6. Tugendspiegel der Kindheit Jesu Wahrlich ich sage euch: Es sei denn, daß ihr euch umkehret und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen. Wer nun sich selbst erniedrigt wie dies Kind, der ist der Größte im Himmelreich. Matth. 18, 3. 4 Mel.: Wie schön leuchtet der Morgenstern ... 1. O Jesu, göttlich' Wunderkind, Das mir mein ganzes Herz entzünd't, Du wollst mich nicht verschmähen; Ich setz' mich sanft in stillem Sinn Im Geist zu deiner Krippe hin Und will dich recht besehen. Laß dein Äuglein Mich anblicken, In mich drücken Deine Klarheit Und dein Kinderbild in Wahrheit! 2. O Unschuld, mehr als engelrein, Du läßt kein Sündenstäubchen ein, O Spiegel ohne Flecken! Du kleines Lamm nichts Arges denkst, Bist allen hold und keinen kränkst Und mußt den Tod doch schmecken. Jesu, Wie du Laß mich werden Noch auf Erden Fremd dem Bösen, Rein, unschuldig sei mein Wesen! 3. Die Einfalt leucht't dir im Gesicht, Du bist ganz Wahrheit, Recht und Licht, Nichts Falsches kann sich regen; Du suchst, mein Kindchen, nichts für dich, Du meinst den Vater lauterlich Ohn' eignes Überlegen. Jesu, Wie du Laß mich werden Noch auf Erden, Daß ich meine Schlecht und recht nur dich alleine! 4. Du, großer Schöpfer aller Ding', Liegst da so klein und ganz gering, O aller Demut Wunder! Du hältst verborgen deinen Schein, Du willst veracht't und niedrig sein, Wie läßt du dich herunter! Jesu, Wie du Laß mich werden Noch auf Erden, Daß ich gerne Von dir deine Demut lerne! 5. Dein Herz ist voller Gütigkeit, Ich kann die süß'ste Freundlichkeit Aus deinen Augen lesen; Holdselig du dich allen zeigst Und allen deine Gnade reichst, Du sanftes Kinderwesen. Jesu, Wie du Laß mich werden Noch auf Erden Allen gütig, Ganz gebrochen und sanftmütig! 6. Wie liegst du so gelassen, ach! In Elend, Kält' und Ungemach, Du lässest mit dir machen; Man mag dich legen, wie man will, Du bleibst zufrieden, froh und still, Die süßen Äuglein lachen. Jesu, Wie du Laß mich werden Noch auf Erden Still, gelassen, Was du schickest zu umfassen! 7. Du liegst so unbekümmert da Und bist so schwach und dürftig ja, Ein andrer muß dich halten; Du läßt die Hände wickeln ein Und willst so recht abhängig sein, Den Vater läßt du walten. Jesu, Wie du Laß mich werden Noch auf Erden Stets verborgen, Auf dich trauen ohne Sorgen! 8. O ewigs Wort, nun schweigest du, Dein Geist, der ist in höchster Ruh, Wie still sind deine Lippen! Die Schar der Engel bet't dich an, Die Hirten haben's auch getan, Doch schweigst du in der Krippen. Jesu, Wie du Laß mich werden Noch auf Erden, Lehr mich schweigen, Und im Geist vor dir mich beugen! 9. Wie bist du nicht ein armes Kind, Das keinen Raum im Hause find't! Bist mit dem Stall zufrieden. Mich dünkt, dein ganzes Wesen spricht: Weg Geld und Gut! ich will euch nicht, Ich halt mich abgeschieden. Jesu, Wie du Laß mich werden Noch auf Erden, Armut lieben, Stets mich im Verleugnen üben! 10. Da liegst du so veracht't und schlecht, O Gottes Sohn, gleichwie ein Knecht, Von einer Magd geboren; Die Hoheit, Ehr' und Herrlichkeit Verleugnest du als Eitelkeit, Hast lieber Schmach erkoren. Jesu, Wie du Laß mich werden Noch auf Erden Und begehren Lieber Schmach als Lob und Ehren! 11. Du bist wohl recht ein Leidenskind, Jetzt büßest du schon meine Sünd', Es zeigen's deine Tränen; Du willst schon früh im Leiden sein Und willig dich zu Kreuz und Pein Von Mutterleib gewöhnen. Jesu, Wie du Laß mich werden Noch auf Erden, Wollst mir eben Solchen Leidenssinn auch geben! 12. Du schönes, liebes Engelein, Ich müßt' ein harter Felsen sein, Wenn ich dich nicht sollt' lieben; Was an dir ist, ist liebenswert, Du bist es, den mein Herz begehrt, Es sei dir ganz verschrieben. Jesu, Nur du Bist's alleine, Den ich meine; Laß auf Erden Mich dein liebes Kind noch werden! 13. Mein Jesu, ich umarme dich, Komm, drück dein Kinderbild in mich, Laß mich dir ähnlich werden! Ein klein, unschuldig Kindelein, So geh ich in den Himmel ein, Noch weil ich leb' auf Erden, Lebe, Schwebe Abgeschieden, Still im Frieden, Werd' auch droben Dich in Unschuld ewig loben.