir Graf Hugo mit der schönen Edelgard, Und schwebend auf dem Schiffesrande saß Ein Sänger, der die Harfe lieblich schlug; Des Stromes Klarheit aber spiegelte Die glänzenden Gestalten. Schöne Zeit! Wie ist das alles längst den Strom hinab! Auch was vor mir so groß und herrlich stand, Es ist nicht mehr, nur im Gedanken lebt's: Der Mann, den wir zum König uns gewählt, Und der so demutsvoll das Haupt geneigt, Er hat's emporgeworfen; ihn verlangt Nach Unbeschränktheit, nach Alleinherrschaft Und nach der Erblichkeit in seinem Stamm. Die ihn erwählten, tritt er in den Staub; Den Kunrad, den er jenes Mal geküßt, Hat er genötigt, nach dem Schwert zu greifen; Des Reichs verwiesen ist der graue Welf, Der Herzog Adalbert von Kärnten irrt Mit seinen Söhnen heimatlos umher; Und du, mein Herzog, o wie hat er dich Vom Anbeginn verfolgt, beraubt, zerknirscht! Ich bin dir zugetan durch Lehenseid, Der Freundschaft heilig Band verknüpfet uns, Doch wär ich nicht dein Mann und nicht dein Freund, Dein Banner hätt ich dennoch aufgesucht, Damit ich ihn bekämpfe, dem auch ich Einst zugerufen auf dem Feld der Wahl. Wohl wittert jedes Wesen seinen Feind, Drum hegt auch dir der Kaiser wildern Haß Und unversöhnlicheren als mir selbst. Von diesem Haß, den ich allein verwirkt, Mußt du, Unglücklicher, das Opfer sein. Nicht ich bin elend, denn mich treibt die Glut, Die ich an jenem Tag in mich gesaugt. Du aber hast nach Frieden dich gesehnt Und mußt nun so unendlich friedlos sein Und hast für all die Treue keinen Dank Von mir, als daß ich schadenfroh und stolz Auf dich hinblicke, wie du nun so ganz Verlassen dastehst und so ganz entblößt, Und wie nun ich dein einz'ger Lehensmann, Der einz'ge bin, der dich noch Herzog nennt, Und wie nun mir allein die Ehre bleibt, Dir Dienst zu leisten bis zum letzten Hauch. Gewaltiger, was neigst du dich vor mir? O wahrlich, nie in deinem Fürstenglanz Erschienst du mir so herrlich, so erlaucht, So würdig jeder tiefsten Huldigung, Als wie du jetzt in freierkorner Schmach, In deiner Selbstverbannung vor mir stehst. Doch nein, so ganz vergessen bist du nicht: In Schwaben, wo dein Vater Herzog war, Wo ihn und dich ein biedres Volk geliebt, Wo mancher jetzt auf seiner Feste haust, Der unter deinem Banner einst gekämpft, Dort muß von dir noch ein Gedächtnis sein; Dorthin sei unser irrer Pfad gelenkt, Des Schwarzwalds dichter Schatten nehm uns auf! Dir folg ich, und wenn alles mich verschmäht, Du wirst mich nie verlassen. Siehst du hier? Der Handschuh, den ich aus dem Koller zieh, Er ward vom Kaiser in den Staub geschleudert, Daß er verschmähet und zertreten sei. Der Kriegsknecht hob ihn auf und gab ihn mir, Und dieser Handschuh liegt an meiner Brust. Beide ab. 3. Akt Dritter Aufzug Palast zu Aachen, wie am Anfang des Stücks. Gisela und Graf Hugo im Gespräch. Ihr kehrt zurück nach Basel, edler Graf? Dem Kaiser meldet' ich den neusten Stand Der Angelegenheiten in Burgund. Er will, Daß ich dort wieder gegenwärtig sei Und mit unausgesetzter Wachsamkeit Vorbeuge jedem neuen Friedensbruch. Noch fehlt mir Euer Urlaub, hohe Frau! Befürchtet nicht, wie Ihr zu fürchten scheint, Daß ich mit Auftrag Euch behellige, Der dem, was Euch der Kaiser anbefahl, Entgegen wäre! Nein, ich bitt Euch selbst, Verwendet Euer Ansehn, Euern Rat Allwärts zur Söhnung und Beruhigung! Mein Oheim, König Rudolf, schätzt Euch hoch; O haltet sein geschwächtes Alter fest, Daß er nicht wieder wanke dem Vertrag! Und wie Ihr diesen stärket und erhebt, So stillt und sänftiget am andern Teil Die gärenden Vasallen, dämpft den Mut Des stolzen Odo, der Verwegnes sinnt, Und hütet überall, daß nicht mein Sohn Verbindung knüpft und neuen Anhang wirbt! Verehrend ahn ich Eurer Worte Grund: Indes Ihr gegen den Geächteten Zu wirken scheinet, seid Ihr überzeugt, Sein Heil zu fördern: ist Burgund nur erst Durchaus beruhigt und dem Reich gewiß, Dann wird der Kaiser auch geneigter sein, Die Acht zu nehmen von des Herzogs Haupt. Ich aber gehe freud'ger ans Geschäft, Da ich, dem Kaiser dienend, Euch zugleich Und Eurem Sohne frommen darf. Noch eins! Wenn Ihr jetzt wieder das Ottilienstift Besucht und Edelgard ans Gitter tritt, Grüßt sie von mir! Huldreiche Kaiserin! O! schöne Hoffnungen sind mir zerknickt: Die einz'ge Tochter, die mir Gott geschenkt, Ein holdes Kind, in zarter Jugend schon Dem Könige von Frankreich anverlobt, Nicht sollt ich sie zum Traualtar geleiten, Die Totenkrone statt des Hochzeitkranzes Mußt ich ihr flechten in das blonde Haar. Und wieder hofft ich, daß mein Ältester Mir eine Tochter brächte zum Ersatz; Denn wie des Vaters Stolz darin besteht, Den Sohn gekrönt zu sehn mit Ruhm und Macht, So ist's der Mutter Wonne, wenn der Sohn Einhertritt mit der jugendlichen Braut, Der liebenden, die ihm das Leben schmückt. Umsonst hab ich die Arme aufgetan So seligem Empfang. Lebt wohl, Herr Graf! Graf Hugo ab. Indem Gisela abgehen will, tritt von der andern Seite der Kaiser mit dem Grafen Mangold auf. Verweile, Gisela, wenn nicht zu sehr Dich anderen Berufes Eile drängt! Auf dich zu hören gehet jedem vor. Aus Schwaben ist mir Botschaft zugekommen, Sehr unerfreuliche, womit ich gern Dein Ohr verschonte, wenn sie anders dir So unerwünscht wie mir zu hören ist. Der Überbringer dieser Kunde selbst, Graf Mangold, melde dir, was dort geschehn! Erlauchte Frau, laßt es den Boten nicht Entgelten, wenn die Botschaft Euch mißfällt! Indes der Ungar deutsche Mark bedräut Und wider ihn das Aufgebot ergeht, Indes erhebt von schwäb'schen Gauen her Sich innre Gärung. Durch den Schwarzwald streift Unheimlich eine kriegerische Schar, Die man zuerst für Räuber achtete (Denn ihre Zehrung holt sie mit Gewalt), Bis man hernach an ihrer Spitze sah Den Fürsten Ernst und Wernern, seinen Freund. Noch werden sie auf fünfzig kaum geschätzt, Noch sind sie unberitten, schlecht bewehrt, Noch öffnete sich ihnen keine Burg, Noch lagern sie in Wald und