630. Die drei Hunde. a. Ein armer Bauer hatte zwei Kinder, einen Sohn und eine Tochter. Als er nun zum Sterben gekommen, hinterließ er ihnen nichts als sein kleines Haus und drei Schafe. Der Knabe sprach zu seiner Schwester: »Wähle dir!« und sie wählte das Haus. Da nahm der Knabe die drei Schafe, schnürte sein Bündel und zog über Land. Er kam in einen Wald, und da er hungrig war, machte er sich ein Mittagsessen, so gut er konnte, die Schafe aber ließ er unter einem Baume weiden. Als er nun da saß, kam ein Mann mit drei Hunden daher, der bot ihm einen Tausch an, er wolle ihm die drei Hunde für die drei Schafe geben. Johann, der Knabe, aber wollte nicht und sagte: »Die Hunde wollen gefüttert sein, und ich habe für mich schon zu wenig; die Schafe aber suchen ihr Futter selbst.« Sprach der Mann zu ihm: »Du irrst dich, die Hunde bringen vielmehr dir das Essen und können dir auch sonst noch sehr nützlich sein; die Hunde heißen: der kleine Hol-Speise, der mittlere Zerreiß-ihn und der größte Brich-Eisen- und -Stahl, und wenn man sie ruft, so tun sie, was ihr Name sagt.« Johann besann sich nun nicht lange und nahm die drei Hunde. Als er eine zeitlang marschiert war, hungerte ihn abermals, denn seine Mittagsmahlzeit war nur knapp gewesen, und er sprach zu dem kleinen Hunde: »Hol Speise!« Da lief der Hund fort, was er laufen konnte, kam jedoch bald wieder mit allerhand schöner Speise, die verzehrte Johann mit seinen Hunden. Nach einiger Zeit begegnete ihnen ein schwarzer Trauerwagen, darin saß, ganz in schwarz gekleidet, eine schöne junge Dame. Johann fragte den Kutscher, was das bedeute, aber der Kutscher gab keine Antwort. Johann aber ließ nicht nach und fragte nochmals. Da antwortete der Kutscher: »Nicht weit von hier haust ein schreckliches Ungeheuer, das fordert jedes Jahr eine Jungfrau von vierzehn Jahren und dieses Jahr hat die junge Königstochter das Loos getroffen, die muß ich jetzt dem Ungeheuer überliefern.« Damit fuhr der Kutscher weiter, aber Johann folgte dem Wagen nach, bis sie an einen Berg kamen. Hier hielt der Wagen an, die junge Dame stieg aus und schritt mit dem Kutscher den Berg hinan. Johann begleitete sie, obwohl beide ihn warnten und ermahnten zurückzubleiben. Als sie ungefähr den Berg erstiegen hatten, kam ihnen ein großer feuriger Drache entgegen. Die Dame blieb weinend stehen, der Kutscher wandte sich um und ging zurück, Johann aber sprach zu seinem mittleren Hunde: »Zerreiß ihn!« und im Augenblick sprang der Hund auf das Ungetüm zu, zerriß es und fraß es mit Haut und Haaren. Nur einige Zähne ließ er liegen, die steckte Johann in die Tasche. Die Dame fiel vor Johann auf die Knie, dankte ihm und bat ihn, mit auf ihres Vaters Schloß zu kommen; aber Johann wollte erst die Welt besehen und versprach, nach drei Jahren wieder zu kommen; so lange solle sie auf ihn warten. Darauf zog Johann mit seinen drei Hunden weiter. Die Prinzessin bestieg nun den Wagen, um zur Stadt zurück zu fahren. Der Kutscher aber war ein böser Mensch, und als sie an einen großen Bach gekommen waren, hielt er an und sagte zur Prinzessin, sie solle ihrem Vater sagen, daß er den Drachen erschlagen; und wenn sie das nicht verspreche, so wolle er sie mit Wagen und Pferden in das Wasser stürzen. Die Prinzessin weinte und flehte, aber es half alles nichts, und um ihr Leben zu retten, versprach sie zu tun, was der Kutscher verlangt hatte. Nun fuhren sie zur Stadt. In der Stadt waren alle Häuser mit schwarzen Tüchern und Fahnen behangen und besteckt. Wie aber das Volk sah, daß die Königstochter lebendig und wohl zurückkehrte, nahm es die schwarzen Tücher und Fahnen weg und schmückte die ganze Stadt mit Rot. Und der König, als er seine schon verloren