Trunkenes Lied Der Igel sprach zum Oberkellner: »Bedienen Sie mich ein bißchen schnellner! Suppe – Gemüse – Rostbeaf – und Wein! Ich muß in den Deutschen Reichs-Igel-Verein!« Da sprach der Oberkellner zum Igel: »Ich hab so ein komisches Gefiegel – ich bediene sonst gerne, prompt und coulant, aber ich muß in den Oberkellner-Verband!« Der Igel saß stumm, ohne zu acheln, und sträubte träumerisch seine Stacheln – Messer und Gabel rollten über die Decke. Sie rollten zum Reichsverband Deutscher Bestecke. Des wunderte der Igel sich. Er ging in ›Für Herren‹ züchtiglich; doch der Alte, der dort reine macht, war auf der Deutschen Klosettmänner-Nacht. Ein Rauschen ging durch des Igels Stoppeln – er tät bedrippt nach Hause hoppeln und sprach unterwegs (und aß einen Keks): »Ich wohne gern. Aber seit ich in Deutschland wohne, ist mein igeliges Leben gar nicht ohne. Sie sind stolz, weil sie sich in Gruppen mühn – doch sie sind nur gestörte Individühn. Menschen? Mitglieder sind diese Leute. Unsern täglichen Verband gib uns heute! Amen.« (sagte der Igel). · Theobald Tiger Die Weltbühne, 15.10.1929, Nr. 42, S. 602.