Felsgeklüft, Und doch ist dumpfes Harren überall, Und mancher, der die Klinge schon geputzt, Um mit dem Heer nach Ungarn auszuziehn, Erwartet, was daheim geschehen will. Schreckt nicht die Reichsacht und der Kirchenbann, Womit mein Sohn belegt ist, jeden ab? Ein sonderbarer Glaube herrscht im Volk: Sie wollen's nicht begreifen, daß ihr Fürst So lang gesessen in der Kerkernacht; In wundervolle Reisen wandeln sie Die öden Jahre der Gefangenschaft Und geben sein Ergrauen vor der Zeit Dem scharfen Strahle fremder Sonnen schuld. Ich selber hab es immer nicht gefaßt, Wie, der so jung sei und so lebensfroh, Im Kerker modern könne, und noch jetzt Erscheint er mir im Traume anders nie Denn frisch und blühend, wie er sollte blühn: Die Mutter, die ihn unterm Herzen trug, Kann nicht vergessen, was sein Alter ist. Doch laßt mich weiter hören, was man spricht! In Indien und im ganzen Morgenland Hat er der Abenteuer viel bestanden: Durch eines finstern Berges Eingeweid Riß ihn auf schwankem Floß ein wilder Strom; Der ries'ge Greif entführt ihn durch die Wolken; An dem Magnetberg fuhren seinem Schiff Die Nägel aus, daß es in Trümmer ging; Mit Völkern von unmenschlicher Gestalt Hat er gekämpft und manchen Sieg erlangt. Was je ein Pilger Seltsames erzählt, Das wird auf Eures Sohnes Haupt gehäuft, Und dieser Schein des Wunderbaren zieht Leichtgläubige Gemüter mächtig an. Wohl fuhr mein Sohn durch einen finstern Berg, Ein furchtbar Schicksal rafft' ihn durch die Luft, Die Nägel seines Schiffes lösten sich, Die ungetreuen, daß es scheiterte, Und auf den Scheitern treibt er noch umher. Weh ihm, wenn sich das edle Menschenbild Zu wilden Mißgestalten ihm entstellt! Graf Mangold, diese Rede kränk Euch nicht! Ihr habt getan, was Ehr und Pflicht gebot, Und mein Vertrauen lohnet Euch dafür. Dies Schwert hat meine Hand Euch umgehängt, Nicht um darauf zu ruhn (den Toten nur Legt man die Schwerter unters müde Haupt): Zur fernern Tat bezweckt ich Euch zu weihn, Und wenn ich vom ital'schen Heereszug Zurück Euch hielt, so war die Absicht die, Daß ich mir einen wohlerprobten Arm Bewahrte für die heimische Gefahr. Der Augenblick ist da: der Aufruhr gärt; Ihr sollt ihn mir vertilgen in der Brut. Und wie ich Eures Oheims klugem Sinn Der Staatsgeschäfte Leitung anvertraut, So übergeb ich Eurer Tapferkeit Die Kriegsmacht mit vollkommener Gewalt. Nur rasch zum Werk! Der Rücken werd uns frei! Der Ungarn Andrang, den die Meuterer Zu nützen hofften, leidet nicht Verzug. Mit nächstem werd ich selbst in Schwaben sein, Um nachzusehn, was Euer Schwert vollführt. Geblendet von so hellem Gnadenschein, Von plötzlicher Erhebung überrascht, Versagt mir jeder Ausdruck meines Danks Und meiner treuesten Ergebenheit. Die Vollmacht langt Ihr bei dem Kanzler ab. Dich, Gisela, gemahn ich deines Eids. Ab. Herr Graf, vergönnt mir, Euer Schwert zu sehn! Sie nimmt es. Und ist nun das die mörderische Spitze, Die nach dem Blute meines Sohnes lechzt? Nicht kann ich Schwerter schmelzen und nicht darf Ich Menschen rühren, doch zum Himmel noch Darf ich mich wenden in der Seelenangst: O gnadenreiche Mutter, der ein Schwert Durchs Herz gegangen, als du tränenvoll Aufblicktest zu dem Kreuze deines Sohns, Dich fleh ich an, gestatte du es nicht, Daß dieser kalte Mordstahl meinem Kind Die Brust durchbohre und die meine mit! Sie gibt das Schwert zurück. Mangold ab. Ein Pilger stehet dort im Säulengang; Er sah mich beten, und gefaltet hält Auch er die Hände. Segne Gott den Mann, Der mein schmerzvolles Flehen unterstützt! Tritt ein! Die Tore dieses Hauses sind Jedwedem offen, der nach Hülfe geht. Wer mir kann helfen, muß ein Meister sein. Dein Blick ist finster, deine Stirn gefurcht; Ein tiefer Kummer, nicht von gestern her, Hat dich getrieben auf die Pilgerfahrt. Das Angedenken einer grausen Tat Verfolgt mich. Rede, wenn ich's wissen soll! Ich war ein Ritter, nein, ein Jäger nur; Mich trieb die unbarmherz'ge Lust, das Tier Zu hetzen auf das Tier; mich rührt' es nicht, Wenn mich die Hindin, blutig und zerfetzt, Betränten Auges bat um ihren Tod. Wär mir wie einst dem heiligen Hubert Das Kreuz erschienen auf des Hirsches Haupt, Ich hätt ihm doch den Pfeil ins Herz geschnellt! Nun kam der Herzog einst (Ihr werdet bleich, Erlauchte Frau?), er kam in meinen Forst, Als eben dort ein Zwanzigender strich. Welch beßre Kurzweil hätt ich ihm gewußt, Als ihn zu laden zu so edler Jagd? Auf schweißbeträuften Rossen rannten wir Dem Wilde nach; der Herzog hatte schon Sich mit gespannter Sehne vorgelegt; Da gönnt ich ihm den Hauptschuß nicht: ich warf Querüber meinen Speer, der Hirsch flog hin, Hin flog das led'ge Pferd, am Boden lag Der Herzog, in der Seite meinen Speer. Weh dir! Gebüßt war meine Lust. Warum Zerreißest du mein Herz, das schon genug Von Angst gequält ist, noch mit Schrecknissen Verfloßner Tage? Mörder meines Gatten, Unsel'ger Adalbert, ist dir es leid, Daß dich die Zeit und deiner Schuld Gefühl Unkenntlich machte? Gerne hab ich stets Auch Unbekannten hülfreich mich gezeigt; Warum, wenn irgend Not zu mir dich führt, Hebst du den Vorhang, der wohltätig mir Die gräßliche Vergangenheit bedeckt? Der Herzog aber richtete sich auf, Und ächzend sprach er: »Komm, dir ist verziehn; Komm her, damit ich sterb in deinem Arm!« Und als ich ihn im Arme hielt, da schlossen Die Jäger einen dichten Kreis umher. Und wieder sprach er: »Ist kein Priester hier? Mich drücken meine Sünden.« Drauf begann Er uns zu beichten mit gebrochnem Laut. Sein Letztes war: »Für meine Seele betet! Sagt meiner Frau, der Gisela, sie soll Ihr Witwentum bewahren, soll nicht mein Vergessen.