44. Die Schönheit 1776. Wie freudig die Lerche Schwebet entgegen Dem rötlichen Morgen; So schwebet in melodischem Fluge des Gesangs Lieblichste Tochter der Natur, Schönheit, meine dürstende Seele dir nach. Deine heimische Laube Blühet unter den Sternen nicht: Aber auf Strahlen des Himmels Schwebest oft zu Sterblichen du hinab, Lächeltest mir oft Von purpurnen Wangen des Morgens, Oft vom Schimmer des Mondes, Und vom Spiegel des Sees, den der Hain umkränzt, Sanfte Ruh in die Seele, Ahndungen und Himmelsgefühl. Ach! auf Wangen des Mädchens Sah ich dich himmlischer noch! In sanftrollender Unschuld Ihrer schmelzenden Augen Sah ich dich himmlischer noch! Hörte dich in den bebenden Melodieen Ihrer schwebenden Stimme! Hörte dich! sah dich, fühlte dich! Und in Flammen der Liebe... Wehe mir! wehe! Was bebt meine Seele Plötzlich in die Ebbe des Gesangs zurück! Selinde! Selinde! Versiegt bei deinem Namen mein Gesang? Stolberg, sei ein Mann! Ströme wieder, Gesang! Ström', ich beschwöre dich bei deiner Kraft! Denn die heimische Laube Der seligen Göttin Blühet unter den Sternen nicht! Himmlische Urschönheit! Oder wie nennen die Unsterblichen dich, Welche besser dich kennen, als Homer, Plato, Klopstock und Ossian? Bist du der olympischen Tugend Schwester? oder sie selbst? Selige Bewohner des Lichts, Welche sich sonnen in deinem Strahl, Und mit schwellendem Segel Schiffen auf der Wahrheit unendlichem Oceanus! Weise der Erde Stehn am sandichten Ufer, Und freun sich, wie Kinder, Wenn die kleine Kenntnis Zappelt an der Angel schwankendem Rohr, Lächeln wie Kinder Über den weißen Schaum Und die bunte Blase, Ehe sie am Gestade zerplatzt! Lieber wall' ich am Ufer, Ruhig und gedankenvoll! So hört doch mein Ohr Der ernsten Wogen rauschenden Fall! Es spähet mein Blick Die Argo, die einst Zum reineren Golde mich führt! Schweig indessen, Gesang! Bis du einst der Göttin, Wie die Donau der Sonne, Von ihrem Glanze golden und rot, Freudig und donnernd entgegenströmst!