Psychoanalyse Drei Irre gingen in den Garten und wollten auf die Antwort warten. Der erste Irre sprach: »O Freud! Hat dich noch niemals nicht gereut, daß du Schüler hast? Und was für welche –? Sie gehen an keinem vorüber, die Kelche. Ich kenne ja wirklich allerhand als Mitglied vom Deutschen Reichsirrenverband – aber die alten Doktoren sind mir beinah lieber als das Getue dieser Ja.« Der zweite Irre sprach: »Schmecks. Ich habe hinten einen Komplex. Den hab ich nicht richtig abreagiert, jetzt ist mir die Unterhose fixiert. Und ich verspüre mit großer Beklemmung rechts eine Hemmung und links eine Hemmung. Vorn hängt meine ältere Schwester und in der Mitte bin ich ziemlich gesund. Ja.« Der dritte Irre sprach: »Wenn heut einer mal muß, dann sagt ers nicht, denn er umwickelt sich mit düstern Neurosen, mit Analfunktionen und Stumpfdiagnosen –« (»Ha! – Stumpf!« riefen die beiden andern Irren, konnten den dritten aber nicht verwirren. Der fuhr fort:) »Vorlust, Nachlust und nächtliches Zaudern – es macht so viel Spaß, darüber zu plaudern! Die Fachdebatte – welch ein Genuß! – ist beinah so schön wie ein Ja.« Die drei Irren sangen nun im Verein: »Wir wollen keine Freudisten sein! Die jungen Leute, die davon kohlen, denen sollte man kräftig das Fell versohlen. Erreichen sie jemals das Genie? O na nie –! Jeder Jüngling von etwas guten Manieren geht heute mal Muttern deflorieren. Jede Frau, die in die Epoche paßt, hat schon mal ihren Vater gehaßt. Und die ganze Geschichte stammt aus Wien, und darum ist sie besonders schien –! Wir drei Irre sehen, wie Liebespaare sich gegenseitig die schönsten Haare spalten – und rufen jetzt rund und nett: Rein ins Bett oder raus aus dem Bett! Keine Tischkante ohne Symbol und kein Loch . . . Wie lange noch –? Wie lange noch –?« Drei Irre standen in dem Garten und täten auf die Antwort warten. · Theobald Tiger Die Weltbühne, 08.12.1925, Nr. 49, S. 872, wieder in: Mit 5 PS.