Pro Wenn einer so oft den Contra-Baß streicht, muß er auch einmal . . . Ob das seine wirtschaftlichen Ursachen hat oder ob bei den Zöllnern einer sitzt, der den Beamten Manieren beigebracht hat, die sie vor dem Kriege nicht gehabt haben –: der deutsche Zoll ist für die Eisenbahnreisenden im allgemeinen keine Peinlichkeit mehr. Die Einrichtung ist beschämend für Europa, aber das ist eine andre Sache. Ich bin nun in den letzten Jahren von allen möglichen Seiten nach Deutschland hineingekommen: an keiner Stelle bin ich auf einen unfreundlichen, an keiner Stelle auf einen übereifrigen Zollbeamten gestoßen. Die Beamten prüfen oder prüfen nicht, sie bleiben ruhig und nett, sprechen, wenn es eine Schwierigkeit gibt, gar nicht beamtisch sondern so, wie es unter gesitteten Leuten üblich ist –: hier ist ein Wunder, glaubet nur. Die Sache sieht wahrscheinlich mehr nach Kinderstube aus, wenn man in Berlin auf den großen Zollämtern ein Paket Schokolade verzollen muß . . . aber auf den Eisenbahnstationen geht es im großen ganzen recht friedlich zu. Wobei zu bemerken, daß ich keine Frau bin, also am Schmuggeln keine Freude habe . . . Das läuft nicht überall so glimpflich ab. In Jeumont, an der französischen Grenze, jagen sie Flöhe oder Kokain, genau habe ich diese Kaisermanöver nie begriffen. Und an den italienischen Stationen ist eine nationalsozialistische Aufregung permanent – da ist der Fremde zunächst einmal Schmuggler, Hochverräter, böser Feind . . . allwelche Inquisition zum Glück abschwächend auf den italienischen Fremdenverkehr gewirkt hat. Die deutschen Zollbeamten sind demgegenüber Lichtblicke in der europäischen Nacht des Zollwahnsinns. Man soll nichts berufen . . . Ihr Götter . . . bleibt mir auch fürder gnädig! Denn nun wird ja wohl an der nächsten Grenzstation einer geloffen kommen und es alles durchwühlen und sprechen: »Halt! Was ist das! Ein Sprungseil? Sind Sie Berufsboxer? Trainieren Sie? Nein? Dann ist das Sprungseil laut Kapitel VII, Ziffer V, Abschnitt 3, Buchstabe pi zollpflichtig und Sie auch und der Koffer auch! Kommen Sie mal da mit rein, wir werden ein Protokoll aufnehmen und ein Formular ausfüllen . . . « Und dann muß ich alles angeben: die Rasierseife, den Gummibadeofen und die zusammenlegbare Kavallerielanze. Nur die Gedanken nicht, denn Gedanken . . . Da ist der Doktor Stapel vom Deutschen Volkstum nicht so gut dran. Bei dem fanden sie auch nicht die Spur eines Gedankens, und er mußte es alles, alles verzollen. · Peter Panter Die Weltbühne, 07.01.1930, Nr. 2, S. 73.