gegebene Tochter wieder hatte, freute sich über die Maßen, und als seine Tochter ihm erzählte, daß der Kutscher den Drachen erschlagen habe, machte er ihn zum Edelmann und versprach ihm seine Tochter zur Frau, und übers Jahr sollte die Hochzeit sein. Das Jahr verstrich der Prinzessin unter Weinen und Bekümmernis, denn sie hatte eine große Liebe zu Johann gefaßt, und als es verflossen war, ging sie zum König und bat ihn in Tränen, ihr noch ein Jahr Zeit zu lassen. Das tat der König. Aber auch das zweite Jahr verstrich, und Johann ließ sich nicht sehen, und die Prinzessin bat den König nochmals um ein Jahr Aufschub. Der König sprach: »Es sei, wie du willst, aber es ist die letzte Bitte, die ich dir gewähre; hernach gebe ich dir auch keinen Tag weiter.« Der Hochzeitstag kam heran. Die Stadt war mit Fahnen und Kränzen geschmückt, und die Glocken läuteten den ganzen Tag vom frühen Morgen an. Da kam ein Jüngling mit drei Hunden durch das Tor in die Stadt und fragte, was für ein Fest gefeiert werde. Sie antworteten ihm, heute sei der Tag, wo die Königstochter Hochzeit halte mit dem Edelmann, der vor drei Jahren den Drachen erschlagen habe. Da schickte der Jüngling seinen Hund Hol-Speise ab, der lief in des Königs Schloß und in den Speisesaal auf die Königstochter zu und leckte ihr die Hand. Die Königstochter erkannte den Hund, nahm eine Serviette, in die eine Königskrone gestickt war, legte von der besten Speise hinein und gab sie dem Hunde, der sie seinem Herren brachte. Aber der Bräutigam der Prinzessin hatte den Hund gesehen und ebenfalls wieder erkannt und schickte einige Leute von der Wache, die nahmen den Jüngling, grade wie er beim Essen war, gefangen, und setzten ihn in ein Gefängnis und banden ihn mit Ketten fest. Die Hunde folgten dem Gefangenen bis vor die Tür und legten sich dort hin und wimmerten nach ihrem Herren. Als der Jüngling das Wimmern vernahm, rief er, so laut er konnte: »Brich-Eisen- und- Stahl.« Ein Augenblick, und der Hund legte seine Vorderpfoten an das Gitter und zersprach es, sprang ins Zimmer, biß Johann die Ketten ab und sprang wieder hinaus, und Johann ging frei und ledig ihm nach aus dem Gefängnisse. Unterdessen war die Königstochter weinend vor ihren Vater getreten und hatte ihm alles erzählt, wie Johann und nicht der Kutscher sie errettet habe vor dem Drachen, und wie Johann jetzt in der Stadt sein müsse, da sie seinen getreuen Hund gesehen habe. Der König sandte nach Johann aus, der alles so bestätigte, wie es die Königstochter gesagt hatte, und noch die Zähne aufweisen konnte, die von dem Drachen übrig geblieben waren. Auch der Kutscher wurde herbeigerufen und gestand seine Schlechtigkeiten ein, als er Johann mit den Hunden und den Drachenzähnen vor sich sah. Da wurde zwischen Johann und der Königstochter die Hochzeit vollzogen, der Kutscher aber kam in das Gefängnis, und wahrscheinlich sitzt er noch darin. Johann lebte überaus glücklich mit seiner Gemahlin, aber vergaß seiner armen Schwester nicht, sondern erzählte seiner Gemahlin seine Lebensgeschichte von Anfang an und bat, ihm zu gestatten, daß er seine Schwester aus ihrem Häuschen auf das Schloß hole, um dort mit ihnen zu leben. Seine Gemahlin war damit gern zufrieden, und er holte die Schwester herbei. Da fing Brich-Eisen-und-Stahl an zu sprechen und sagte: »Wir wollten nur sehen, ob du deiner armen Schwester auch vergäßest, denn da wäre es dir schlecht ergangen; nun aber ist es gut und du brauchst uns nicht mehr.« Und wie er das gesagt hatte, verwandelten sich die drei Hunde in drei Vögel und flogen davon. Johann aber mit Frau und Schwester führten ein Leben in Eintracht und Freude, und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie noch.