Der Priem Alle Rechte vorbehalten Unter vielem Spucken zu singen Es haben die Matrosen wohl auf dem blauen Meer nicht nur die weiten Hosen – sie haben noch viel mehr. Denn gibt es nichts zu rauchen, weißt du, was sie da brauchen bei Nacht und auch bei Tag? Den Kautabak – den Kautabak – ein kleines Stückchen Kautabak von der Firma Eckenbrecht aus Kiel. Es heulen die Sirenen. Die Braut in Tränen schwimmt. Es schwimmt die Braut in Tränen, wenn der Seemann Abschied nimmt. Sie drücken sich die Hände; dann gibt sie ihm am Ende verschämt ein kleines Pack mit Kautabak – mit Kautabak – mit nem halben Pfündchen Kautabak von der Firma Eckenbrecht aus Kiel. Da hinten liegt sein Kutter, da hinten liegt sein Kahn. Sie sagt, sie fühlt sich Mutter, er sieht sie blöde an. Er läßt sich von ihr kosen, die Hände in den Hosen, dann nimmt er einen Schlag vom Kautabak – vom Kautabak – ein kleines Stückchen Kautabak von der Firma Eckenbrecht aus Kiel. Das Schiff fährt in den Hafen wohl in Batavia. Mit den Mädchen muß man schlafen, wozu sind sie sonst da! Die er geliebkost hatte, liegt nackt auf einer Matte; er holt aus seinem Pack den Kautabak – den Kautabak – ein kleines Stückchen Kautabak von der Firma Eckenbrecht aus Kiel. Das Schiff tät nicht versaufen, in Hamburg legt es an. Marie mußt sich verkaufen nachts auf der Reeperbahn. Nun spürt der arme Junge grad unter seiner Zunge den bitteren Geschmack vom Kautabak – vom Kautabak – vom kleinen Stückchen Kautabak von der Firma Eckenbrecht aus Kiel. Wie dem Seemann mit den Frauen, uns gehts genau wie ihm. Das Leben muß man kauen, das Dasein ist ein Priem. Es schmeckt dem Knecht und Ritter mal süß und auch mal bitter . . . Spuck ihn aus, wer ihn nicht mag! Den Kautabak – den Kautabak – das kleine Stückchen Kautabak von der Firma Eckenbrecht aus Kiel! · Theobald Tiger Die Weltbühne, 08.09.1931, Nr. 36, S. 373.