« Ward's Euch ausgerichtet? Ja. Mein Friede war seit jenem Tag dahin, Denn wo ich ging und wo ich rastete, War mir's, als krampfte sich ein Sterbender An meine Brust, als hört ich dicht am Ohr Ein letztes Röcheln; drum den Pilgerstab Ergriff ich, nahm mein Söhnlein auf den Arm, Nach Sankt Georgen trug ich es hinüber, Daß es erwachs in strenger Klosterzucht Und nicht den Jagdspieß werf auf seinen Herrn. Zum heil'gen Grabe wallt ich, betete So lang und brünstig dort, daß ich dem Stein Eindrückte meiner Kniee Spur. Umsonst! Kein Friede stieg erquickend mir herauf. Zehn Jahre lang in harter Sklaverei Zog ich am Pfluge wie ein Stier und riß Der dürren Erde Schollen auf. Umsonst: Die Saat ging auf, kein Segen grünte mir. Als ich nun wiederkam ins deutsche Land Mit dem Entschluß, mir einen finstern Wald Zu suchen, den, wie meine Seele, nie Ein Sonnenstrahl durchdringt, um mir darin Ein Klausnerhaus zu bauen und mein Grab, Da fragt ich erst, als ich die Straße zog: »In welchem Kloster, welcher Siedelei, In welcher tiefsten Einsamkeit verweilt Die Witwe des erschlagnen Herzogs Ernst, Um zu beweinen ihres Gatten Tod Und um zu beten für sein Seelenheil?« Da wies man mich des Weges fort und fort, Bis ich vor diesem Kaiserschlosse stand, Und bis ich trat in dieses Prunkgemach. Jetzt weiß ich, warum der Ermordete Von mir nicht läßt, und jetzt ist mir es klar, Daß er von mir nicht lassen wird, solang Vergessen bleibt, was sterbend er befahl. Wenn dies dich quält und mich zu quälen treibt, So höre denn mir zur Rechtfertigung Und dir zum Troste, wie es sich begab! Ich lebte, wie es Witwen ziemlich ist, Mit meinen Kindern einsam und betrübt. Die Herrn des Landes aber forderten, Daß meinem Sohne, dem verwaisten Ernst, Ein zweiter Vater werde, der zum Schutz Dem Knaben sei und der das Herzogtum Bevogte bis zu Ernstes Mündigkeit. Der tapfre Graf in Franken, Kunrad, warb Um meine Hand, und er vor allen schien Ein tücht'ger Schutzherr meiner Sprößlinge; Ihn wünschten die Vasallen unsres Lands; Er ward von meinen Räten mir gerühmt; Ich aber blieb dem Witwenstande treu. Als ich nun eines Morgens vom Gebet Aus der Kapelle kam, da war der Hof Mit hochzeitlichen Reitern angefüllt, Aus deren Reihn der hohe Kunrad trat Und mich auf einen schmucken Zelter hob; Die Landesherren aber und das Volk, Die mich verteid'gen sollten, jubelten Der seltsamen Entführung Beifall zu. So ist's geschehn. Verdamme, wenn du kannst! Vermeßner Sinn, der sich zu weise dünkt, Die Warnung eines Sterbenden zu achten! Den du den Hort der Deinigen geglaubt, Er ist ihr Feind, ihr Unterdrücker jetzt. Du aber stehest mit geteiltem Herzen Inmitten doppelseitigen Verbands, Und schon hast du dem erstgebornen Sohn Durch schnöden Eid stiefmütterlich entsagt. Willst du mich töten, wie du den Gemahl Mir tötetest? Ein Warner komm ich dir. Umsonst hat Kaiser Heinrich Euch ermahnt, Den Bund zu lösen, dem die Kirche zürnt, Weil du des Kunrads Anverwandte bist; Vergebens zauderte der Erzbischof, Da er dich krönen sollt als Königin; So muß nun ich erscheinen im Palast, Nicht um, ein Höfling, Weihrauch dir zu streun, Nein, um zu warnen mit dem letzten Hauch Des Sterbenden, den ich in mich gesaugt, Daß du entsagest diesem Ehebund, Daß du die Witwe bleibest Herzog Ernsts Und seinen Kindern eine Mutter seist. In meinem Heiligsten greifst du mich an: Du wirfst mir vor, was noch kein Weib ertrug, Du kränkst mich da, wo auch die Löwin fühlt, Du reißest an den Banden der Natur. War meine Einsicht kurz, mein Vorsatz schwach, Die Liebe doch ist ewig stark in mir; Hab ich den Eid geschworen allzu rasch, So hab ich tausendfältig drum gebüßt; Hab ich den Witwenschleier nicht bewahrt, Die Kaiserkrone trag ich unentweiht; Es segnet mich mein Haus, es segnet mich Das Volk, so weit man deutsche Zunge spricht. Der Andacht bau ich hohe Tempel auf, Der Krankheit weih ich Pflegehäuser ein, Der Armut spend ich meiner Kammern Schatz, Allwärts entblühet Segen meiner Spur Und, thront der Kaiser mit dem Schwert des Rechts, So thron ich mit der Gnade Palmenzweig: Vermittlerin bin ich, Fürbitterin, Wie meinen Kindern, so dem ganzen Volk. Du aber, der du strafend vor mich trittst Und mir die Krone werfen willst vom Haupt Und mir das Herz erdrücken in der Brust, Was tatest du, das dich berechtigte, Mich zu vernichten, sprich! was tatest du? Den Stein hast du gehöhlt mit deinen Knien, Am Pflug hast du gezogen statt des Stiers, Dich selbst hast du zerfleischet, ob dir gleich Der, den dein Speer gefällt, so schön verzieh: Dein Werk ist tot, unfruchtbar all dein Tun. Und wenn du nun durch deutsche Gaue wallst Und siehst die Burgen glänzen auf den Höhn Und siehst die Ritter reiten durch das Tal Und hörst des Jagdhorns Klänge durch den Wald, Die wohlbekannten ... Weck nicht diesen Hall! Und siehst das Feuer brennen auf dem Herd Und siehst die Kinder spielen vor der Tür: Mußt du nicht schamrot werden vor dir selbst, Daß du so leblos durch das Leben gehst? Warst du nicht selber einst ein Rittersmann? Hast du nicht einen Forst, nicht eine Burg? Hast du nicht einen Herd und hast ein Kind, Das du verlassen so unväterlich? Und wenn dich nicht die Lust des Lebens lockt, Weißt du nichts mehr von Ritterpflicht und Tat? Ist keine Unschuld mehr bedrängt? Ist kein Unglücklicher, der tapfern Arms bedarf? Irrt nicht dein Herzog, dem den Vater du Erschlagen, irrt er hülflos nicht umher, Geächtet, ohne Burg und ohne Herd? O! läge nicht der Eid vor meinem Mund, Wär nicht verschüttet mein lebend'ger Quell, Wär nicht gebunden meiner Liebe Kraft, Ich wollte mit dir ringen, finstrer Geist, Und wie die Sonn ins Mark der Erde dringt Und aus dem Boden treibt die grüne Saat, So wollt ich dich ergreifen, totes Herz, Und bersten sollte mir dein starres Eis. Ab. Bin ich verwandelt? Wie ist mir geschehn! Hat mich ein Zauberstab berührt? Bin ich In einen Wunderbrunnen eingetaucht? Was nicht der Ölberg, nicht das heil'ge Grab, Was nicht des Jordans hochgeweihte Flut An mir getan, das hat dies Weib vermocht. Ja, Gott kann Wunder wirken überall! Der Schuld, die mich zermalmte, bin ich los, Das Tor der Gnade schließt sich leuchtend auf, Dem Hoffnungslosen ist ein Weg gezeigt. Nicht das entsühnte meine Mörderhand, Daß ich