Konradin Fragment Seeküste von Neapel. Konradin, Friedrich von Baden, der Truchseß von Waldburg, mit kriegerischem Gefolge, steigen aus dem Schiffe. Galvano Lancia, Marschall von Sicilien, mit seinem Sohne; Tarfe, saracenischer Häuptling; Frangipane, römischer Edelmann, mit seiner Tochter Julia; Jungfrauen mit Blumenkränzen und Musik, apulischer Adel, Saracenen, Volk, zu festlichem Empfange versammelt. Apul'scher Boden, freudig sei gegrüßt! O Erde, die du dem Gelandeten Noch unterm Fuße wankst, ich fasse dich Inbrünstig, wie der Bräutigam die Braut! Land meiner Väter, du gesegnet Land, Wie breitest du dich blühend vor mir aus, Vom reinsten Himmel festlich überwölbt Und in dem Meere deine Schönheit spiegelnd! Er ist's, er ist's! Ja, der ist Konradin! Sieh hin, mein Sohn Galotto! sieh! er ist's, Der schwäb'sche Jüngling, der erwartete, In deß Verheißung ich dich auferzog. Seht alle hin! o wer erkennt' ihn nicht! Die helle Stirn, des Auges geistig Feuer, Die goldnen Locken, um die Schulter wallend: Ja! das ist hohenstaufisches Geschlecht. Der einz'ge Sprößling ist's des Herrscherstammes, Des geistesmächt'gen, dem kein andrer gleicht, In dem die Trefflichkeit nie ausgeblüht Und große Väter große Söhne zeugen. Stellt mir ihn her, den Dränger dieses Landes, Den finstern Anjou, stellt ihn neben Diesen, Und sagt mir: wo ist königlich Geblüt? Erlauchter Jüngling, tausendmal willkommen! Die Boten, die wir jüngst nach dir gesandt, Sie brachten erst nur ein Gewand von dir, Daß unsre Sehnsucht sich ersättige, Bis du uns selbst erschienest. Dies Gewand, Wir trugen es umher, wir faßten's an, Wir küßten es, gleich einem Heiligthum. Und nun, Heil diesem Tag! erscheinst du selbst. Laß jetzt mich deine Hand ergreifen, küssen, Mit heißen Freudethränen sie benetzen! Wer bist du? nenne dich, ehrwürd'ger Greis, Den das Entzücken zu verjüngen scheint! Ein treuer Diener war ich deinen Vätern, Galvano Lancia, Marschall von Sicilien. O welche Angedenken dringen jetzt, Bei deinem Anblick, mächtig auf mich ein! In Wehmuth und in Wonne schmelz' ich hin. Galvano Lancia? der gepries'ne Held, Der meinem Haus ein halb Jahrhundert lang, In Glück und Noth, mit Rath und That, gedient, Der Friedrichs, Konrads, Manfreds Schlachten focht – Und in den deinen gern verbluten wird. Was konnte mir Erwünschteres begegnen, Als daß am Eingang meiner neuen Bahn Der vielerfahrne Greis dem Jünglinge Die sichre Rechte bietet! Leite mich! Du kennst die Gänge, die wir Staufen gehn. Es sind des Löwen Gänge. – Theurer Fürst! Was ich, der Greis, dir leisten kann, es ist Das Mindeste. Die hier versammelt stehn, Die Blüthe von Apuliens Adel, sie Erwarten deinen Wink, mit ihren Schwertern Dich einzusetzen in dein Königsrecht. Laß, Herrlicher, auch mich dein Knie umfassen, Laß mich den Staub von deiner Sohle küssen! Du Sohn des Lichtes! Allah segne dich! Dem Meer entstiegst du, wie der goldne Tag, Vor dem das Grau'n der Mitternächte fleucht. Steh' auf, dann laß mich wissen, wer du seist! O dein geringster Knecht, deß Name nicht Vor dir genannt zu werden würdig ist. Den Saracenen, die Luceras Burg Bewohnen, bin zum Häuptling ich gesetzt. Dein großer Ahn, o Herr, der zweite Friedrich, Deß