Deutscher Abend Nun gönnt die Firma stillen Abendfrieden dem Arbeitsmann, den Mädels, dem Kommis – nun sitzt ganz Deutschland um den runden, lieben gedeckten Tisch und sieht aufs Visavis. Da liegt das Land: ganz schwarz und blau und dunkel. Es klirrt der Wind im Telegrafendraht. Ein gelbes Fenster grüßt dich mit Gefunkel: hier spielt der Förster seinen Dauerskat. Man hebt die Zeitung, läßt sie wieder sinken, die Welt, ihr Lieben, geht den alten Lauf – hieraufbezüglich kann man einen trinken, die Pfeife qualmt, nun steigt der Mond herauf. Und hundert Mimen spreizen ihre Glieder, und hundert Bürger füllen sich mit Bier . . . Und hundert Mädchen summen kleine Lieder, denn morgen, morgen muß er fort von hier. O Herr, so wie wir hienieden krauchen, so segne Land und Leute und Kompott. Verlaß dich drauf: wir könnens brauchen, wir könnens brauchen, lieber Gott! · Theobald Tiger Die Schaubühne, 02.04.1914, Nr. 14, S. 397, wieder in: Fromme Gesänge.