40. Das Fräulein bei Wittenberge. Die Stadt Wittenberge in der Priegnitz hat in früheren Zeiten nicht da gestanden, wo sie jetzt steht, sondern etwas mehr seitwärts. Man zeigt noch jetzt die Stelle und gräbt dort auch noch zuweilen Mauersteine, Urnen und andere Sachen aus der Erde. Da wo die rechte Stadt selbst gestanden, ist ein ebenes beackertes Feld, gleich daneben ist aber ein hoher Hügel mit einem breiten Graben umgeben; da hat früher das Schloß der Herren von Wittenberge gestanden. Diese ganze Gegend wird noch jetzt die »alte Stadt« genannt. In dem Hügel soll noch ein tiefer Keller sein, der aber jetzt verfallen ist. Auch lassen sich um denselben herum oft Gespenster sehen und hören. Ueber die Zerstörung der alten Stadt und des Schlosses erzählt man sich, daß einst vor langen Jahren ein Fräulein dieses Ortes, deren Namen man nicht mehr weiß, sich an einen vornehmen Herrn ehelich versprochen, worauf dieser sich in den Krieg begeben müssen. Nicht lange darnach aber setzte das Fräulein sich diesen Ritter aus den Gedanken, und sagte einem andern vornehmen Herrn die Ehe zu, mit dem sie sich auch copuliren ließ. Als das nun der erste Bräutigam erfahren, hat er die Stadt und Burg mit Kriegsgewalt angegriffen und erobert, und beide zerstöret. Die Einwohner suchten sich darauf einen andern Platz zur Wiederaufbauung ihrer Stadt aus, da wo diese noch jetzt steht. Das Fräulein aber, deren Untreue auf solche Art gerächt worden, kann seitdem noch immer keine Ruhe finden. Beckmann histor. Beschreibung v. Brandenburg. Th. 5. Buch 2. Cap. 8. S. 328, 329.