Selbstbesinnung Fort mit der sonst so aktuellen Harfe! Heut pfeif ich mir nach eigenem Bedarfe auf meiner Flöte einen in Cis-Moll von dem, was ist; von dem, was werden soll. Von dem, was ist . . . Kaum kann uns etwas schrecken. Mars schlägt mit Wucht auf sein verzinktes Becken – laß bluten, was da bluten mag – und er regiert die Stunde und den Tag. Und er regiert die Stunde und das Jahr – bedenk, wer damals noch am Leben war! Und leise spielt – wie waren wir doch jung! – der Leierkasten der Erinnerung. Wie kannst du dich in all dem wiederfinden? Du magst dich mühsam durch Systeme winden, durch Pflichten, die es geben muß und gibt – du siehst dahinter und wirst unbeliebt. Laß dich von keinem Schlagwort kirren! Von keinem Vollbart dich beirren! Es schenkt dir niemand was dazu – bleib, was du warst; bleib immer: Du! Geheimrat Goethe sang nicht minder vom höchsten Glück der Erdenkinder – er war Ministerpräsident und also sicher kompetent. Man kehrt nach aller Schicksalstücke doch immer auf sich selbst zurücke. Drum wünsch ich dir nach dem Gebraus dein altes, starkes, eignes Haus! · Theobald Tiger Die Schaubühne, 21.12.1916, Nr. 51, S. 584, wieder in: Fromme Gesänge.