Frieren und frieren lassen In England streiken die Bergarbeiter. Na, was ist da weiter? Da müssen die Engländer ihre Kohlen eben bei uns bezohlen! Das ist ein altes Gesetz in der Welt: Deutschland dient andern gerne. Für Geld. Was aber jene betrifft, die Briten: die sitzen inmitten ihrer Zimmer an einem leeren Kamin, lesen ein liebliches Magazin . . . Nachgeben? Mit denen da parlamentieren? Lieber frieren. Die Minister, aus englischem Pfeifenholz, bleiben stolz, Erst der Staat. Dann die Wirtschaft. Dann der Profit. Wer streikt, ist ein Kommunistenbandit. Auf die Bergherren drücken? Kapitulieren? Lieber frieren. Die Arbeiter hungern. Kinder weinen. Mutter hat Wasser für die Kleinen. Nagt selbst an den Nägeln. Schnupft auf. Wartet geduldig. Monat für Monat. Bleibt Miete schuldig. Liegt auf der Straße . . . Überlegt . . . Da! Polizei kommt angefegt. »Straße frei!« Überlegung vorbei! Nieder mit der Streikbrecherei! Nachgeben? Zehn Stunden am Tag? Desertieren? Lieber hungern und frieren. So geht das seit einem halben Jahr. Jetzt wird es kalt. Dezember, Januar . . . Und wenn dabei Tausende zu Grunde gehn: Das ist Ordnung. Das muß bestehn. Licht im Ofen und Licht in Kaminen kann nur scheinen, wenn welche verdienen – Wärme in Stube und Wärme im Saal: nur mit Prozenten fürs Kapital! Oben: Behaglich durchwärmte Zimmer. Oben: Blitzender Lampenschimmer. Toast-Röster, Heißluft-Ondulieren. Unten: Frieren. · Theobald Tiger Die Weltbühne, 02.11.1926, Nr. 44, S. 705.