Ruhm mit Sternenschrift geschrieben steht, Hat uns den sichern Wohnplatz dort gewährt. Ihm war des Morgenlandes Weisheit lieb, Er sprach die Sprache der Alarben, er Verschmähte nicht, in unsrer Tracht zu gehn, Er ließ uns Tempel unsrem Gotte baun; Er leuchtet' Allen, wie der Sonne Licht, Wie Allah selber, der allwaltende. Ich kenn' euch. Manfred floh in euren Schutz, Als von den Christen er verlassen war, Ihr aber trugt ihn jubelnd auf den Händen. Gebeut, o Herr, durch welchen Kampf und Sturm Wir dich auf unsern Schultern sollen tragen! Dort meine Bogenschützen brennen längst, Den Pfeil in deiner Feinde Herz zu schnellen. Die Stätte, Fürst, die du gewürdiget Der Anfahrt am apulischen Gestad, Ich trage von Neapel sie zu Lehn, Und preisen muß ich das Geschick, das mir Die Ehre solch erhabnen Gastes gönnt. Mein Nam' ist Johann Frangipane, nicht Darf ich mir schmeicheln, dir bekannt zu sein, Doch mein Geschlecht ward dir vielleicht genannt; Es ist zu Rom verbürgert und hat oft Aus festen Thürmen, die wir dort erbaut, Der Gibellinen Sache durchgefochten, Sei's gegen die Gewalt des Laterans, Sei's gegen guelf'schen Adels Uebermuth. Sollt' ich der Frangipane nicht gedenken? Noch, wahrlich, steh' ich nicht so hoch und fest, Um Freunde zu verläugnen. Mög' es denn, Erlauchter, dir gefallen, von den Mühen Der Seefahrt auszuruhn in meinem Hause, Das dort sich im Orangenhaine birgt! Dich zu begrüßen und dich einzuladen, Ist meine Tochter Julia hergeeilt Mit andern Jungfraun dieser Küstenlande. Tritt näher, Julia, führe selbst das Wort! Wir grüßen dich als König, hoher Herr, Und bald, wir hoffen's, wirst du in dem Dome Vor allem Volke Königsweih' empfahn. Doch bis die Krone nun, die goldene, Dein Haupt umfangen wird, so laß geschehn, Daß eines Mädchens zage Hand mit Blumen Als König dieses Landes dich bekröne! Wohl mag ein Blumenkranz das Land bedeuten, Das blüthenreiche, wo du herrschen wirst. Und so, gekrönter König, zeuch mit uns Zu meines Vaters Hause, wo Gesang Und Saitenspiel und Tanz gerüstet sind, Die Feier deiner Krönung zu begehn! Der Kranz, womit mich zarte Hand gekrönt, Umrauscht die Schläfe mir nur wie ein Traum, Wie eine Ahnung künft'ger Herrlichkeit, Die erst erworben sein muß und erkämpft. Noch ist zu Festen mir nicht Zeit gegönnt, Noch darf ich nicht im Haus der Freude weilen, Noch muß ist rastlos steuern auf mein Ziel. Wann erst der Sieg mir seinen Kranz gewunden, Dann kehr' ich wieder, dann erfreue mich In eurer Mitte Reigen und Gesang! Es liebten meine Väter stets und übten Das Lied, womit man edle Frauen ehrt, Und Kaiser Heinrich sang: »was hülfe mir Die Krone, sollt' ich meine Süße missen?« Ich selbst, im rauhen Frühling meiner Jahre, Hab' in der Minne Weisen mich versucht, Und wenn ich einst vom Feld des Sieges kehre, Dann reicht die Saiten mir! mein erstes Lied Soll, schöne Julia, deine Anmuth preisen. Julia und die Uebrigen ziehen sich zurück. Konradin und Friedrich von Baden bleiben allein im Vordergrunde. O Friedrich, du Genosse meiner Jugend! In deine treue Brust ergoß ich sonst Die bittern Klagen über mein Geschick, Laß jetzt mein freudig überschwellend Herz Sich dir entschütten, hilf mein Glück mir tragen! Wie