sie wund gerungen im Gebet, Nein, hülfreich sei dem Sohne sie gereicht, Dem sie den Vater freventlich geraubt! Soll ich gegeißelt sein, so sei's für ihn! Mein Blut, für ihn vergossen, wascht mich rein, Mein Geist, für ihn verhaucht, schwebt himmelan, Und mein Geschlecht, das ich verflucht gewähnt, Noch kann es blühen: bis ins fernste Glied Bin ich gesegnet. Heil sei diesem Weib! Ab. 4. Akt 1. Szene Erste Szene Schwarzwald. Auf der Höhe die Burg Falkenstein. Im Vordergrund Werner, den schlafenden Ernst im Schoße. Kriegsleute, umhergelagert. Er schläft in meinem Schoß, er schläft so sanft; Vertrauend hat er sich mir angeschmiegt. O! nur zu sehr hat er mir stets vertraut: Die Eiche, die ihm sollte Schutz verleihn, Hat auf sein Haupt den Wetterstrahl gelenkt. Sein Leben war so schön, so morgenhell, Bis ich sein Freund und sein Verderber ward. Ich bin's, der in den wilden Streit ihn riß, Ich warf ihn ins Gefängnis, ich hab ihn Geächtet, ich sein Liebesglück zerstört, Mein Werk ist er, wie er hier vor mir liegt, Doch er ist immer freundlich, immer treu; Kein andrer Vorwurf ward mir je von ihm Als diese Blässe seines Angesichts Und dieser Schmerzenszug in seinem Schlaf. O könnt ich ihn mit diesen Armen weit Hinübertragen in ein glücklich Land, Wo Friede wohnet und wo Freude blüht, Wo dem Erwachenden sein schweres Leid Verschwunden wäre wie ein böser Traum! Adalbert tritt auf. Da liegt er. Ha! wie er dem Vater gleicht, Als der Erblaßte mir im Arme lag! Tritt sacht auf, Pilger! Weck nicht meinen Freund! Laß mir die Wacht bei diesem Schlafenden! Ich hab ein altes Recht, die Herzoge Im Arm zu halten. Wunderlicher Mann! Wenn man dir tiefer in die Runzeln schaut, Bist du der Adalbert von Falkenstein. Wenn du die Locken von der Stirne streichst, Bist du der Werner, der von Kiburg stammt. Was willst du hier? Den Herzog sucht ich auf. Weißt du, daß er gebannt, geächtet ist? Wer solchen Fluch getragen hat wie ich, Der bleibt von Acht und Bannstrahl ungeschreckt. Das eben soll vom Fluche mich befrein, Daß ich dem Ächter öffne meine Burg, Den sichern Horst, der dort vom Felsen trotzt. Schon hab ich angeklopft an ihrem Tor; Der Burgvogt hat den Einlaß uns versagt. Ihm übergab ich meiner Väter Haus, Als ich hinausging auf die Pilgerfahrt, Und keinem öffnet er als seinem Herrn. erwachend. Wer ist der Mann? Mein Herzog, sei erfreut! Erhebt euch, ihr Gefährten unsrer Not! Gewonnen ist uns heut der erste Sieg. Noch schweiften wir im Walde wie der Wolf, Noch kreisten wir umher, dem Geier gleich, Der sich nicht setzen darf auf wohnlich Dach, Und nur der Busch, der auch das Wild behegt, Und nur die Schluft, die auch das Raubtier birgt, War uns Herberge; dieser Mann zuerst Eröffnet menschliche Behausung uns: Die Burg dort oben schließet er uns auf Und macht uns heimisch in dem schwäb'schen Land. Wer bist du, der du, selbst ein Pilger, mir, Dem unstet Wandernden, ein Obdach beutst? Ich bin der unglücksel'ge Adalbert, Der seinen Herzog in die Seite warf, Und der von fünfzehnjähr'ger Pilgrimschaft Nur dann entsündiget nach Hause kehrt, Wenn du mit ihm in seine Mauern trittst. O wende dich nicht ab! Bei diesem Kreuz, Das noch der Stätte Denkmal ist, auf der Dein Vater starb und sterbend mir vergab, Beschwör ich dich, verschmähe nicht mein Haus! Du rettest eine Seele. Hingebeugt Auf diesen Boden, den dein Blut getränkt, Umfassend diesen moosbedeckten Stein, Den in der Mitternacht dein Geist umschwebt, Klag ich, geliebter Vater, dir mein Los; So elend siehst du mich und so verwaist, Daß ich zu dem die Zuflucht nehmen muß, Der dich gemordet. Horch! ein Horn erdröhnt. Zur Wehr, ihr Männer! Weicht vom Herzog nicht! Nicht wie zum Angriff naht sich diese Schar. Sie schreiten vor in ernstem Trauerzug, Umflort ist ihr Panier, die Schärpen schwarz. Das ist Warin, der Schwabens Fahne trägt. Warin, an der Spitze einer Kriegsschar, tritt auf. Wir treten, Herzog, in geringer Zahl, Doch tapfern und getreuen Muts zu dir. Hinunter ins ital'sche Schlachtgefild Hat uns dein Bruder Hermann einst geführt, Das Banner, das ich trage, wallt' ihm vor Zu manchem heißen, ehrenvollen Kampf. Des jungen Helden freute sich das Heer; Uns Schwaben nur war's auf des Jünglings Stirn Ein häßlich Mal, daß er die Würde trug, Die dir entrissen worden, und ich selbst Hab ihm die Fahne mit Verdruß geschwenkt. Nach wohlerfochtnem Siege zogen wir Hinauf gen Susa, wo die holde Braut, Des Grafen Tochter, ihn erwartete. Da fiel auf uns der Seuche böser Tau; Die Männer sanken auf dem Weg dahin, Nicht einzeln, nein, in Schwaden hingemäht, Und nicht erhielt der besten Ärzte Kunst Des Herzogs junges Leben: zu Trient Liegt er begraben; seinen Leib hat so Das Gift verzehret, daß wir selbst sein Herz Nicht mit uns brachten in das Vaterland. Noch in der Stunde seines frühen Tods Berief er mich und, von mir abgewandt, Damit mir nicht sein Anhauch tödlich sei, Sprach er: »Das Banner, das du trägst, Warin, Bring meinem Bruder Ernst! Für ihn allein Hab ich's genommen und bewahrt, für ihn Hab ich's mit Ruhm bekränzt.