Schnipsel Zur Rassenfrage. Die Blonden sind ganz umgängliche Menschen. Aber die Dunkeln, die gern blond sein möchten . . . ! Komische Junge sind viel seltner als komische Alte. Es gibt Leute, die wollen lieber einen Stehplatz in der ersten Klasse als einen Sitzplatz in der dritten. Es sind keine sympathischen Leute. Kolonien nehmen den Überschuß des Mutterlandes auf. Irgendwohin muß ein Land doch schießen. Emil Ludwig hats nicht leicht. Er müßte eigentlich ein Rundschreiben an seine Kritiker schicken: »Entschuldigen Sie bitte, daß ich so viel Erfolg habe.« Man fällt selten über seine Fehler. Man fällt meistens über seine Feinde. Da gab es neulich in der ›Frankfurter Zeitung‹ eine Auseinandersetzung zwischen der Kunsthandlung Paul Cassirer und dem Kunstmaler Kokoschka. Kunsthändler sind meist keine reine Freude, Aber wie dieser Maler da loslegte, das blamierte doch die ganze Innung. Die Inhaberin der Firma Cassirer, Frau Doktor Ring, hatte klar und einfach dargelegt: wieviel Vorschüsse dieser Maler bezogen habe, daß seine Bilder jetzt nicht mehr so gut gingen wie früher, alles einleuchtende und verständliche Dinge, die der Beteiligte nun bestreiten oder kommentieren konnte . . . Er habe sich das Geschäftsdeutsch, schrieb er, erst ins Deutsche übersetzen lassen müssen – eine Korrektur, die bei seinen Büchern bisher leider nicht erfolgt ist. Und schwafelte und jambelte und schrie . . . früher hat so etwas eine Samtjacke getragen. Es ist da während der guten Konjunktur eine Sorte Künstler aufgewachsen, die diskreditieren jeden guten wirtschaftlichen Kampf ihrer Genossen. Größenwahnsinnige Schauspieler, Maler wie der da – lauter Leute, die nicht begreifen können, daß man ihren Kram weit, weit überzahlt hat. Und daß es damit nun aus ist. Wenns weiter nichts wäre! Kokoschka bemüht Frans Hals und Rembrandt und wen weiß ich noch. Er tröste sich – so viel ist er nicht wert. Im übrigen mache er gescheite Verträge, und wenn er das nicht kann, nehme er sich einen Rechtsanwalt. Mit Kunstpflege hat dieses Geschwafel nichts zu tun. Cassirer war tausendfach im Recht. Satire hat eine Grenze nach oben: Buddha entzieht sich ihr. Satire hat auch eine Grenze nach unten. In Deutschland etwa die herrschenden faschistischen Mächte. Es lohnt nicht – so tief kann man nicht schießen. Merkwürdig, was dieselben zweitausend Menschen zu gleicher Zeit sein können: unsre tapfern Krieger; Mob; Volksgenossen; verhetzte Kleinbürger. Wie man eine Masse anspricht, so fühlt sie sich. Laß dir von keinem Fachmann imponieren, der dir erzählt: »Lieber Freund, das mache ich schon seit zwanzig Jahren so!« – Man kann eine Sache auch zwanzig Jahre lang falsch machen. Die dunkle Stelle der Nasenlöcher in einem Gesicht zeigt an, was für eine Luft im Schlafzimmer des Menschen ist. Dieser Satz läßt sich nicht begründen; er ist aber wahr. »Arzt sein heißt: der Stärkere sein«, hat Schweninger gesagt. Krankenkassen-Patient sein heißt: der Schwächere sein. Es gibt in der Kunst ein unumstößliches Gesetz. Was einer recht auffällig ins Schaufenster legt, das führt er gar nicht; Brecht keine Männlichkeit, Keyserling keine Weisheit und Spengler keine Ewigkeitsperspektiven. · Peter Panter Die Weltbühne, 08.03.1932, Nr. 10, S. 377.