anders, Friedrich, als in jener Zeit, Da ich zu Landshut, an des Oheims Hofe, Umherschlich, einsam, erblos, vaterlos! Die Mutter sah mich nur mit Thränen an; Die meiner Väter Gnade groß gemacht, Verachtend schritten sie an mir vorbei. Die Sänger, die von Hof zu Hofe wandern, Sie sangen von der Hohenstaufen Fall, Als wär' es eine Mähr' aus alten Tagen Und wär' ich selbst nicht von den Lebenden. Wie anders nun! wie offen liegt die Welt Vor mir, wie blüthenhell, wie lebensvoll! Hier lacht mir Jugendlust und Thatenruhm Und jede Hoffnung, jedes schönste Ziel: Und dieses Haupt, das trauernd niederhing, Es hebt sich in der Blumen frischem Schmucke. Auf deinen Hoffnungen, o Konradin, Beruhn die meinigen, ein gleiches Loos Verbindet uns: des Erbes Räuber heißt Dir Karl, mir Ottokar; hier in Apulien Erobr' ich Oestreich; leih' ich dir den Arm, Du leihst mir einst den deinen, mächtigern. Doch wenn der Aufgang deines Glückes, wenn Des Landes Schönheit minder mich ergreift, Wenn du mich oft in Gram versunken siehst: Du weißt ja, in der deutschen Heimath blieb Die junge Gattin mir, kaum anvermählt, Wo diese weilt, ist mir das schönste Land. Von Allem, was die Zukunft Herrliches Mir bringen mag, ist doch das Höchste dies: Wenn ich die Freunde, die in meiner Noth Mich aufgerichtet, die in meinen Kämpfen Zu mir gehalten, wenn ich mit der Fülle Des Dankes einst sie überschütten kann. Du theilest Gnaden aus, du glühest schon Von Siegen, während ich, dir Abschied sagend, Die Angst des Herzens nicht verbergen kann. Der Auftrag deines Ohms und deiner Mutter, Der bang besorgten, weist mich nach Viterbo, Wo ich versuchen soll, den Zorn zu sühnen Des heil'gen Vaters, der den Bann dir schleudert. Doch da ich jetzt, dem Schiff entstiegen, dich Dem Schutz der Fremden überlassen soll, So zagt mein Geist und scheiden kann ich nicht, Bevor ich dir, dem Freudetrunkenen, Ein Wort der Warnung an das Herz gelegt. Sprich, lieber Truchseß! stets noch hat dein Wort Bei Konradin ein offnes Ohr gefunden. Sohn meiner Fürsten! dieses welsche Land, Das dich mit seinem falschen Schimmer blendet, Was ist es, als ein übertünchtes Grab? Leg' dich in diese Blumen, und es wird Die gift'ge Viper dir die Ferse stechen. Entschlummre sanft, in lauer Nacht, beim Klange Verbuhlter Lauten, und der Wand entkreucht Der Scorpion, die tückische Tarantel. Der Sonne Gluthstrahl brütet Seuchen aus Und schlägt den Leib mit Aussatz und Geschwür. Der Boden selbst, auf dem du fußen willst, Ist trügerisch, da drunten gährt die Hölle, Der Abgrund reißt sich auf und speiet Flammen, Die Erde bebt und über deinem Haupte Bricht das Gewölb zusammen, stürzt der Thurm. An jeder Ecke lauert Meuchelmord; Der Weiber brennend Auge zehrt das Mark Der Helden auf; der Freundesbecher ist Vergiftet und die Hostie selbst ist Gift. Du malest finster. Unglücksel'ger Durst Nach Macht und Schätzen und nach eitlem Ruhm! Verwünschte Gier, die uns nach Fremdem spornt, Indeß schmachvoll das Heimische verdirbt! Wie oft, wie oft schon zog das deutsche Heer, Erles'ne Männer, schmucke Jünglinge, Des Vaterlandes Stolz, der Ihren Wonne, Die Alpen nieder, um auf Welschlands Ebnen Dahinzuschwinden, wie das Sommergras! Wo sind sie, deine