« Dies letzte Wort Ergriff die Herzen. Trauernd und beschämt Folgt' ihm zu Grab der Unsern kleiner Rest; Dann setzten wir, gehorsam dem Befehl Des Sterbenden, sogleich den Heimzug fort. Noch unterwegs, noch auf der Alpen Steig Hat uns der Tod gezehntet; manche Leiche Ward in das Felsgeklüft hinabgestürzt. Wir aber bringen dir dein brüderlich Vermächtnis: nimm dies trauernde Panier! Führ uns zum Kampfe, führ uns rasch voran, Bevor noch lichter unser Häuflein wird! Denn der noch jetzo blühend vor dir steht, Trägt schon vielleicht in sich der Seuche Keim, Und besser fällt ein Mann in offner Schlacht, Als daß er auf dem Krankenlager fault. O, herrlich tret ich in mein Herzogtum! Des Vaters Mörder öffnet mir das Tor, Des Bruders Leichenzug ist mein Gefolg. Komm, Adalbert! Mich schrecket nicht der Mord. Folg mir, Warin! Ich scheue nicht die Pest. Alle ab. 2. Szene Zweite Szene Mangolds Lager. Graf Mangold und der Bischof Warmann treten auf. Im Lager muß ich, Neffe, dich begrüßen. Du gehst dein Schloß vorüber, lässest mich Zu Konstanz harren; unaufhaltsam eilst Du an der Spitze deiner Kriegsmacht vor. Mein Auftrag heischt so schleunigen Vollzug. Und nicht gedenk ich, dich darum zu schmälen. Durch Regenschauer und durch Sonnenschein Ist mächtig dir das Glück herangereift; Selbst was noch jüngst im fernesten Gebiet Der Wünsche lag, was ein bedachter Sinn, Der Kühnes meidet, still in sich verschloß, Ist jetzt uns überraschend nahgerückt Und will vernehmlich ausgesprochen sein. Die günst'ge Stunde werd uns nicht versäumt! Was ist's? Indes die kaiserliche Huld Das Schicksal Ernsts in deine Hand gelegt, Indes der wüste Friedensstörer schon Von deinen Scharen fast umschlossen ist, Indes verkündet jedem schwäb'schen Gau Ein dumpf Geläute Herzog Hermanns Tod. Wer soll nun Herzog werden? Wem vertraut Der Kaiser? Welches Haus in Schwaben kennt Er als das treueste? Für welches spricht Das ältste Recht, das neueste Verdienst? Daß unsres vom erlauchten Burkhard stammt, Daß es in Schwaben Herzogswürde trug, Wohl weiß ich's, und du selber schaltest oft Den kühnen Stolz, den ich darob gezeigt. Ich schalt, was sich zur Unzeit offen gab. Doch wenn du nun den letzten Abkömmling Des welken Fürstenstammes niederwirfst, Wenn über dem zertretnen Wappenschild Du siegreich stehest und den deinen hebst, Dann ... Eine Wache tritt auf. Herr, ein fremder Kriegsmann bittet Euch Um Zutritt und um sicheres Geleit. Bring ihn! Die Wache ab. Brauch Vorsicht, Neffe! Was soll mir Der einzle Mann? Werner tritt auf. Wer bist du? Kennst du mich? Verwegner! Wenn die Reue nicht dich treibt, Welch toller Mut führt dich vor mein Gezelt? So ist's doch wahr, was ich nicht glauben wollte, Bis ich mit eignen Augen es gesehn, Daß du, Graf Mangold, dem verwandtes Blut Mit meinem durch die Adern rollt, daß du Den Herzog, deinen rechten Herrn, nicht bloß Verlassen hast, nein, daß du ihn verfolgst, Daß du an der Verfolger Spitze stehst! Mit welchem Recht du mich zur Rede stellst, Das möcht ich wissen. Mit dem Recht des Bluts. Es rühmen sich die Männer des Geschlechts, Von dem sie stammen, und ruhmwürdig ist's, Wenn Kraft und Tugend weithin sich vererbt, Wenn vor dem Sohn des Vaters Beispiel glänzt, Wenn unter Brüdern edler Wettkampf brennt, Wenn jeder eifersüchtig wacht und ringt Für solchen Adels unbefleckten Glanz; Und daraus fließt das Recht mir und die Pflicht, Dich abzumahnen von verkehrter Bahn. Geziemt es dir, mich abzumahnen, dir, Dem Landsverwiesnen, dem Geächteten, Der unsres Stammes Auswurf ist ... Dem du Ins Auge nicht zu blicken dich erkeckst. Dein Blut, das ich gemahnt, hat sich empört Und hat die Wange dir mit Scham gefärbt; Folg dieser Regung, laß den bessern Trieb Dich ganz ergreifen! Sei der Väter wert! Ja, Mangold, wenn du nicht den Feinden Ernsts Mit Leib und Seele schon verfangen bist, Wenn dir zur Ehre noch die Rückkehr blieb, So tritt zurück, aufrichtig, sonder Scheu! Die Lehn, die dich verpflichten, gib sie heim! Die eitle Gnadenkette, wirf sie ab! Der schnöden Hauptmannschaft, die dich entehrt, Die deinen Stamm befleckt, entschlage dich! Der Dienst der Freiheit ist ein strenger Dienst, Er trägt nicht Gold, er trägt nicht Fürstengunst, Er bringt Verbannung, Hunger, Schmach und Tod, Und doch ist dieser Dienst der höchste Dienst; Ihm haben unsre Väter sich geweiht, Ihm hab auch ich mein Leben angelobt, Er hat mich viel gemühet, nie gereut. Für diesen Dienst, Graf Mangold, werb ich dich; Du wirst mir folgen. Halt, Vermessener! Willst du Verrat hier stiften? Hoff es nicht! Die Scharen, die du rings gelagert siehst, Sind treu dem König wie Graf Mangold selbst. Mit diesen Söldnern hab ich kein Geschäft, Sie mögen tun, wofür man sie bezahlt. Auch hab ich nichts mit dir; du bist ein Mönch, Du bist ein toter Schößling unsres Stamms; An dir nicht üb ich der Verwandtschaft Recht. Zu Mangold sprech ich: er vielleicht wird einst Stammvater eines grünenden Geschlechts; Drum ziemt es mir zu sorgen, daß er nicht Verräter zeuge, Schranzen, Mietlinge. Graf Mangold, kaiserlicher Feldhauptmann, Zu lange schon hörst du es mit Geduld, Wie dieser Freche, dieser Rasende Dich selbst und deines Amtes Würde schmäht; Zu lange schon mißbraucht er dein Geleit, Das dem Rechtlosen du nicht schuldig bist. Von hinnen, Werner! Du erschienst zu spät: Ich bin geschleudert, und ihr seid zermalmt. Ich geh. Erfüllt hab ich der Mahnung Pflicht; Noch eine heischet unser Stamm von mir, Auch der will ich genügen. Wenn dem Aar Der Seinen eines aus den Lüften fällt, So schießt er nieder und vertilgt's: wenn du Mir in der Schlacht begegnest, sieh dich vor! Ab. Mangold und Warmann in das Gezelt. 3. Szene Dritte Szene Burg Falkenstein. Ernst allein, am Fenster. Es ist die Zeit jetzt, wo im offnen Land Das reife Ährenfeld den Schnittern winkt, Wo in den sonnigen, belebten Gaun Allwärts geerntet wird und eingeheimst. Ich bin vom Feld der Ernten ausgesperrt, Bin eingeschlossen in der Wildnis hier Und blicke von dem Felsen dieser Burg Hinunter in den Abgrund, wo der Strom Durch Trümmer und gestürzte Föhren tost; Die Tannenwälder überschau ich, die Im Winter grün sind und im Sommer welk. Mir ist kein andres Erntefest bereit, Als wo die Schwerter statt der Sicheln sind, Und wo ich selbst die falbe Ähre bin. Der Türmer bläst. O, möcht es Werner sein! Der Abend dunkelt, und mir bangt um ihn. Er ist's. Ja, nicht gefangen sein kann der; Die Fesseln sprängen ab von seinem Arm, Die Schlösser klirrten auf vor seinem Hauch: Die Freiheit mögt ihr binden, diesen nicht. Werner tritt auf; der Saal füllt sich mit Kriegsleuten Ernsts. Herein, herein, ihr Männer! Kommt und hört! Euch alle gehet meine Kundschaft an: Wir sind umzingelt, jeder Weg verbaut, Und kaum bin ich hieher noch durchgeschlüpft. Ja, dieser Kaiser schreitet