Nichts anzuziehen –! Ich steh schon eine halbe Stunde lang vor diesem gefüllten Kleiderschrank. Was ziehe ich heute nachmittag an –? Jedes Kleid erinnert mich . . . also jedes erinnert mich an einen Mann. In diesem Sportkostüm ritt ich den Pony. In diesem braunen küßte mich Jonny. Das da hab ich an dem Abend getragen, da kriegte Erich den Doktor am Kragen, wegen frech . . . Hier goß mir seinerzeit der Assessor die Soße übers Kleid und bewies mir hinterher klar und kalt, nach BGB sei das höhre Gewalt. Tolpatsch. In dem . . . also das will ich vergessen . . . da hab ich mit Joe im Auto gesessen – und so. Und in dem hat mir Fritz einen Antrag gemacht, und ich habe ihn – leider – ausgelacht. Dieses hier will ich überhaupt nicht mehr sehn: in dem mußt ich zu dieser dummen Premiere gehn. Und das hier . . .? Hängt das noch immer im Schranke . . .? Sekt macht keine Flecke –? Na, ich danke –! Und den Mantel – ich will das nicht mehr wissen – haben sie mir beim Sechstagerennen zerrissen! Ich steh schon eine halbe Stunde lang vor diesem gefüllten Kleiderschrank: das nackteste Mädchen in ganz Berlin. Wie man sieht: Ich habe nichts anzuziehn –! · Theobald Tiger Die Dame, März 1926, Nr. 12, S. 4.