Kino-Atelier Da vorne klemmt ein Jraf sich das Monokel platt ins Gesicht – die Bogenlampe zischt. Ein Gazefräulein steht auf einem Sockel – der dicke Regisseur brüllt: »Das is nischt!« Zweihundertvierzig Mädchen trippeln zierlich auf einer Treppe, steil bis unters Dach – Ein kleines dickes Baby schluckt manierlich die Milch – der Chef macht mit der Diva Krach. In dieser Ecke stößt ein Intrigante dem Helden – brr! – das Messer in den Bauch. In jener Ecke spritzt die gute Tante der böse Neffe mit dem Gartenschlauch. Die Dirne lümmelt sich an ihren Buhlen. Der Herr Beleuchter macht sich nichts daraus und knipst behufs Erzeugung einer schwulen Verführungsszene eine Lampe aus. Und wenn ich mir dies Atelier bekieke, voll Kitsch und Lärm und Rummel, Schmerz und Spaß –: dann seh ich vor mir unsre Politike. Da spielt auch jeder nur die eigene Musike – und an das Ganze denkt kein Aas. · Theobald Tiger Ulk, 10.10.1919, Nr. 41.