raschen Schritt; Nichts rettet uns als schleuniger Entscheid. Schon weiß ich nicht zu schätzen ihre Zahl, Und jeder Tag verstärket Mangolds Schar. Uns ist der Zuwachs abgeschnitten, wir Sind unsern Freunden aus dem Blick gerückt; Die uns erwarten, haben nicht Gewähr, Ob wir noch stehn, ob wir zertreten sind. Noch stehn wir, und noch ist uns freigestellt, Zu wählen zwischen Übergab und Kampf, Und noch getröst ich mich der Möglichkeit, Daß wir in einer heißen, blut'gen Schlacht Den Feind zernichten und, mit Sieg gekrönt, Vorbrechen in das Land, das uns erharrt. Wenn jetzt wir zaudern, bleibt uns keine Wahl Als zwischen Übergab und Hungertod! Entschließt euch, Männer! Soll's gekämpfet sein? Zum Kampf begehren wir. Zum Kampf! zum Kampf! Ist einer unter euch, dem eine Braut, Ein Weib, ein Kind das Leben kostbar macht, Er zieh im Frieden! Nicht verdenk ich's ihm, Nicht heisch ich so verzweifelten Entschluß. Ihr schweigt und steht. So ruf auch ich: »Zum Kampf!« Der erste Morgenschein find uns bereit! Ein jeder rüste sich, so gut er kann! Manch Waffenstück noch hängt in diesem Saal, Das unser Wirt uns willig überläßt. Du selber, Herzog, bist noch unbewehrt Und jedem bloßgegeben, der dich sucht; Laß mich dich wappnen für den heißen Tag! Ist's eine Sturmhaub, ist's ein Bruststück nur, Genug, wenn es die Wetterseite schirmt. Die Brünne werd um deine Brust geschnallt! Den Kettenpanzer werf ich über dich, Den Sturmhut bind ich unter deinem Kinn, Dein gutes Schwert häng ich in diesen Gurt. Sei dieser Stahl wie unsre Treue stark! Sei'n diese Ringe fest wie unser Bund! Adalbert tritt gewappnet aus der Schar, einen Jüngling an der Hand. Zum Ritter umgewandelt tret ich jetzt Vor dich, mein Herzog! Dir verdank ich es, Daß mir der Helm die Stirne wieder deckt, Daß mir das Schwert die Hüfte wieder schmückt. Wenn auch den Arm die Jahre mir geschwächt, Verschmäh nicht meinen Dienst! Als Jüngling auch Geb ich mich dir: sieh! dieser ist mein Sohn; Er sei der deine! Aus dem Klosterzwang Hat er sich losgerissen, Waffenwerk Hat er mit Fleiß erlernet. Nimm ihn hin! Verjüngt empfängst du mich, unschuldig noch Und unbefleckt von deines Vaters Blut. Ich nehm ihn. Füg es Gott, daß ich ihn dir Zurück kann geben, wie ich ihn empfing! Der ich bis jetzt als Kriegsknecht dir gedient, Gewappnet als ein Ritter tret auch ich Dir nun zur Seite, denn ein solcher Kampf Steht uns bevor, wobei es sich verlohnt, Im vollen Kriegesschmucke zu erscheinen. Beneiden aber muß ich diesen Mann, Der dir ein doppelt Leben widmen darf. Laß dir erzählen einen lust'gen Schwank, Weil jetzt die Zeit ist, Schwänke zu erzählen! Als Kaiser Heinrich einst zu Regensburg Aufs Jagen ausritt, gab er den Befehl, Daß keiner von den Herren seines Hofs Sich folgen lasse mehr denn einen Knecht. Gleichwohl kam ihm der Graf von Abensberg Mit dreiunddreißig Reisigen getrabt, Ein rüstig Häuflein, sauber angetan, Die Rößlein wohl gesattelt und gezäumt. Da sprach der Kaiser: »Ist Euch unbekannt, Daß Ihr nur einen Diener bringen sollt?« Der Graf darauf: »Nur einen bring ich mit.« – »Wer sind die andern?« – »Meine Söhne sind's: Sie alle schenk ich und befehl ich Euch. Sie seien Euch im Frieden eine Zier, Im Krieg ein Beistand! Laß es Gott gedeihn!« So sprach der Graf. O wär ich reich wie er! O könnt ich dir so vielfach Leben weihn! So aber steh ich einsam auf der Welt, Von meinem Stamm hab ich mich losgesagt, Geschleift ist meiner Väter alte Burg, Kein Haus hab ich, kein Weib und keinen Sohn; Nichts hab ich dir zu bieten als mich selbst. In meines Lebens ungeschwächter Kraft, Im Stolz der Freiheit, in des Herzens Glut, Im Klirren dieser Waffen werf ich mich Dir in die Arme, dein bis in den Tod. Hat je ein Herzog solche Schar geführt, So treuergebne, so hochherzige? Ja, meine Würde fühl ich: anders nicht Darf ich euch führen als in Fürstentracht, Damit ich, siegend oder sterbend, so Erscheine, wie es eurem Herzog ziemt. Erkennen soll man mich, damit das Schwert, Das mich begehret, keinen trifft von euch. Ein Scharlachmantel hängt an jener Wand; Legt mir ihn um! Es ist ein fürstlich Kleid. indem er Ernsten den Mantel umlegt. Dein Vater trug's auf der unsel'gen Jagd. Die Zeit hat es entfärbt. Dies blasse Rot Ist echte Farbe meines Mißgeschicks. Den Schild hier, drauf das Wappen Eures Stamms Erbleicht ist, trug der tapfre Hermann einst. Er würd Euch angeboten, gält uns nicht Für schlimmes Zeichen solch erloschnes Bild. Gib her! Der Letzte meines Stamms, geh ich Der Schlacht entgegen, die entscheiden wird, Ob dieser welke Scharlach neu erblühn, Dies trübe Wappen neu erglänzen soll. Heil unsrem Herzog! Heil dem Herzog Ernst! 5. Akt Fünfter Aufzug Mangolds Lager. Mangold und Warmann. Der Kaiser kommt, und noch ist nichts geschehn. Er drängt zu sehr; kaum bin ich angelangt, Schon blickt er ob der Schulter mir herein. Das ist das mächt'ge Wirken dieses Manns, Daß überall mit seiner Gegenwart Er jedes fördert und im Schwung erhält. Jetzt muß ihm doppelt angelegen sein, Daß du den Aufstand schnell und gründlich tilgst, Seit Odo von Champagne sich erhob Und selbst nach der ital'schen Krone langt, Die ihm der Erzbischof von Mailand beut. Wird Ernst gewaltig hier und Odo dort, Und bleibt der Ungar forthin ungestraft, So steht es schlimm mit kaiserlicher Macht. Und doch, kann ich's erzwingen? Soll mein Volk Anrennen gegen jene Felsenwand? Sie halten keinen Mond sich auf der Burg, Sie sind verloren, kommen sie ins Feld, Gewiß ist ihr Verderben. Nur die Frist Soll er mir gönnen, die notwendigste. Er weiß, wie leicht die Stunde Neues bringt Und darum drängt er. Eine Wache tritt auf. Herr, ein Überfall. Die Vorwacht ist im Handgemeng, sie weicht. Sie dringen wütend vor. Willkommne Mär! Zum Rückzug blast das Horn! Dort unterhalb, Am Schlund des Tales, ordne sich die Schar! Dort wird sich brechen dieser tolle Sturm. Die Zelte laßt! Bald wieder sind wir hier. Du, Oheim, gehst, den