Väter, meine Fürsten? Das deutsche Heimathland verschmähten sie, Um Gift zu saugen in Apuliens Gärten. Gift schlürfte Heinrich aus dem klaren Quell; Wenn Friedrich es nicht aus dem Becher trank, So trank er's aus des liebsten Freunds Verrath; Dein Vater schlürfte Gift für Arzenei, Was heilen sollte, würgt' ihn so dahin, Daß er die Stunde der Geburt verfluchte. Wenn dich, auch dich – nein! nein! ich darf ihn nicht Ausdenken, diesen gräßlichen Gedanken. Wozu mir diese Bilder des Entsetzens? Als Heinrich mit Constanzien sich zu Mailand Vermählt, und in dem Kreis ital'scher Großen Zu Tische saß, da traten in den Saal Gesandte, die vom schwäb'schen Lande kamen. Sie schenkten ihm zur Hochzeit eine Wiege Von Silber, schön durchbrochen und verziert, Ein künstlich Werk der Schmiede zu Gemünd. Die Wiege sollt' ihn mahnen, daß ihm selbst Und seinem Hause Deutschland Wiege sei. So möcht' auch ich dich mahnen, Konradin, Daß du, von dieses fremden Landes Zauber Umstrickt, nicht deine Wiege gar vergessest. O denk' an jenen Berg, der hoch und schlank Sich aufschwingt, aller schwäb'schen Berge schönster, Und auf dem königlichen Gipfel kühn Der Hohenstaufen alte Stammburg trägt! Und weit umher, in milder Sonne Glanz, Ein grünend, fruchtbar Land, gewundne Thäler, Von Strömen schimmernd, herdenreiche Triften, Jagdlustig Waldgebirg, und aus der Tiefe Des nahen Klosters abendlich Geläut. Dann fernhin, in den Burgen, in den Städten, Gesegnetes Geschlecht, treufeste Männer, Die Frauen aber sittig und verschämt, Ja! wie uns Walter sang, den Engeln gleich. Den Engeln gleich! o was erregst du mir Die Sehnsucht, die ich kaum beschwichtiget? Hätt' ich sie Diesem so erwecken können! O Konradin! warum verließest du Die Hoffnungen, die dir in Deutschland sproßten? Die Gegenkönige, die um das Reich Sich zankten, sind den Deutschen beide fremd; Der eine ward in England eingethürmt, Jenseits der Pyrenäen weilt der andre. Schon dreimal ward von dir im Fürstenrathe Gehandelt; Hohenstaufen lebt uns noch. Nur deine Jugend schien noch nicht erstarkt, In stürm'scher Zeit das Steuer zu ergreifen. Du aber harrest nicht und machst dich auf, Den Lockungen des fernen Landes folgend. Gefahrvoll ist die Bahn, die du beschritten, Und schwer, o schwer ist dieser Abschied mir. Du hast, o Freund! die Stammburg mir genannt, Den Horst, aus dem die Adler sich geschwungen: Sie ist nicht mehr mein eigen; was auf mich, Das Wenige, von unsrem Stammgut kam, Veräußert ward es und zu Pfand gesetzt, Um die apul'sche Heerfahrt zu bestreiten. Doch wenn mir Andres nichts zum Erbe blieb, Das Eine blieb: der angestammte Geist, Der strebende, der nichts verloren giebt, Mir bleiben die Entwürfe meiner Väter, Der Hohenstaufen Tagwerk ist nicht klein, Ich muß es früh beginnen, wie die Vordern Es früh begannen. Nicht das einzle Land Ist unser Ziel. Von jedem Fleck der Erde Kann unser Streben ausgehn. Hat zuerst Apulien mich gerufen, in Apulien Beginn' ich meine Bahn, doch wo sie ende, Das liegt verhüllet in der Zukunft Schooß. Du weißt, was uns das Lied gesungen: König Und Adler, niedrig schwebend, taugen schlecht! Drum lebe wohl! vollführe dein Geschäft! Ihr aber laßt die Banner vorwärts fliegen!