Kaiser zu empfahn; Sag ihm, sein Auftrag sei vollzogen! Marsch! Beide ab mit Gefolge. Kampfgetümmel hinter der Szene. Flüchtlinge eilen über die Bühne. Dann erscheinen Ernst, Werner, Adalbert, Warin und ihre Schar mit gezogenen Schwertern Die Schlacht geht frisch, die Schwerter stehn im Saft. Es kämpft sich rasch, wo Mut die Feldmusik, Verzweiflung das Panier ist. Dorthin schaut! Ja, dort ist Arbeit, dort ist Heldenwerk: Lebend'ge Mauern, sechsfach aufgeführt; Es muß ein starker Strom, ein wilder sein, Dem man so mächt'gen Damm erbaut. Brecht durch! Ein Posten bleib uns auf dem Hügel hier! Man übersieht von ihm das ganze Tal: Im Rücken droht Gefahr. Du, Adalbert, Bleib selbst und warne! Keiner kennt wie du Die Gegend. Ist mir nicht das Heil gegönnt, Für Herzog Ernst zu stürzen ins Gefecht? Soll ich unrühmlich auf der Warte stehn? Mein Sohn, der du im Kampfe mich vertrittst, Du bist ein Lehrling in der Waffenkunst; Jetzt tummle dich! Es ist dein erster Strauß, Es kann der letzte sein: an einem Tag Mußt du erringen deine Meisterschaft. Schwing hoch dein Schwert, wirf sicher deinen Speer, Triff unsre Feinde, triff den Herzog nicht! Zur Heilung, meine Kranken, führ ich euch: Man wird euch zapfen euer giftig Blut, Man wird euch schneiden euer bös Geschwür, Man wird euch kühlen euern Fieberbrand. Der Fahne reiß ich ab den Trauerflor: Jetzt ist die Witwe wieder eine Braut, Jetzt geht's hinab zum lust'gen Hochzeitsreihn. Ein Held, der in das Schlachtgewühl sich wirft, Soll an die Frau gedenken, der er dient: O Edelgard, geliebte Gottesbraut, Aus deinen Schleiern blick auf mich herab, Dein ernstes Bild begeistre mich zum Tod! Allmächt'ger, Gott des Friedens und des Zorns, Der du den Bach anschwellen kannst zum Meer, Die stille Luft erregen zum Orkan, Laß jetzt auch unsre, dieser Männer Kraft So riesenhaft anwachsen und erschwellen, Daß uns das Ungeheure möglich sei! Hinein. Für Herzog Ernst! Für Herzog Ernst! Alle ab, außer Adalbert mit einigen Kriegsleuten. Hin braust der Sturm, die Wolke fährt dahin; Wenn aber so der Menschheit Kraft und Glut Dahinfährt ohne Wiederkehr, dann bebt Ein menschlich Herz. Da stürmen sie hinab, Und drunten schon die Lanzen vorgestreckt, Daran verbluten soll der Helden Brust. Von Raubgevögel wimmelt schon die Luft, Und durch die Wälder hallet Wolfsgeheul. Jetzt, jetzt sind sie zusammen. Welch ein Stoß! Sie brechen durch. Ha! sind das Männer? Sind Das Wellen, die des Schwimmers Arm zerwirft? Durchbrochen ist das erste Glied. Schon tritt Das zweite vor. Seht mir den Werner, seht! Ein Todesengel, uns zum Hort gesandt, Ragt er aus allen vor; sein blitzend Schwert Fährt aus den Wolken, nicht den einzeln Mann Schlägt er, er schlägt die ganze Schar. Wer liegt Am Boden dort, zerspellt den blanken Schild? Der Mangold ist's. Er rafft sich wieder auf; Er führt die dritte Reih heran. O schaut! Die Unsern rasten. Traun, kein Wunder ist's, Wenn sie ermüdet sind. Sie sammeln sich. O! die sind stark geschmolzen. Seht den Wall Von Leichnamen! O seht den Strom von Blut! Der Werner aber steht vor seinem Trupp, Wie mit gespreizten Fittichen der Aar Die Brut umschirmt, wenn über seinem Horst Ein fremder Vogel kampfandrohend schwebt. Jetzt lüftet er die Schwingen, jetzt. Gebt acht! Sie holen aus, sie brechen furchtbar los. Jetzt gilt's. Jetzt ist's ihr Letztes. Jetzt wär's Zeit, Der Bürde loszuwerden, die mich drückt. Sie sind umflügelt. Sie sind mitten drin. Kaum seh ich noch des Herzogs rot Gewand. Das Banner schwankt, ein Segelbaum im Sturm. Dort blickt man durch. Sie sind auf einen Knaul Gerollt. Der Werner stemmt sich wie ein Mann, Den eine Riesenschlang umflochten hält, Ihn selbst und seine Söhne, dem sie schon Den Zahn ans Herz gesetzt, der sich aufbäumt Und mit der letzten Spannung seiner Kraft Die gräßliche Umkettung von sich drückt. Der Kampfplatz schließt sich wieder. Jetzt sind sie Verschlungen. Nein, sie reißen sich hervor, Den Rückzug haben sie sich freigekämpft. Wo ist der Werner? Wo? Ich seh ihn nicht. Dort ist er. Weh! sie führen ihn herauf; Er ist getroffen. Ernst hat ihn im Arm, Auf seiner Schulter hängt des Recken Haupt. Die Feinde stürmen nach: vergeblich wehrt Der kleine Rest so großer Übermacht. Ernst, den verwundeten Werner führend, tritt auf. Nicht weiter bring ich ihn: auf diesen Stein Muß ich ihn niederlassen. Adalbert, Hast du kein Kraut, das diese Wunden stillt? O spar es nicht für deinen Sohn! Der ist Schon längst erschlagen. Rette meinen Freund! Du gibst den Vater mir, den du mir nahmst. Reiß mir die grauen Locken aus! Versuch's, Ob sie ihm stopfen seines Blutes Qualm! Ist's Leben noch nicht gar und blutet doch Aus so viel Wunden? Soll mich dieses Volk Lebendig fangen? Brüder, stecht mich tot! Kann ich noch leben und bin so zerhaun! Bin ich ein Wurm, lebt jedes Stück von mir? Hört ihr? Sie kommen. Ernst, du bist mein Freund, Schlag mir den Schädel ein! Jetzt reißt's. Gelobt sei Gott, ich sterbe frei! Ernst, rette dich ... Stirbt. Er stirbt, der Werner stirbt! Die Lüfte wehen noch, die Sonne scheint, Die Ströme rauschen, und der Werner tot! Er ist geborgen. Herzog, laß ihn los! Schon schwirret das Gefecht um unser Ohr; Auch dort im Rücken dringt der Feind herauf. Komm, folg mir schnell! Ich weiß noch einen Pfad: Durch Felsenklüfte schleicht er sich hinan. Laß mich dich retten, komm! Ich wurzle hier. Komm, zaudre nicht! Die Rettung ist gewiß: Ein Felsstück, das wir rollen in die Schluft, Sperrt die Verfolger aus. Du drängst umsonst. Sie ziehn sich ringsherum: jetzt ist's zu spät. Der Rest von Ernsts Kriegsleuten erscheint, mit den Verfolgenden kämpfend. Hieher, ihr Brüder! Weichet fürder nicht! Hier um den Herzog! Wehrt euch auf den Tod! In manchem ist noch eine Neige Bluts, Noch mancher hält sich aufrecht wie ein Mann. Rührt diesen Toten an! Das kräftigt euch, Brecht ihm die Zähn aus, sät sie in den Grund, So wachsen und Geharnischte hervor! Graf Mangold tritt auf mit Kriegsvolk. Dort steht er. O, wie klein sein Häuflein ist! Einst war er Herzog; es erbarmt mich sein, Und seine Mutter hielt mein Schwert umfaßt. Ergib dich! Widerstand ist Raserei: Sie bluten alle, die dir übrig sind. Tot ist der Werner, tot ist Kunrads Feind, Die Fackel und das Heerhorn alles Streits! Jetzt kann der Kaiser dir verzeihn. Meinst du? Nein, wenn der Letzte fällt, ich fechte fort. War ich sonst träge, jetzt bin ich ein Held. Hier muß ich sterben, bei dem Toten hier, Hier haft ich, hier ist meines Lebens Ziel, Hier ist der Markstein meiner Tage, hier Ist meine Heimat, hier mein Haus und Hof, Mein Erbgut, meine Blutsverwandtschaft, hier Mein Wappenschild und hier mein Herzogtum. Er wirft Schild und Fürstenmantel auf den toten Werner. Mit diesem Mann hab ich mein Leben lang Geeifert und gewettet in der Treu, Der Tod nur hat dem Wettkampf noch gefehlt: Jetzt stürzt er in die Schlacht und stirbt für mich; Nicht laß ich ihm den Preis; sterb ich für ihn, Dann greifen beide nach dem Siegeskranz. Halt vor! Er dringt auf Mangold ein. Gefecht. Verzweifelter! Sinkt getroffen zurück. Gott, steh mir bei! Stirbt. Mangold wird weggetragen, seine Krieger dringen auf Ernst ein. Gefecht. Ernst fällt. Der Kampf hört auf. Der Herzog sinkt. Die Welt hat uns verworfen; Der Himmel nimmt uns auf. Mein Werner! Stirbt. Geächtet ward die Treue von der Welt: Zum Himmel, ihrer Heimat, schwebt sie auf. So grauenvoll hat dieser Kampf geendet, So blutig. Ich allein, der sich den Tod So heiß ersehnt, muß ohne Wunde sein Als jene, die des Sohnes Tod mir schlug. Tragt, Männer, diese Leichen weg! Der Tod Versöhnet Feinde. Laßt sie nicht dem Wolf Zur Beute, legt sie unter dies Gezelt! – Ihr zögert? Ha! weil sie geächtet sind. O, tut es doch! Der Priester spricht euch los, Gott wird's verzeihen. Die Leichen werden in das Zelt getragen. Werft den Vorhang zu! Warin tritt fechtend auf, das Banner im Arme. Das Banner her! Solang ich atme, nicht. Ich hab es durchgehaun durch euer Heer, Vom Fels bin ich gesprungen, durch den Strom Hab ich's gerissen. Lebt der Herzog Ernst? In diesem Zelte liegt er tot. Hier sei Das Banner aufgepflanzt! Hieher gehört's, Die Herzogsfahne vor das Herzogszelt. Was ist's? Das Schwert entsinket meiner Hand, Die Kniee brechen ... Er sinkt an der aufgepflanzten Fahne tot nieder. Treuer Fähnrich du! Ein Ritter mit einigen Kriegsleuten tritt auf. Der Kaiser naht. Es ruhe jeder Kampf! Hier ist schon Friede, hier ist tiefe Ruh. Der Kaiser, Gisela, Heinrich, Warmann mit Gefolge treten auf. Was ist geschehn? Wo ist mein Hauptmann? Dort Trägt man ihn tot hinab. O Hoffnungen! Wo ist mein Sohn? das Zelt aufdeckend. Er schläft in Freundesarm. Wirft es wieder zu. Das war mein Ernst, er war's, ich hab's gesehn. Der Hermann tot, und nun auch dieser tot, Auch dieser, dieser, der mein Liebling war! Weil er die meisten Schmerzen mir gemacht, Darum hab ich am meisten ihn geliebt. Herr Bischof, unbedenklich werdet Ihr Die Toten von dem Kirchenbann befrein, Damit wir christlich sie beerdigen. Es soll geschehn. Die Kerzen mögt ihr neu Anzünden, das erloschne Leben nicht. Zu Adalbert. Du, der du Wächter dieser Toten bist, Ich kenne dich, sag mir, wie starb mein Ernst? Er starb den Heldentod, den Freundestod: Der Werner starb für ihn, für Wernern er; Er wich von seines Freundes Leiche nicht, Bis er als Leiche selbst darniedersank. O diesen Werner, dem ich oft gezürnt, Weil er den Sohn mir ins Verderben riß, Ich muß ihn lieben, weil er meinen Sohn Geliebt hat und für ihn erschlagen ist. Für ihn erwürgt ist auch mein einzig Kind, Und leb ich selbst noch, ist's nicht meine Schuld. Geschehen ist, zu was du mich erweckt: Drum wenn der Kaiser mir die Freiheit läßt, So gönne du mir, daß ich meinen Sohn Bestatte, daß ich bei des Jünglings Grab Jetzt dürfe rasten und das meine baun! Graf Hugo von Egisheim mit Gefolge tritt auf. Erhabner Kaiser, Eures Weges Spur Bin ich in großer Eile nachgereist, Um mich der Botschaft zu entledigen, Die mir so wichtig und so ernst bedünkt, Daß ich es wag, auf dieser blut'gen Statt Noch länger festzuhalten Euren Schritt. Die Urne hier, die dieser Kriegsmann trägt, Schickt Euch zum Gruße Herzog Gozelo Von Lothringen, ein grauenvoll Geschenk: Sie birgt das Haupt des Odo von Champagne; Der Herzog schlug's ihm ab in wilder Schlacht, Dem Unglücksel'gen, den ich Freund genannt, Und dessen Kühnheit ich umsonst gewarnt. Ein zweites Angebinde sendet Euch Der König Rudolf, der in Gott entschlief; Hinscheidend übergab er's meiner Hand: Es sind die Reichskleinode von Burgund, Die Krone samt dem Zepter und dem Speer Des heil'gen Moritz. Nehmt sie huldreich an! Nicht mich, den König Heinrich schmückt damit! Es geschieht. O Knabe, wüßtest du, wie sauer mir Die Frucht geworden, die du spielend pflückst! Mich schauert's, Vater, unter diesem Schmuck. Das also, dieser Reif und dieser Stab, Das sind die hohen Dinge, derenthalb So edles Leben hingeblutet ist! O Kaiser, staunen wird die Folgezeit, Wenn sie vernimmt vom Aufschwung deiner Macht, Von deines Herrscherarmes Festigkeit; Doch rühren wird es spät noch manches Herz, Wenn man die Kunde singet oder sagt Vom Herzog Ernst und Werner, seinem Freund, Von ihrer Treue, die der Tod bewährt. Ihr Männer, die ihr hier im Kreise steht Und so mit tiefem Mitleid blickt auf mich: Meint ihr, daß alles mir erstorben sei? Hat so viel Wärme nicht ein Mutterherz, Daß es beleben kann den toten Sohn? Soll der mir tot sein, dessen Leben eins Mit meinem ist, den meine Brust gesäugt? Nein, leben, leben soll mein treuer Ernst: Fortleben wird er in dem Mund des Volks, Er lebt in jedem fühlenden Gemüt, Er lebet dort, wo reines Leben ist. Nicht wieder deckt mir diesen Vorhang auf, Darunter Leiche neben Leiche liegt! Dort oben öffnet sich ein himmlisch Zelt, Wo Freund in Freundes Arm erwacht und wo Der Frühgealterte verjüngt erscheint!